Tipps von ExpertenHaben Sie lange keinen Sport gemacht? So gelingt der Wiedereinstieg
Nach einer stressigen Zeit, einer Schwangerschaft oder gar einer Verletzung wollen Sie wieder mehr Sport treiben? Was Sie dabei beachten sollten – und wie Sie sich realistische Ziele setzen.

- Der Körper baut ab, was nicht verwendet wird, sagt der Sportmediziner.
- Der Wiedereinstieg in den Sport sollte schrittweise erfolgen.
- Es gilt, die richtigen Ziele zu wählen, um Enttäuschungen und Stress zu vermeiden.
- Sport als Stressbewältigung sollte regelmässig und moderat betrieben werden.
Zehn Kilometer joggen, das war vor einem halben Jahr kein Problem. Und nun? Die letzte Laufrunde ist eine gefühlte Ewigkeit her. Zwar gab es (gute) Gründe für die Sportpause – nun könnte oder dürfte man aber wieder loslegen.
Doch das Training wieder aufzunehmen – das ist oft nicht einfach. «Hat man länger pausieren müssen – warum auch immer –, hat der Körper Muskelmasse abgebaut», sagt Sportmediziner Leonard Fraunberger. Der Körper baut ab, was er nicht benutzt.
Soll der Wiedereinstieg nachhaltig gelingen, gilt daher: erst die Häufigkeit, dann die Dauer und zuletzt die Intensität zu erhöhen. Drei typische Gründe für die Sportpause und was danach jeweils zu beachten ist:
Sportpause wegen einer Verletzung oder Erkrankung
Wann es so weit ist, dass man mit dem Sport wieder beginnen kann, dafür gibt es keine allgemeingültige Empfehlung. Klar – wer einen Kreuzbandriss hatte, für den sieht der Wiedereinstieg anders aus als für diejenige, die zwei Wochen mit einer Grippe im Bett lag.
Nach einer Verletzung braucht es laut Fraunberger die «orthopädische Freigabe». Wurde beispielsweise bei einem Knochenbruch etwas verschraubt, müsse die mechanische Belastbarkeit sichergestellt sein. Wer hingegen einen Infekt auskuriert hat, sollte vor dem ersten Training mindestens drei symptomfreie Tage abwarten. Zudem kommt es auf die körperliche Verfassung vor der Sportpause an.
Neben der körperlichen Komponente kommt die psychische hinzu. Für Sportpsychologe Jürgen Walter ist eine Zielsetzung beim Wiederbeginn wichtig. «Diese sollte spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert sein – also SMART.» So kann man sich zum Beispiel vornehmen: Ich gehe jeden Montag und Donnerstag nach dem Feierabend 20 Minuten laufen – und das vorerst während der nächsten zwei Monate.
«Zu hohe Erwartungen können Enttäuschungen, Anspannung und Minderwertigkeitsgefühle begünstigen», sagt Walter. Um zur alten Form zurückzukommen, brauche es Zeit. «Bestimmte Verletzungen können sich noch nach Jahren bemerkbar machen.» Ist die alte Form unerreichbar, ist ein alternatives Ziel wichtig. «Es besteht sonst die Gefahr, ständig unzufrieden zu sein.» Heisst, wenn der Marathon wegen einer Bandscheibenoperation nicht mehr möglich ist, warum nicht aufs Velo umsteigen? Schliesslich gibt es auch dort spannende Langstreckenziele.
Am besten richtet man den Fokus beim Wiedereinstieg auf die kleinen Fortschritte. Denn zu viele Menschen versuchen, wieder mit der Belastung einzusteigen, die sie vorher gewohnt waren. «Aber der Puls, also die Herzfrequenz, ist dann deutlich erhöht, und zwar um bis zu zwanzig Schläge», sagt Sportmediziner Fraunberger. Das könne zu Schlafstörungen und erhöhtem Blutdruck führen.
Deswegen veranschlagt man für das erste Training am besten 15 bis 20 Minuten. «In dieser Zeit sollte ich nicht ausser Atem kommen, mich unterhalten können, und danach sollte ich das Gefühl haben, das Gleiche noch mal machen zu können.»
Sportpause wegen einer stressigen Zeit
«Personen, die Stress ausgesetzt sind, neigen eher zu körperlicher Inaktivität», sagt Sportpsychologe Jürgen Walter. Nachvollziehbar, denn wer wegen eines beruflichen Projekts oder einer Prüfungsphase lange Tage hat, hat vielleicht kaum Energie für Sport übrig. Dabei gilt: «Sportliche Aktivitäten bauen immer Stress ab.»
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Denn Bewegung sei ein bewährtes Mittel, um den negativen Langzeitfolgen von Alltagsstress vorzubeugen. Das hätten Langzeitstudien belegt, so Jürgen Walter. Wer regelmässig Sport treibt, bewertet Stress weniger negativ, nimmt ihn als weniger bedrohlich wahr.
Mit dem Sport könne man in diesem Fall sofort wieder anfangen, sagt Leonard Fraunberger: «Mal um den Block gehen oder mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Aber bitte seien Sie moderat unterwegs.» Heisst auch hier, nur so intensiv, dass man sich dabei noch unterhalten kann. Denn: Bei besonders fordernden Sporteinheiten bildet der Körper viel Laktat und Adrenalin, was den Stress im Körper wieder erhöhen kann.
Damit Sport als Bewältigungsstrategie gegen Stress funktionieren kann, ist Regelmässigkeit ein Muss. «Jedes einzelne Training sollte zwar mindestens 30 Minuten lang sein», sagt Jürgen Walter. «Aber zu Beginn gilt: Jeder Schritt, jede Bewegung hilft dranzubleiben. Deswegen lieber mehrere kleine Trainingseinheiten als eine lange.»
Ziele sollte man sich auch in diesem Fall nach der Methode SMART stecken. «Am besten aber stets mit dem Mut, Ziele zu korrigieren – auch nach unten», rät Walter. «Bei Alltagsstress sollte die Freude an der Bewegung im Vordergrund stehen.»
Sportpause wegen Schwangerschaft und Geburt
Der Wiedereinstieg in den Sport nach Schwangerschaft und Geburt ist individuell. «Fühlt sich eine Frau geschwächt, ist der Zeitpunkt noch nicht da», sagt Walter. Das bestätigt auch Fraunberger: «Die ersten vier Wochen nach der Geburt wird sowieso von Sport abgeraten. Danach reicht ein Spaziergang mit dem Kinderwagen.»
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Sobald die Verletzungen, die mit der Geburt einhergegangen sind, verheilt sind und sich die Frau wieder bei Kräften fühlt, kann sie laut Walter spezielle Sportangebote nutzen. «Die Motive könnten eine Pause vom Alltag, die Vernetzung mit anderen Müttern, aber vor allem die Unterstützung der Körperrückbildung sein.»
Hierbei wird der Beckenboden mit einem gezielten Training aufgebaut. «Das sollte die Frau mindestens ein halbes Jahr lang machen, um die Bauchdecke und die Hüfte zu stabilisieren», sagt Fraunberger. Das Motto lautet auch hier: «Erst den Umfang steigern, dann die Intensität – und immer auf die Atmung achten.»
Ein umfangreicheres Sportprogramm sollte mit der Gynäkologin oder der Hebamme abgesprochen werden, ergänzt Walter. «Dass nach einer Geburt nicht mit dem alten Trainingsniveau weitergemacht werden kann, ist normal.» Geduld sei gefragt. «In sportlicheren Worten: Es handelt sich um einen Langstreckenlauf, nicht um einen Sprint», sagt Walter.
DPA
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