Dämpfer für WachstumsmarktKäseexporte nach Russland brechen ein
Die Schweizer Russlandexporteure spüren die Blockade der Banken. Einige erhalten kein Geld für ihre Anfang Jahr gelieferten Waren.
In Russland, direkt an der Grenze zu Litauen, liegt Tilsit – das Dorf, das heute Sowetsk heisst und dem der Tilsiter-Käse seinen Namen verdankt. Tilsiter und Vacherin, aber vor allem Gruyère und Tête de Moine aus Schweizer Käsereien sind bei Russinnen und Russen beliebt. Doch bald müssen sie darauf verzichten.
Die Regale werden sich leeren. Immer mehr Schweizer Käseexporteure stoppen ihre Lieferungen nach Russland. Der Transport ist zu unsicher, und die Zahlungsabwicklung ist schwierig bis unmöglich geworden.
Dabei hat die Schweiz in den vergangenen Jahren laufend mehr Käse nach Russland ausgeführt. Nun bricht der Export zusammen – und den Schweizer Käsehändlern entgehen beträchtliche Summen Geld. «Gruyère wird derzeit nicht mehr exportiert», sagt Philippe Bardet von der Sortenorganisation Gruyère. Sie vertritt die Interessen der Hersteller und ist unter anderem fürs Marketing zuständig.
300 Tonnen Gruyère pro Jahr
Bardet sagt: «Schwierig ist, dass die Lieferungen von Anfang des Jahres nicht bezahlt wurden. Die Blockade durch die Banken ist real.»
Nicht nur drohende Zahlungsausfälle, auch die Perspektiven sind bitter. Insbesondere die Gruyère-Käsereien setzten grosse Hoffnungen auf Russland. Sie erwarteten gute Wachstumsmöglichkeiten, da der Name dort geschützt ist. Bisher wurden jährlich rund 300 Tonnen Schweizer Gruyère nach Russland geliefert.
In den letzten acht Jahren ist der Export von Schweizer Käse nach Russland stark gestiegen. Das hat einen wichtigen politischen Grund: Seit dem Sommer 2014 verbietet Russland den Import vieler Lebensmittel aus der EU und Nordamerika. Das war Moskaus Antwort auf die Wirtschaftssanktionen, die der Westen nach der Annexion der Krim gegen Russland erlassen hatte.
Die Schweiz verzichtete damals darauf, sich den Wirtschaftssanktionen der EU anzuschliessen. Das half den Schweizer Käsern, denn ihre härteste Konkurrenz wurde ausgeschaltet. Die Käseexporte nach Russland haben sich im Vergleich zur Zeit vor den Sanktionen der EU und der USA stark erhöht, von gut 400 Tonnen auf rund 3000.
Hauptabnehmer bleiben EU-Länder
Die Lieferungen im vergangenen Jahr hatten einen Wert von fast 30 Millionen Franken, wie die Exportstatistik zeigt. In den ersten beiden Monaten 2022 gingen die Exporte nach Russland ihren gewohnten Gang. Im Februar wurden noch Käse und Quark im Wert von 2,4 Millionen Franken geliefert. Umgekehrt importiert die Schweiz praktisch keinen Käse aus Russland. Im vergangenen Jahr waren es gerade mal 23 Kilo.
Andere Länder sind für die Schweizer Käseproduzenten deutlich wichtiger als Russland – allen voran Deutschland und Italien, aber auch die USA. Allein nach Deutschland lieferte die Schweiz im vergangenen Jahr elfmal mehr Käse und Quark als nach Russland. Dorthin gehen rund 4 Prozent der Schweizer Käseexporte – 82 Prozent werden in die EU geliefert.
Wie schwierig das Geschäft seit Kriegsbeginn geworden ist, schildert Martin Siegenthaler. Er ist Geschäftsführer der Sortenorganisation Tête de Moine. Zwar sei der Export von Tête-de-Moine-Käse nach Russland «noch möglich, aber schwierig und deutlich tiefer als noch vor einigen Wochen».
Die Hürden seien schon vor dem Krieg hoch gewesen. Deshalb hätten die Exporteure teilweise vereinbart, dass die russischen Kunden ihre Bestellungen bezahlten, bevor die Exporteure lieferten – oder dass die Kunden den Käse in Schweizer Franken beglichen statt in Rubel. Zum ohnehin aufwendigen Russlandgeschäft kommen nun die Sanktionen und der Zerfall des Rubels hinzu.
Firma Margot aus Yverdon bangt um viel Geld
Welche Einbussen drohen, zeigt das Beispiel der Firma Margot Fromages aus Yverdon. Sie exportiert jährlich 500 Tonnen hochwertigen Schweizer Käse nach Russland und bangt nun um bedeutende Summen Geld. Rund 10 Prozent des Jahresumsatzes stammen aus dem Russlandgeschäft.
Käse von Margot ist in Russland ein Luxusprodukt, das vor allem in hochpreisigen Warenhäusern verkauft wird. Wegen der Sanktionen ist Margot nun blockiert. Anthony Margot, der die Firma zusammen mit seinem Bruder führt, wird nun voraussichtlich auf das Geld für bereits gelieferte Waren verzichten müssen.
Emmi liefert weiterhin Milchprodukte nach Russland
Emmi, der grösste Schweizer Milchverarbeiter, hat ebenfalls mit Schwierigkeiten in der Zahlungsabwicklung zu kämpfen, hält aber an seinem Russlandgeschäft fest. Es macht nur gerade 0,1 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Derzeit liefert Emmi weiterhin Hart- und Raclettekäse nach Russland. Schliesslich handle es sich um Grundnahrungsmittel für die breite Bevölkerung.
«Um jene Kreise in Russland zu treffen, die für diese Situation verantwortlich zeichnen, sollten wir weiterhin gezielte Massnahmen mit aller Härte ausschöpfen, nicht aber die russische Bevölkerung generell sanktionieren», sagte Emmi-Chef Urs Riedener im Interview mit dieser Zeitung.
Die Käseexporteure möchten nun einen Teil des für Russland bestimmten Käses in anderen Ländern verkaufen – etwa in Deutschland, Frankreich und den USA. Und in ihrem wichtigsten Markt: der Schweiz.
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