Kommentar zu den britischen ToriesLeiden an Boris Johnson
Die Konservative Partei in Grossbritannien erlebt einen schmerzhaften Kulturbruch unter der Führung ihres Premierministers.
Boris Johnson ist keiner, der sich versteckt. Der britische Premierminister liebt den politischen Nahkampf. Kein Wunder also, dass er seine Kritiker beim Tory-Parteitag zum Armdrücken aufforderte, damit sie sich von seiner Fitness überzeugen können. Wenn man so will, ist das auch Johnsons Botschaft an seine Partei: Glaubt nicht das, was in den Zeitungen steht, ich bin immer noch euer Boris – und fit genug, um dieses Land zu führen.
Das Problem ist nur: In der Corona-Krise sind Johnsons Wortgewalt und Selbstironie an ihre Grenzen gestossen, es kam eine schleichende Entfremdung zwischen Johnson und seiner Partei. Für Missmut sorgt auch die Tatsache, dass die Labour-Partei in den Umfragen inzwischen vor den Tories liegt. Dem Premier gelingt es nicht einmal mehr, treue Anhänger bei Laune zu halten.
Mit dem Vorhaben, beim Brexit internationales Recht zu brechen, hat Boris Johnson das Fundament seiner Partei erschüttert.
Johnson hat es sogar geschafft, zwei Lager seiner Partei in ihrer Ablehnung zu vereinen, die sonst wenig verbindet. Da sind zum einen die Libertären, die Johnsons Corona-Vorschriften für eine freche Bevormundung und eine Gefahr für die Wirtschaft halten. Zum anderen sind da all jene, die dachten, dass ihre Partei wie keine andere für Recht und Ordnung stehe. Doch mit dem Vorhaben, beim Brexit internationales Recht zu brechen, hat Boris Johnson das Fundament seiner Partei erschüttert.
Grosse Teile der Tories müssen derzeit auf schmerzhafte Weise erkennen, dass ihre Konservative Partei keine konservative Partei mehr ist. Der Wirtschaftsliberalismus à la Thatcher ist passé, die Rechtsstaatlichkeit verkommt zum Spielball politischer Interessen. Mit Johnson an der Spitze erleben die Tories einen gewaltigen Kulturbruch.
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