Inoffizielle Beraterin?Italiens Kulturminister tritt nach Affäre mit Influencerin zurück
Im Fernsehen hatte Gennaro Sangiuliano die Beziehung eingeräumt. Seit deren Ende führt die Verlassene einen öffentlichen Rachefeldzug. Für das Kabinett von Giorgia Meloni ist die Posse überaus unangenehm.
Ein glatter Start nach der politischen Sommerpause ist es nicht geworden für Italiens Rechtsregierung: Premierministerin Giorgia Meloni musste gleich einen Minister austauschen. So etwas kommt vor, aber selten unter so spektakulären, rundum peinlichen Umständen. Dem Rücktritt von Gennaro Sangiuliano als Kulturminister geht eine seit zwei Wochen prominent in allen Medien vorgeführte Posse voraus.
Und womöglich folgen noch aufsehenerregende Akte – auch wenn der neue Kulturminister schon ernannt ist: der rechtsgerichtete, aber parteilose Alessandro Giuli, bisher Präsident der staatlichen Stiftung Maxxi, die das gleichnamige Kunstmuseum in Rom betreibt.
Protagonisten der Posse sind Sangiuliano, genannt «Genny», und «la dama bionda», die blonde Dame, Maria Rosaria Boccia aus Pompei bei Neapel. Die Kurzfassung: Der Minister, 62, hat eine Affäre mit der 20 Jahre jüngeren Brautmodenunternehmerin und Influencerin, reist mit ihr zu offiziellen Veranstaltungen, lässt sie in Regierungsbüros, verspricht ihr, sie zur offiziellen, aber unbezahlten Beraterin für Grossveranstaltungen seines Kulturministeriums zu ernennen – lässt sie aber fallen. Und «la dama bionda» führt daraufhin über soziale Medien einen öffentlichen Rachefeldzug, den sämtliche Zeitungen und Fernsehsender ausbreiten.
Sangiuliano entschuldigt sich im TV bei seiner Frau
Der öffentlich-rechtliche und besonders regierungsnahe Kanal RAI 1 fand zur Hauptsendezeit Platz für ein Interview mit Sangiuliano. In dem gestand er einige Tage vor seinem Rücktritt die Affäre ein, entschuldigte sich bei seiner Ehefrau und den Mitarbeitern. Dass er erpressbar sei, bestritt er aber, und einen der politikrelevanten Vorwürfe: Dass Boccia mit ihm auf Staatskosten diverse Reisen unternommen habe. Er habe für sie alles aus eigener Tasche bezahlt, versicherte er. Am Ende flossen vor laufenden Kameras Ministertränen. Es war kein Auftritt, der einem Regierungsmitglied gut steht.
Boccia wiederum, die viele Fotos von sich und dem Minister auf Instagram postete und dort kundtat, sie sei nun Ministeriumsberaterin, nutzte diesen Kanal in der Absicht, Sangiuliano Punkt für Punkt zu widerlegen, der so immer weiter in die Bredouille kam. Unter anderem veröffentlichte Boccia angeblich vom Ministerium bezahlte Flugtickets, Fotos von Besprechungen im Ministerium, Mails, die belegen sollen, dass sie bereits in offizieller Funktion gewesen sei. Sie war offenbar auf alles vorbereitet, hatte private Chats mit dem Minister gespeichert und manches mehr. In einem Fernsehinterview sagte Boccia, sie habe auch viele Telefonate des Ministers mitgehört und seine Whatsapp-Nachrichten gesehen.
Wie viel Einblick hatte die Frau?
Das führt zur zweiten Frage, die Oppositionspolitiker und Medien stellen: Wie viel Einblick erhielt diese Frau ohne jede offizielle Funktion in ministerielle Vorgänge, vertrauliche Unterlagen? Warum konnte sie an offiziellen Terminen teilnehmen?
Sangiuliano kündigte an, seine Anwälte prüften die Möglichkeit, Maria Rosaria Boccia zu verklagen, es geht um versuchte Erpressung, Verletzung der Privatsphäre. Er hoffe auf eine Millionenentschädigung, sagte er am Samstag der Zeitung «Il Messaggero». Boccia schüchtert das nicht ein. Am Sonntag publizierte sie: «Entweder Sangiuliano erzählt die Wahrheit oder ich werde gezwungen sein, sie zu erzählen», und dann würden viele andere Frauen auftauchen.
Nun sind alle erst recht gespannt, wie die Posse weitergeht. Premierministerin Meloni, die Sangiulianos Rücktritt erst ablehnte, weil es um eine Privatsache gehe, sagte am Wochenende dazu: «Falls jemand glaubt, solche Situationen könnten dazu dienen, die Regierung zu schwächen – ich fürchte, das wird nicht passieren.» Wer weiss, was für Material die wütende Frau aus Pompei noch hat.
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