Berufsmeisterschaft in GenfIranische Siegerin gibt Goldmedaille aus Protest gegen das Regime ab
Trotz Sorge um ihre Sicherheit soll die junge Frau von der Schweiz aus in den Iran zurückgeflogen sein. Einen Antrag auf Asyl lehnte sie ab.
Die Iranerin Raziyeh Jalili ist in der Kunst des Schmuckhandwerks eine Meisterin. In ihrer Heimat setzte sie sich im letzten Jahr gegen 27 Teilnehmer durch. Damit erhielt sie ein begehrtes Ticket zu den Berufsweltmeisterschaften, den World Skills. Die fanden pandemiebedingt am letzten Wochenende in kleinerem Rahmen in Genf statt, organisiert von der Partnerorganisation Swiss Skills.
Jalili stellte auch dort alle Mitbewerber in den Schatten und erreichte den ersten Platz in der Kategorie Jewellery. Am Montag fand die Siegesfeier statt. Nach dem offiziellen Teil, bei dem Jalili die Goldmedaille umgehängt wurde, kehrte die junge Frau zurück aufs Podium, nahm die Medaille wieder ab und nutzte die Aufmerksamkeit der rund 40 bis 50 Personen im Saal, um ein politisches Statement abzugeben.
Dem Nachrichtenportal Voice of America liegen Dokumente vor, welche die Szene dokumentieren. Demnach begründete sie die Rückgabe der Medaille mit ihrer Unterstützung für die Proteste im Iran und verurteilte die Unterdrückung der Demonstrierenden durch die Regierung. Laut Swiss Skills widmete sie ihren Sieg dem iranischen Volk und den Frauen dort. Menschenrechtsaktivisten und iranische Oppositionsgruppen griffen den Protest auf und äusserten die Sorge, Jalili sei von den iranischen Behörden gekidnappt worden.
Polizei kontaktiert die Iranerin
Im Iran gehen seit Mitte September Tausende Menschen auf die Strasse, um gegen das frauenfeindliche Regime zu protestieren. Auslöser war der Tod einer jungen Frau, die in Polizeigewahrsam verstarb. Sie wurde von der Sittenpolizei festgenommen, weil sie angeblich ihr Kopftuch nicht vorschriftsgemäss trug.
Nach dem Protest in Genf sorgte sich auch die Veranstalterin Swiss Skills um das Wohl der Goldmedaillengewinnerin: «Im Hotel konnten die Genfer Behörden umgehend mit ihr in Kontakt treten und sie über ihre Möglichkeiten, bei Bedarf in der Schweiz Schutz zu erhalten, informieren», wie Sprecher Roland Hirsbrunner sagt. Die Genfer Staatsanwaltschaft bestätigt den Vorgang.
«Nachdem die Preisträgerin den Wunsch geäussert hatte, sich der iranischen Delegation anzuschliessen, beendete die Polizei den Einsatz, da es keine Hinweise auf eine Straftat gab.»
Die Frau sei jedoch nicht wie befürchtet gekidnappt worden, wie dies von Menschenrechtsaktivisten verbreitet wurde. «Die Polizei hat die Preisträgerin aufgesucht, um sich zu vergewissern, dass sie sich frei bewegen kann. Nachdem die Preisträgerin die Polizei in diesen Punkten beruhigt hat und den Wunsch geäussert hatte, sich der iranischen Delegation anzuschliessen, beendete die Polizei den Einsatz, da es keine Hinweise auf eine Straftat gab», sagt Olivier Francey von der Genfer Staatsanwaltschaft.
Laut Roland Hirsbrunner von Swiss Skills ist Jalili am Dienstag wie geplant in den Iran zurückgekehrt. Er beruft sich dabei auf Aussagen von Mitgliedern der iranischen Delegation, die sich nach wie vor in der Schweiz befinden. «Wir hoffen sehr, dass Jalili in ihrer Situation die für sie richtigen Entscheidungen getroffen hat», schreibt Hirsbrunner von Swiss Skills in einem Statement.
Jalili schweigt auf Insta
Der Fall erinnert an die iranische Klettermeisterin Elnaz Rekabi, die vergangene Woche bei den Asienmeisterschaften in Seoul ohne Kopftuch kletterte – eine Revolution im iranischen Profisport. Wohl auf politischen Druck hin entschuldigte sie sich später auf Instagram für «das Versehen» und «die Besorgnis», die sie verursacht habe. Bei ihrer Ankunft am Mittwoch in Teheran wurde sie von Menschen bejubelt. Bekannte befürchten jedoch, dass sie von dort in das berüchtigte Gefängnis Evin gebracht wurde.
Nach ihrer Abreise aus der Schweiz äusserte sich Jalili nicht auf ihrem Instagram-Profil – weder zum gewonnenen Preis noch zu ihrem Protest. Dort steht immer noch ein Statement, das sie vor ihrer Abreise nach Genf postete: «Es war sehr hart, aber ich habe bewiesen, dass nichts unmöglich ist für jemanden, der mutig steht, kämpft und nicht aufgibt!»
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