Null-Covid-Strategie in ChinaJetzt noch Omikron: Pekings Olympia-Macher spüren «gewaltigen Druck»
China will mit einer Null-Covid-Strategie und extrem strengen Massnahmen das Virus von den Winterspielen fernhalten. Macht ihnen Omikron nun einen Strich durch die Rechnung?
Die Pandemie konfrontiert die Organisatoren der Olympischen Winterspiele in sechs Wochen in Peking nach eigenen Worten mit «gewaltigem Druck und Herausforderungen». Die Ausbreitung der neuen Virus-Variante Omikron bringe «grosse Unsicherheit für die weltweite Covid-Situation», sagte Han Zirong, Vizepräsidentin des Organisationskomitees, am Donnerstag der Presse in Peking.
Es sei höchst wahrscheinlich, dass «eine bestimmte Zahl von Fällen» während der Spiele auftrete, da so viele Teilnehmer aus allen Regionen der Welt und aus China zusammenkämen, sagte Han Zirong. Die Anforderungen der chinesischen Behörden zur Vorbeugung gegen Covid-19 müssten «energisch umgesetzt» werden, um die Sicherheit der Olympia-Teilnehmer und der chinesischen Öffentlichkeit zu wahren.
Ihr Appell erfolgte, kurz nachdem in China nach langer Zeit wieder ein Lockdown über eine Millionen-Metropole verhängt worden war. Im Rahmen ihrer strikten Null-Covid-Politik erliessen die Behörden massive Ausgangssperren für die 13 Millionen Einwohner von Xi’an (Provinz Shaanxi). Seit Mitternacht dürfen sie ihre Wohnungen nicht mehr verlassen – bis auf wenige Ausnahmen. Ein Familienmitglied darf jeden zweiten Tag einkaufen gehen. 63 Infektionen wurden am Donnerstag gemeldet. Der Ausbruch gehe auf «importierte Fälle» zurück, hiess es.
Neue Massnahmen wegen Omikron möglich
China verfolge eine «dynamische Null-Covid-Strategie», betonte Han Zirong, die auch Generalsekretärin des Organisationskomitees ist. Ob neue Massnahmen vor oder während der Spiele vom 4. bis 20. Februar ergriffen werden müssten, hänge von der Veränderung der Lage weltweit und in China ab – besonders von der Ansteckung und Schädlichkeit der Omikron-Variante. «Wir schenken den Veränderungen in der Pandemie grosse Aufmerksamkeit», sagte Han Zirong. «Nur indem wir flexibel bleiben, können wir die Risiken und Herausforderungen bewältigen, die uns die Corona-Pandemie bringt.»
Für die Spiele, die in Peking sowie in Yanqing und Zhangjiakou in der Hügellandschaft vor den Toren der Hauptstadt stattfinden, werden ohnehin schon strikte Vorsichtsmassnahmen ergriffen. Alle Olympia-Teilnehmer können sich nur in «geschlossenen Kreisläufen» bewegen, müssen sich täglich testen lassen und werden bei einer Infektion sofort isoliert. Ausländische Zuschauer sind auch nicht zugelassen. Ob und unter welchen Umständen inländisches Publikum teilnehmen kann, wird nach Darstellung von Han Zirong noch weiter erkundet. Die Pläne würden «zur rechten Zeit» verkündet.
Der Vizedirektor des Büros zur Epidemiebekämpfung des Organisationskomitees, Huang Chun, bedauerte die Absage der Eishockey-Profis aus den USA. Angesichts der Corona-Probleme im US-Sport, steigender Infektionen und Spielabsagen hatte die nordamerikanische Profiliga NHL am Vortag entschieden, ihre besten Spieler nun doch nicht nach China zu schicken. Damit fällt eine grosse Attraktion der Winterspiele der Pandemie zum Opfer.
