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Johnson geht von No-Deal-Brexit aus
Jetzt laufen Vorbereitungen gegen das No-Deal-Chaos

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am EU-Gipfel in Brüssel.
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Nach jedem Ultimatum gibt es immer noch eine weitere letzte Frist. So scheint es bisher beim Brexit zu sein. Nach ihrem erfolglosen Dinnertreffen in Brüssel haben Ursula von der Leyen und der britische Premier Boris Johnson ihre Chefunterhändler beauftragt, es bis Sonntag noch einmal zu versuchen. Dann soll aber wirklich Schluss sein: «Wir werden am Sonntag entscheiden», sagte die Kommissionspräsidentin. Das war auch der Tenor am Gipfel der Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedsstaaten, der am Donnerstag in Brüssel begann.

Um den Ernst der Lage zu unterstreichen, hat die EU-Kommission Notmassnahmen präsentiert, die in Kraft treten sollen, wenn Grossbritannien Ende Jahr tatsächlich ohne Deal den Binnenmarkt und die Zollunion verlassen sollte. Die Notmassnahmen sollen das befürchtete Chaos zum Jahreswechsel abmildern. «Wir müssen vorbereitet sein – auch darauf, dass am 1. Januar kein Vertrag in Kraft ist», sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Vieles, was bisher selbstverständlich war, wäre es dann nicht mehr. Ohne Notmassnahmen müsste zum Beispiel der Flugverkehr zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich stillgelegt werden. Es geht dabei um Flugrechte, aber auch um Sicherheitszertifikate für britische Maschinen beziehungsweise Flugzeugteile. Diese Zertifikate werden von der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) ausgestellt und wären dann nicht mehr gültig.

Chaos ab dem 1. Januar

Die Notmassnahme würde es erlauben, einen grossen Teil des Flugverkehrs auch ohne Genehmigung und gültige Zertifikate für die Dauer von vorerst maximal sechs Monaten aufrechtzuerhalten. Vorausgesetzt Grossbritannien gewähre den europäischen Fluggesellschaft Gegenrecht, pocht die EU-Kommission in ihrem Vorschlag auf Reziprozität. Eine ähnliche Übergangsregel auf Gegenseitigkeit soll es geben, um Frachttransporte und den Busverkehr vorerst am Laufen zu halten. Eine letzte Notmassnahme betrifft das heikle Thema Fischerei. Diese Vereinbarung soll den Zugang für britische Fischkutter in EU-Gewässer für ein weiteres Jahr erlauben und umgekehrt.

Hatten ein «sehr langes» Gespräch in Brüssel:  Boris Johnson und Ursula von der Leyen. 

Sie habe am Mittwoch ein «sehr langes» Gespräch mit Boris Johnson gehabt, berichtete Ursula von der Leyen: «Wir sind bereit, unseren britischen Freunden den Zugang zum grössten Binnenmarkt der Welt zu gewähren.» Bedingung sei aber Fairness für Arbeitskräfte und Unternehmen, also Schutz vor britischem Dumping bei Umwelt- und Sozialstandards oder Subventionen. Dieses schwierige Gleichgewicht der Fairness sei bisher nicht erreicht, sagte die Kommissionspräsidentin. Neben dem fairen Wettbewerb ist ähnlich wie mit der Schweiz die Streitschlichtung ein weiterer Knackpunkt. Die EU will eine horizontale Lösung und die Möglichkeit, einseitig Zölle oder Quoten zu verhängen, wenn die Briten sich nicht an Vereinbarungen halten. London will Streitschlichtung nur sektoriell und im Einvernehmen in Gemischten Ausschüssen.

In London war zuletzt über Risse in der geschlossenen Front der EU-Staaten spekuliert worden.

Nach dem Dinner hatte vor allem das fischlastige Menü zu reden gegeben, von Beobachtern als Anspielung auf einen der Knackpunkte der Verhandlungen interpretiert. Beim Thema Fischerei sei ein Kompromiss möglich, heisst es von Beobachtern. Boris Johnson hätte sich gerne zum EU-Gipfel einladen lassen, der nur wenige Stunden nach dem Dinner am Hauptsitz der EU-Kommission begann.

In London war zuletzt über Risse in der geschlossenen Front der EU-Staaten spekuliert worden. Boris Johnson soll gegenüber Ursula von der Leyen zudem dafür plädiert haben, dem Verhandlungsmandat für Chefunterhändler Michel Barnier Richtung mehr Flexibilität zu geben. Die Kommissionschefin hätte dieses Anliegen dann am Gipfel vorbringen sollen. Der Brite stiess damit aber auf kein Gehör.

Kurs auf No Deal

Auf der Seite der Staats- und Regierungschefs gab es kein Interesse, in der grossen Runde zu verhandeln oder das Mandat zu ändern. Man ist dort sehr zufrieden mit Chefunterhändler Michel Barnier, der bisher geschlossene Reihen und eine klare Linie garantiert hat. Am Gipfel sollte der Brexit jedenfalls nicht im Zentrum stehen, vorgesehen war nur ein Debriefing durch Michel Barnier zum Stillstand. Im Fokus des Gipfels standen die Klimaziele der EU, mögliche Sanktionen gegen Ankara wegen der illegalen Gasbohrungen der Türkei in der Ägäis und vor allem der Rechtsstaatsmechanismus, den Ungarn und Polen zusammen mit dem EU-Haushalt und dem Corona-Fonds lange blockiert haben. Hier zeichnete sich ab, dass die Staats- und Regierungschef einem Kompromiss zustimmen könnten, der von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ausgehandelt worden war.

Beim Thema Brexit scheint jedoch die Mehrheit sich auf einen No Deal einzustellen. «Es braucht zwei für einen Tango», sagte die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen. Ein Handelsabkommen könne so unvorteilhaft sein, dass es sich am Ende nicht lohne, es anzunehmen: «Wir werden kein Abkommen abschliessen, das Unternehmen in Dänemark, Schweden oder Deutschland untergräbt.»

Auch der britische Premier Johnson geht von einem No-Deal-Brexit aus. «Es besteht nun die hohe Wahrscheinlichkeit, dass wir eine Lösung bekommen, die dem Verhältnis Australiens mit der EU ähnelt und nicht eine, die dem kanadisch-europäischen Beziehungen entspricht», sagte Johnson am Abend. «Das heisst nicht, dass es schlecht ist.»