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Nordirland-Frage
Johnson will das Brexit-Ungeheuer beseitigen

Gegen den Brexit: Anlässlich von Premier Boris Johnsons Besuch in Nordirland kommt es zu Protesten in Hillsborough.
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Boris Johnson ist kein Mensch, den die Vergangenheit interessiert, er hat mit der Gegenwart schon genug zu tun. Ja, es bereitet ihm nicht mal Mühe, so zu tun, als habe es die Vergangenheit nie gegeben. Zu beobachten ist das auch an diesem Montag wieder, an dem er wegen des Nordirland-Protokolls nach Belfast gereist ist. Das Nordirland-Protokoll ist ein Bürokratieungetüm, das Johnson vor eineinhalb Jahren ganz allein erschaffen, irgendwo im Norden weggesperrt und dann vergessen hat. Weshalb er jetzt ehrlich überrascht ist, wie stark es plötzlich dasteht. Das Nordirland-Protokoll ist zu einer Bedrohung herangewachsen, nicht zuletzt für Johnson selbst.

Kurzer Rückblick. Als Theresa May noch Premierministerin ist, betont sie mehrmals, kein britischer Premier dürfe je einen Deal unterzeichnen, der zu einer Grenze in der Irischen See führe. Einmal, im Juli 2018, sagt sie gar, so ein Vertrag wäre «ein Betrug unserer wertvollen Union». Johnson ist damals noch Aussenminister – und in einer Kameraaufzeichnung aus dem Parlament ist gut zu sehen, wie er hinter May sitzt und energisch nickt.

Grenzkontrollen «nur über meine Leiche»

Im November 2019 steht Johnson, inzwischen selbst Premier, in einem Saal in Nordirland, umringt von nordirischen Geschäftsleuten und Unionisten. Irgendwann fragt ein Nordire, was er denn tun solle, wenn er aufgefordert werde, für den Transport von Waren aus Nordirland nach Grossbritannien Zollformulare auszufüllen. Johnson antwortet: «Sagen Sie diesen Leuten, sie sollen den Premierminister anrufen, ich werde sie anweisen, das Formular direkt in die Mülltonne zu werfen.» 

Ein halbes Jahr später, im August 2020, ist Johnson erneut in Nordirland. Im Fernsehen wird er nach möglichen Kontrollen an der Grenze zwischen Nordirland und Grossbritannien gefragt. Eine Grenze im Vereinigten Königreich, in der Irischen See? So etwas gebe es «nur über meine Leiche», sagt Johnson. Noch im selben Jahr, an Weihnachten, verkündet er das Ergebnis seiner Verhandlungen mit der EU über das neue Nordirland-Protokoll. Wesentlicher Bestandteil ist eine Grenze in der Irischen See. Die Grenze zwischen Irland und Nordirland blieb dafür unangetastet.

Schuld ist wieder einmal die EU

Zurück in die Gegenwart. Am Montag veröffentlichte der Belfast «Telegraph» einen Gastbeitrag von Johnson. Es sei viel passiert, schreibt er da, Pandemie, Krieg in der Ukraine, Weltveränderung, daher passe das Protokoll nicht mehr. Boris Johnson und insbesondere seine oft laut und aggressiv auftretende Aussenministerin Liz Truss betonten in den vergangenen Wochen immer wieder, die EU sei schuld, weil sie nicht bereit sei, das Protokoll zu verändern. Und wenn sich die EU nicht bewege, werde man das Protokoll einseitig aufkündigen. Am Dienstag will Truss mit Johnsons Zustimmung ein Gesetz vorstellen, das es der britischen Regierung ermöglichen soll, das Protokoll zu umgehen.

«Immer die Tür für einen Dialog weit offen»: Der britische Premier Boris Johnson verlangt, dass die EU ihre Position ändert. 

In seinem Gastbeitrag betont Johnson immerhin, all jene, die das Protokoll einfach wegwerfen wollten, statt es zu verbessern, «konzentrieren sich auf die falsche Sache». Er wolle «immer die Tür für einen Dialog weit offen lassen». Aber: Wenn die EU ihre Position nicht ändere, «dann ist für uns notwendig, zu handeln». Die Zeit drängt, Johnson hat infolge seines Umgangs mit Nordirland während der vergangenen eineinhalb Jahre nun nicht nur ein Problem mit Brüssel, sondern vor allem eines in Belfast.

Beide Seiten betrachten das Protokoll als Bedrohung

Denn die Bildung des Belfaster Regionalparlaments ist derweil komplex. Im Karfreitagsabkommen wurde einst festgelegt, dass die Regierung nur zustande kommt, wenn beide Seiten, Unionisten und Republikaner, zusammenarbeiten. Der Wahlsieger stellt den First Minister, der Wahlzweite den Stellvertreter. Doch nun, wo erstmals die Republikaner von Sinn Féin gewonnen haben, verweigert die Konkurrenz von der DUP bislang jede Mitwirkung an einer Regierung.

Beide Parteien betrachten das Protokoll als Bedrohung für den Zusammenhalt des Vereinigten Königreichs – und genau das ist der Keil zwischen ihnen. Sinn Féin findet, das Protokoll könne ruhig bleiben, während die DUP ihren ganzen Wahlkampf dagegen ausgerichtet hatte.

Johnsons Mission in Belfast ist also auch, die DUP zur Rückkehr ins Parlament zu bewegen. Ein Nordirland ohne Regierung kann er nicht gebrauchen.