Huang Chun verteidigte die geplanten strengen Massnahmen wie Isolation, Quarantäne und längere Krankenhausaufenthalte bei Symptomen, die einer der Gründe für die Absage der Profis waren. Auch lehnte er Änderungen ab. «Wir sind überzeugt, dass diese Vorbeugungs- und Kontrollmassnahmen definitiv das Risiko einer Verbreitung der Viruskrankheit verringern werden.» Auch müsse die Sicherheit der Sportler und anderer Teilnehmer, der ganzen Veranstaltung und der chinesischen Bevölkerung gesichert werden.
Mit strikten Massnahmen wie Ausgangssperren, Massentests, Zwangsquarantäne, Kontaktverfolgung und weitgehenden Reise- und auch Einreisebeschränkungen hat China das Virus weitgehend in den Griff bekommen. Seit mehr als einem Jahr ist es um die Pandemielage im bevölkerungsreichsten Land deutlich besser bestellt als in vielen anderen Nationen. Das tägliche Leben und die Wirtschaft haben sich längst normalisiert. Doch hat die ansteckendere Delta-Variante mehrere Ausbrüche verursacht – und jetzt fürchten Verantwortliche die Omikron-Variante, die sich noch schneller ausbreitet.
Mehrere Länder boykottieren Olympia
China steht wegen Menschenrechtsverletzungen unter anderem auch im Umgang mit Uiguren und Tibetern, wegen der Unterdrückung der Demokratiebewegung in Hongkong oder den Drohungen gegen Taiwan in der Kritik. Die USA hatten angekündigt, keine diplomatischen oder offiziellen Vertreter zu den Spielen nach China zu entsenden. Australien, Kanada und Grossbritannien schlossen sich dem an. Auch Neuseeland will keine diplomatischen Vertreter nach China schicken.
Andere Länder sind noch unentschlossen, darunter die Nachbarländer Deutschland und Österreich, aber auch die Schweiz. Hierzulande rufen Politiker nach einem Boykott. Die Schweiz solle sich den USA anschliessen, forderte etwa Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan. «Es darf nicht sein, dass unsere Bundesräte die chinesische PR-Show beklatschen, während schwerste Menschenrechtsverbrechen begangen werden», sagte auch SP-Nationalrat Fabian Molina. Bürgerliche Politiker reagierten darauf jedoch mit heftigem Widerspruch. SVP-Nationalrat Roger Köppel beispielsweise lehnt einen Boykott klar ab.
Putin kritisiert politischen Boykott
Der russische Präsident Wladimir Putin hat einen politischen Boykott der Winterspiele als inakzeptabel kritisiert. «Das ist eine nicht hinnehmbare und falsche Entscheidung», sagte der 69-Jährige am Donnerstag auf seiner grossen Jahrespressekonferenz in Moskau. Sport dürfe nicht für politische Zwecke benutzt werden. «Wir waren immer gegen eine Politisierung des Sports», sagte Putin. Anders als sein US-Kollege Joe Biden wird der Kremlchef im Februar zur Eröffnung der Spiele nach Peking reisen.
Der politische Boykott Chinas sei auf Versuche zurückzuführen, die Entwicklung des Landes aufzuhalten. «Es kann keine anderen Motive dahinter geben.» Sport sollte allerdings wie die Kultur die Menschen einen und keine Probleme schaffen in den Beziehungen zwischen den Völkern und Staaten, meinte der Kremlchef. «Wenn dem Sport dieser grundlegende Wert genommen wird, dann entsteht ein Schaden für die gesamte internationale Gemeinschaft.» Das sei ein «Fehler».
China reagierte auf die Ankündigungen höchst verärgert und hat den vier westlichen Staaten mit Konsequenzen gedroht. Die USA, Australien, Grossbritannien und Kanada «werden unweigerlich den Preis für ihr Fehlverhalten zahlen», hatte der Sprecher des Aussenministeriums in Peking, Wang Wenbin, vor zwei Wochen gesagt. Auch Wenbin hatte eine «Nutzung der olympischen Plattform für politische Manipulationen» durch westliche Staaten angeprangert.
DPA/AFP/SDA/cpm/oli
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