WM-Bilanz aus wirtschaftlicher Sicht«Katar 2022» lässt viele kalt – das spüren Firmen, die normalerweise damit Geld verdienen
Die Fussball-Weltmeisterschaft hat keine Euphorie ausgelöst. Panini-Bilder verkaufen sich schlecht, und die Sportartikler bleiben auf den Spieler-Trikots sitzen.

Mandarinen statt Kartoffelchips und Tee statt Bier. Wohl noch nie ist eine Fussball-WM für viele Fans so wenig prickelnd ausgefallen. Und: Statt in der Gartenbeiz verfolgten viele die Partien vom Sofa aus – wenn sie sich nicht entschieden hatten, die Spiele in Katar zu ignorieren.
Was eigentlich ist aus dem viel diskutierten Boykott wegen des umstrittenen Austragungsorts geworden? Sind deswegen die Zuschauerzahlen eingebrochen? Zwar steht die Finalbegegnung vom Sonntag noch aus, doch bereits jetzt ist klar: Im Vergleich zur WM vor vier Jahren in Russland haben weniger Fans die Spiele zu Hause am TV mitverfolgt – dies, obwohl es nur wenig Public-Viewing-Möglichkeiten gab.
Nur die Primetime-Partien der Schweizer Nati wurden ähnlich häufig geschaut wie bei früheren Fussball-Weltmeisterschaften. Dies geht aus Zahlen von SRF hervor. Das Spiel Schweiz gegen Serbien verfolgten im Schnitt 1,2 Millionen Zuschauende – das entspricht einem Marktanteil von 60,7 Prozent. Das Ausscheiden gegen Portugal sahen 1,3 Millionen (Marktanteil 63,6 Prozent). Gestreamt hingegen hätten die Spiele noch nie so viele Fans wie bei dieser WM, schreibt SRF.
Bei den K.-o.-Spielen ohne Schweizer Beteiligung haben jedoch deutlich weniger Personen den Fernseher eingeschaltet als bei früheren WM-Spielen: im Schnitt 482’000 Personen (Marktanteil von 42,1 Prozent). Bei der WM in Russland waren es 645’000 Personen (Marktanteil von 52,8 Prozent).
Verschiedene Faktoren wie der Zeitpunkt der Partien sowie unterschiedliche Konkurrenzsendungen würden das Publikumsinteresse beeinflussen. Deshalb könnten, so SRF, die Zahlen bei «Katar 2022» nicht mit früheren Weltmeisterschaften verglichen werden. «Anhand der TV-Publikumszahlen lässt sich nicht feststellen, inwiefern die öffentliche Kritik das TV-Nutzungsverhalten als zusätzlicher Faktor beeinflusst hat», erklärt eine SRF-Sprecherin.
Fussball-Trikots sind Ladenhüter
Das Interesse ist also geringer, doch ist der grosse Boykott ausgeblieben. Das freut die Firmen, die im Umfeld von «Katar 2022» werben. Ochsner Sport zum Beispiel. Der Sportausrüster warb in den Werbeblöcken vor, nach und während den Spielen auf SRF jeweils mit einem eigens dafür angefertigten Werbespot. Die Verantwortlichen zeigen sich zufrieden. «Wir bedauern natürlich das zu frühe Ausscheiden der Nati, sind jedoch überzeugt, dass sie in der sportinteressierten Bevölkerung beliebt ist und grosses Interesse generiert», sagt Marketingchef Marco Greco.
Ob sich diese Kampagne tatsächlich in steigenden Verkaufszahlen niederschlägt, wird sich erst in einigen Wochen zeigen. Derweil ist jetzt schon klar: Fan-Artikel, wie Tenues unterschiedlicher Nationalmannschaften oder WM-Fussbälle, sind Ladenhüter. Ochsner Sport verkauft die Trikots bereits seit letzter Woche mit einem Rabatt von 50 Prozent. Das Kinder-Trikot der Schweizer-Nati ist für 39.95 statt 79.90 Franken zu haben. Der offizielle Fifa-Spielball kostet statt 169.90 nur noch 84.95 Franken.

