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Neue Studie
In vielen Antibiotika-Packungen sind mehr Tabletten als nötig

Eine Person in blauen Handschuhen entfernt am 18. November 2019 in Oensingen maschinell und von Hand Medikamente aus Blistern, Medifilm, Galenica-Gruppe.
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In Kürze:
  • In Antibiotika-Packungen hat es häufig mehr Tabletten, als für die Behandlung nötig sind.
  • Jährlich werden so etwa 2,7 Millionen unnötige Tabletten verkauft, wie eine neue Studie zeigt.
  • Hersteller und Bewilligungsbehörden nehmen so Gesundheitsrisiken in Kauf.
  • Der Bundesrat will noch dieses Jahr über Massnahmen entscheiden.

Ärzte verschreiben immer mehr Antibiotika, wie Zahlen zeigen. Das führt zur Ausbreitung resistenter Bakterien. Doch nicht nur die Häufigkeit ist problematisch, sondern auch die Menge an Tabletten in den einzelnen Verpackungen.

Das zeigt eine neue Studie der Krankenversicherung Helsana und des Zürcher Universitätsspitals. Anhand von fünf häufigen Infektionen wurde analysiert, inwiefern die medizinischen Behandlungsleitlinien, die Packungsgrössen der Medikamente sowie die Verschreibung durch die Ärzte übereinstimmen.

«Die Packungen sind tendenziell zu gross», kommt Co-Autorin Sereina Graber im Gespräch mit der «NZZ am Sonntag» zum Schluss. Und das wiederum führe dazu, dass mehr Tabletten verschrieben würden, als medizinisch nötig und empfohlen seien.

Jährlich werden rund 2,7 Millionen Tabletten zu viel verkauft

Bei 10 von insgesamt 23 untersuchten Behandlungsempfehlungen sei kein einziges Produkt erhältlich, welches genau die empfohlene Anzahl Tabletten enthalte, so das Ergebnis. Die Packungen sind also meist zu gross. Es zeigte sich auch, dass über sämtliche ausgestellten Rezepte hinweg rund ein Drittel der Packungen von der empfohlenen Menge abweichen.

Hochgerechnet auf die ganze Bevölkerung führt dies dazu, dass jährlich rund 2,7 Millionen Tabletten oder grob geschätzt 120’000 Packungen zu viel verkauft werden.

Höhere Kosten, verschärfter Medikamentenmangel, mehr Resistenzen

Diese Verschwendung ist gleich aus mehreren Gründen problematisch. Sie führt zu höheren Gesundheitskosten und verschärft den Medikamentenmangel, der bei einigen antibiotischen Wirkstoffen akut ist. Die Überverschreibung kann zudem die Bildung von Resistenzen fördern, wodurch die Medikamente an Wirksamkeit verlieren. Ist die Krankheit weg, bleiben die Tabletten übrig – welche die Patienten unsachgemäss entsorgen oder bei einem nächsten Leiden unkontrolliert ohne ärztliche Verschreibung einnehmen.

Doch wieso werden Packungen verkauft, die grösser sind als nötig? Die Packungsgrössen müssten sich an den gängigen Anwendungen orientieren, argumentiert das Bundesamt für Gesundheit (BAG) gegenüber der Zeitung. Man könne aus wirtschaftlichen Gründen nicht für jede einzelne eine eigene Packung verlangen.

Die Behandlungsleitlinien der Fachärzteschaft ändern sich zudem häufig, und eine ständige Umstellung der Produktion ist technisch nicht möglich, wie es im Artikel weiter heisst. