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Tourismusindustrie
Keine Visa für indische Reisegruppen: Personalmangel bremst Tourismus in der Schweiz

Indische Touristen besichtigen die bekannte Kapellbrücke in Luzern. Für die Bearbeitung der Visaanträge von grossen Gruppen aus Indien fehlen derzeit jedoch die Ressourcen. 
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Die Mitteilung der Schweizer Botschaft in der indischen Hauptstadt Delhi ging am 19. Juli bei Schweizer Reiseveranstaltern ein und hat es in sich. Wegen des hohen Volumens an Visaanträgen könnten für Gruppenreisen von Firmenangestellten bis und mit September keine Anträge mehr entgegengenommen werden. 

Die Veranstalter werden gebeten, solche Reisen auf einen späteren Zeitpunkt zu planen, damit die Visa rechtzeitig eingereicht und ausgestellt werden können.

Nun muss man wissen: Diese Reisen gehören für viele Tourveranstalter zu den gewinnbringendsten in ihrem Geschäft. Es handelt sich dabei oft um Hunderte Personen gleichzeitig, die zum Beispiel zur Belohnung für besonderen Erfolg die Reise von ihrem Chef spendiert bekommen: die 500 besten Autoverkäufer eines Unternehmens beispielsweise.

Schengen-Visa für Touristen sind Mangelware

Unvergessen sind beispielsweise die 12’000 Chinesinnen und Chinesen, die 2019 von ihrem Unternehmen die Reise geschenkt bekamen und dann in drei Gruppen aufgeteilt gemeinsam auf Schweiz-Tour gingen. Ohne solche Reisen werde das Wachstum seines Unternehmens gebremst, sagt ein betroffener Schweizer Tourveranstalter.

Die aktuelle Information aus Indien ist für ihn nur ein weiterer Tropfen auf dem heissen Stein. Denn obwohl die Corona-Pandemie schon einige Zeit vorbei ist, arbeiten die zuständigen Stellen für die Vergabe von Schengen-Visa in den Botschaften der jeweiligen Länder noch längst nicht auf Vor-Corona-Niveau.

Dies trifft, wie aus der Branche zu erfahren ist, vor allem klassische Gruppenreisende aus asiatischen Ländern, etwa China oder Indien.

Mit der Konsequenz, dass diese Reisenden trotz Reiselust immer noch nicht in einem vergleichbaren Ausmass wie vor der Pandemie in die Schweiz oder nach Europa generell zurückkehren. Vielmehr würden sie dann stattdessen in einem Land in Südostasien Ferien machen, wo die Einreise kein Problem sei.

Personalmangel auf Botschaften als Ursache

Simon Bosshart, Leiter Märkte Ost bei Schweiz Tourismus und damit zuständig für den asiatischen Markt, ist das Problem bekannt. Alleine in China gab es vor der Pandemie 17 Center, die unter anderem für die Bearbeitung der Schengen-Visa-Anträge für die Schweiz zuständig gewesen waren. «Doch mit der Pandemie wurde diese Tätigkeit plötzlich nicht mehr gebraucht.»

Mit der Konsequenz, so Bosshart, dass die Kapazitäten deutlich heruntergefahren worden seien und sich die Zuständigen in den Botschaften und bei externen Dienstleistern eine andere Tätigkeit gesucht hätten oder in ihre Heimat zurückgekehrt seien.

Begehrtes Reiseziel für ausländische Touristinnen und Touristen: Der Titlis in Engelberg.  

Gerade die Schweiz sei trotzdem sehr bemüht, die Strukturen möglichst zügig wieder zu reaktivieren, meint Schweiz Tourismus. Das Problem verortet Bosshart eher in den europäischen Nachbarländern. «Gemäss unseren Informationen sollen sich beispielsweise Deutschland und Italien bei der Vergabe immer noch sehr auf Sparflamme bewegen.» 

Andere Länder bremsen

Bosshart vermutet für die aktuellen Kapazitätsengpässe deshalb auch das Regelwerk des Schengen-Systems als Mitursache. Denn das Schengen-Visum berechtigt die Touristengruppen zwar im beantragten Zeitraum zur freien Reise im Schengen-Raum, angefordert werden muss es aber jeweils im Hauptreiseland. Das ist das Land, in dem die Gruppe beabsichtigt, während ihrer Reise die meiste Zeit zu verbringen. 

Und dies, so Bosshart, sei oft nicht die Schweiz, sondern eher Deutschland, Frankreich oder Italien. Doch weil dort die Kapazitäten teils immer noch sehr beschränkt seien, würden die Reisenden dann versuchen, über die Schweiz an das Visum zu kommen, obwohl diese gar nicht ihr Hauptreiseland sei. Bezeichnet wird dies als Visa-Shopping. Mit der Konsequenz, so Bossart, dass die Schweizer Antragsstellen allenfalls überlastet seien.  

Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) bestätigt diese Einschätzung. «Während die Schweiz global bereits wieder 94 Prozent der 2019 bereitgestellten Visa-Gesuche behandelt, haben viele andere Schengen-Länder an verschiedensten Standorten ihre Visa-Kapazitäten von 2019 noch nicht annähernd wieder herstellen können», heisst es auf Anfrage.

Der schiere Nachholbedarf sowie die nicht ausreichenden Kapazitäten der übrigen Schengen-Länder führten nun in der Konsequenz zu einer noch nie da gewesenen Nachfrage nach Terminen für die Schweiz. Entsprechend könne es zu Verzögerungen bei der Terminvergabe für die Gesuche kommen.

Termin für Visa-Vergabe auf dem Schwarzmarkt

Auch werde in gewissen Regionen eine Zunahme des sogenannten Visa-Shoppings festgestellt. «Das wiederum kann sich auf die Terminvergabe für die Einreichung der Gesuche auswirken.» Hingegen gebe es keine Verzögerung bei der eigentlichen Ausstellung der Schengen-Visa, die 15 Arbeitstage betrage, betont das EDA. Auch bei der Nachricht der Botschaft in Delhi an die Tourenveranstalter handle es sich «lediglich um eine organisatorische Massnahme», der Zugang zu Visa sei nicht infrage gestellt. 

Für die Schweizer Reisebranche jedoch bleibt das Problem akut. Und solange sich die Visa-Vergabe nicht verbessere, seien die Wachstumsmöglichkeiten in seinem Markt stark limitiert, sagt der Tourveranstalter. Dazu komme, dass, weil derzeit die Nachfrage deutlich das Angebot übersteige, sich nun rund um die Visa-Vergaben ein reger Schwarzmarkt entwickelt habe.

Gerade in Indien würden irgendwelche Firmen oder Private die wenigen Slots für die Visa-Vergabe auf Vorrat buchen und diese dann an Reiseanbieter weiterverkaufen. Dies zu teils horrenden Preisen, wie in der Branche zu hören ist.