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Britischer Premier sucht Neustart
Johnson vertraut seiner Verlobten und feuert Chefberater

Drängt Boris Johnson zu einer grüneren Klimapolitik: Carrie Symonds, die Verlobte des britischen Premiers. 
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Wenige Wochen vor dem Ausscheiden Grossbritanniens aus Binnenmarkt und Zollunion der EU – dem «endgültigen Brexit» – entlässt Premierminister Boris Johnson seinen Chefstrategen. Am Freitag hat Dominic Cummings, die einflussreichste Figur in der Regierungszentrale in London, seinen sofortigen Rücktritt angekündigt. 24 Stunden zuvor hatte schon Lee Cain, der Kommunikations-Direktor der Regierung, den Bettel hingeworfen.

Cain und Cummings sind beides Schlüsselfiguren der Bexiteer-Bewegung. Johnson war ihre politische Galionsfigur. Zwar sieht Cummings seine Brexit-Mission erfüllt, doch wollte er seine Macht in die Post-Brexit-Zeit retten, um Pläne für weitreichenden Wandel in Form eines scharfen Rechtsrucks umzusetzen. Dazu werde es nun nicht mehr kommen, prophezeien Insider in London: Johnson suche offenkundig nach einem neuen, weniger konfrontativen Kurs.

Eine weniger dogmatische Linie

Vertraute des Premierministers gehen davon aus, dass Johnson den «Kulturkrieg» beenden will, mit dem Cummings die öffentlichen Dienste, die BBC und die Justiz «aufmischen» und seiner Kontrolle unterstellen wollte. Auch will London künftig mehr Sorge tragen für den Zusammenhalt des Vereinigten Königreichs. Das neue Erstarken der Unabhängigkeitsbewegung in Schottland beunruhigt viele Tories zutiefst.

Vor allem wolle sich Boris Johnson aber, gedrängt von seiner Verlobten Carrie Symonds, nachdrücklich für eine grüne Politik, für entschiedene Aktionen gegen den Klimawandel einsetzen, meldet die regierungsnahe Londoner «Times». Symonds sei offenbar für den Abgang Cains und Cummings mitverantwortlich gewesen, schreibt das Blatt. Insgesamt wolle Johnson eine weniger dogmatische Linie verfolgen, seiner Regierung ein «weicheres Image» verpassen und die gestörten Beziehungen zu seinen Abgeordneten wieder reparieren.

Aus für die graue Eminenz: Dominic Cummings, Chefberater des britischen Premiers Boris Johnson, muss gehen. 

In den Reihen der Regierungsfraktion gab es überwiegend positive Reaktionen auf das Ende der Cummings-Ära. Viele Hinterbänkler hatten sich von der Regierungszentrale zunehmend ignoriert gefühlt. Cummings hatte aus seiner Verachtung für sie nie ein Geheimnis gemacht. An der Konservativen Partei, der er nicht einmal angehörte, war ihm nie viel gelegen. Er betrachtete sie eher als Vehikel für einen radikalen Umbau zentraler Institutionen im britischen Staat.

Dabei hatten die meisten Tories stillgehalten, solange ihnen Cummings mit treffsicheren Parolen und Erfolgsstrategien die Abkoppelung von der EU besorgte und ihrer Partei im letzten Dezember einen triumphalen Wahlsieg verschaffte. Seither, zumal seit Beginn der Corona-Krise, wuchs aber die Sorge über einen wirren Kurs der Regierung mit vielen Kehrtwenden. Die Empörung über die «Selbstherrlichkeit» von Johnsons Chefberater, ohne den der Regierungschef nicht auszukommen schien, wuchs.

Die Bank von England klagt über den «schwersten Wirtschaftseinbruch seit 300 Jahren».

Letztlich habe sich Cummings als «Passivposten» der Regierung erwiesen, sagt jetzt der prominente Tory-Abgeordnete Sir Roger Gale. Sein Kollege Sir Bernhard Jenkins erklärt, Cummings Abgang gebe Johnson endlich Gelegenheit zu einem «neuen Start».

Nützlich sei ein solcher Neustart auch mit Blick auf den Präsidentenwechsel in Washington, bekräftigt Tobias Ellwood, der konservative Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Unterhaus. London sehe sich mit Corona, Brexit und der desolaten Lage der Wirtschaft «einer beispiellosen Serie von Herausforderungen» gegenüber, «wie wir sie in diesem Masse seit dem Krieg nicht mehr erlebt haben».

Offiziell mehr als 50’000 Corona-Tote

Tatsächlich nehmen die Katastrophenmeldungen in Grossbritannien kein Ende. Diese Woche hat die Gesamtzahl der Corona-Toten gemäss offiziellen Berechnungen die 50’000er-Marke überschritten. Die Bank von England klagt über den «schwersten Wirtschaftseinbruch seit 300 Jahren».

Noch nicht abzuschätzen ist, welche Folgen der unmittelbar bevorstehende Ausstieg aus Binnenmarkt und Zollunion der EU haben wird – und ob es zur allerhärtesten Form des Brexit, einem vertragslosen Abgang, kommt. Manche Londoner Kommentatoren vermuten, dass Johnson nun nach dem Abgang seiner kompromisslosesten Brexit-Strategen mehr Bereitschaft für eine Übereinkunft mit Brüssel zeigen dürfte.