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Michelle O’Neill will vereintes Irland
Sie war ein Kind der Troubles, hat aber nie zu den Waffen gegriffen

Die 45-jährige Wahlsiegerin und Vize-Vorsitzende von Sinn Fein Michelle O’Neill. 
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Sie sei nie «in der Armee» gewesen, räumen gern auch Nordirlands protestantische Unionisten ein. Aber sie sei zweifellos «ein Kind der Armee»: Michelle O’Neill, die 45-jährige Vize-Vorsitzende Sinn Feins, die einen historischen Sieg errungen hat bei den jüngsten nordirischen Parlamentswahlen, stammt aus einer prominenten republikanischen Familie – und wuchs auf in einer turbulenten Zeit. 

Ihr Vater Brendan war zeitweise interniert als Mitglied der IRA, der Irisch-Republikanischen Armee, des gefürchteten paramilitärischen Verbands aus den katholischen Vierteln. Dann wurde er in der Kleinstadt Dungannon zum Sinn-Fein-Gemeinderat gewählt. Ihr Onkel Paul leitete das legendäre Noraid-Komitee, das in den USA Gelder sammelte für den «bewaffneten Kampf» der IRA. Ein Cousin, ebenfalls IRA-Mann, war von den britischen Streitkräften während der «Troubles» erschossen worden. Ein anderer kam, verwundet, mit dem Leben davon. 

«Mitten im Konflikt» aufgewachsen

Geboren wurde Michelle O’Neill im County Cork, an der Südküste Irlands, wo ihr Vater damals vorübergehend als Dachdecker arbeitete. Aufgewachsen ist sie aber in Nordirland. Und an diese Kindheit und Jugend erinnert sie sich genau. Über Politik habe man bei ihr daheim nicht viel reden müssen: «Die war immer um einen herum.» Schliesslich sei sie «mitten im Konflikt» aufgewachsen: «Die Einschüchterung, die Schikanen durch Polizei und Armee waren allgegenwärtig. Um morgens zum Schulbus zu kommen, musste man Spiessruten laufen damals.»

Auch die morgendlichen Hausdurchsuchungen hat sie nicht vergessen: «Wie sie meinen Vater weggeschleppt und eingesperrt, wie sie ihn interniert haben. Das war die Erfahrung, die unser Leben prägte zu jener Zeit.» Schwanger mit 16, machte O’Neill gleich noch andere Erfahrungen – dass ihre streng katholische Schule ihr keine Hilfe war, dass sie als unverheirateter Teenager kämpfen musste um die Erlaubnis, ihre Schulzeit mit dem nötigen Abschlusszeugnis zu beenden. Das gelang ihr. Ihren Kampfgeist hat sie nie aufgegeben.

Eine Frau aus der Arbeiterschaft mit guten republikanischen Referenzen, aber ohne eigene paramilitärische Geschichte war ideal für ein neues Image Sinn Feins.

Schon in jungen Jahren wurde sie politisch aktiv. Erst folgte sie ihrem Vater als Stadträtin, dann wurde sie Bürgermeisterin von Dungannon. 2007 zog sie, unterstützt vom Schwergewicht Martin McGuinness, ins Parlament Nordirlands ein, ins Stormont. McGuinness, der zusammen mit Gerry Adams Irlands Republikaner auf neuartige Friedenspfade führte, habe mit seinem «Schützling» O’Neill eine kluge Wahl getroffen, bestätigten Zeitgenossen. Eine Frau aus Nordirlands Arbeiterschaft mit guten republikanischen Referenzen, aber ohne eigene paramilitärische Geschichte sei ideal gewesen für ein neues Image Sinn Feins. 

O’Neill wurde in kurzer Zeit erst Landwirtschafts- und dann Gesundheitsministerin der nordirischen Regierung. Als McGuinness 2017 starb, rückte sie zur Führerin der Republikaner in Nordirland und zur Stellvertretenden Ersten Ministerin auf. Mit ihrem Wahlsieg hat sie nun Anspruch darauf, selbst Erste Ministerin zu werden – allerdings nur wenn eine neue Regierung zustande kommt und die Partei der Demokratischen Unionisten diese nicht blockiert. Sie selbst fände einen solchen Boykott und damit eine gelähmte Selbstverwaltung Nordirlands «vollkommen unakzeptabel – wo wir eine riesige Krise bei den Lebenshaltungskosten haben und die Leute darum kämpfen, Essen auf den Tisch zu bringen».