Offiziell gibt sich der Sporthändler «sehr zufrieden» mit den Verkäufen, doch dass jetzt schon solche Rabatte gewährt werden, heisst: Im Gegensatz zu früheren Fussball-Weltweltmeisterschaften ist das Interesse gering. Auch bei SportXX, der Sportkette der Migros, sind die Fan-Artikel stark rabattiert. «Erwartungsgemäss setzten wir weniger Fan-Artikel ab als in anderen Jahren», schreibt Migros-Sprecher Marcel Schlatter.
Panini-Hype bleibt aus
Dennoch findet der Sprecher einen positiven Aspekt: Auffällig sei, dass SportXX heuer mehr Kinder- als Erwachsenen-Shirts verkauft habe. Das sei sonst jeweils genau umgekehrt. Schlatter folgert daraus: «Für Kinder stehen also eindeutig der Sport und die Freude am völkerverbindenden Spiel im Vordergrund und nicht politisches Geplänkel.»
Gegen die These des Migros-Sprechers spricht zumindest, dass auch das grosse Sammeln der Panini-Bilder ausgeblieben ist. In vielen Haushalten dürften angefangene Alben liegen. Die Kioskbetreiberin Valora hat nämlich deutlich weniger Panini-Bilder verkauft als bei anderen Weltmeisterschaften. Die genauen Zahlen will Sprecher Martin Zehnder nicht nennen. Bereits bei Verkaufsbeginn sei das Interesse verhalten gewesen. Zwar habe sich das ab Mitte November etwas verbessert, doch: «Das konnte den verhaltenen Start nicht wettmachen», so Zehnder.
Fussballverband verdiente weniger als in Russland
Auch die Bierindustrie konnte für einmal nicht vom WM-Fieber profitieren – jedoch nicht wegen des Fussballs, sondern aufgrund des Wetters. Dieses hat den grössten Einfluss auf den Bierkonsum. Im November und Dezember sind die Verkäufe sowieso geringer als im Sommer. «Doch wenn man bedenkt, dass fast keine Public Viewings stattgefunden haben, wird wohl weniger Bier getrunken worden sein», sagt Christoph Lienert vom Schweizer Brauerei-Verband. Jedoch handle es sich im Vergleich zur gesamten jährlich in der Schweiz verkauften Biermenge um vernachlässigbare Mengen.
Hat wenigstens der Schweizerische Fussballverband (SFV) mit «Katar 2022» Geld verdient? Ja, aber weniger als vor vier Jahren. Insgesamt hat diese WM dem SFV rund 1,5 Millionen Franken eingebracht, wie diese Redaktion errechnet hat. In Russland waren es 3 Millionen Franken. Der Grund, warum der Ertrag geringer ausfällt als damals, liege an den höheren Kosten vor Ort, also etwa für Hotel, Verpflegung, Transporte. «Die Aufenthaltskosten waren in Katar deutlich höher als in anderen Austragungsorten», sagt SFV-Sprecher Adrian Arnold.
Die Tatsache, dass die Credit Suisse, seit bald 30 Jahren Hauptsponsorin der Fussball-Nationalmannschaft, für «Katar 2022» keine eigene Marketingaktion entwickelt hatte (Details lesen Sie hier), habe auf den SFV keine Auswirkungen gehabt. Die Credit Suisse bleibt sicher noch bis und mit Saison 2023/24 Hauptsponsorin der Schweizer Nationalmannschaft. Ob die Verträge darüber hinaus verlängert werden, ist noch nicht bestimmt.
Bier vergeblich in die Wüste geschickt
Ob für die Bierfirma Budweiser die Rechnung aufgehen wird, ist offen. Die langjährige Fifa-WM-Sponsorin hatte sich einem kurzfristigen Entscheid von Katar unterzuordnen. Der Staat hatte den Verkauf von Alkohol in den Stadien, anders als offenbar ursprünglich vorgesehen, schliesslich nicht erlaubt.
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Die Verantwortlichen von Budweiser haben daher kurzerhand entschieden, das Bier, das sie eigens für die WM in den Wüstenstaat Katar geschickt hatten, dem WM-Sieger zu schenken. Ob die Harassen-Stapel nun nach Argentinien oder nach Frankreich gehen? Am Sonntagabend wird sich auch diese Frage klären.
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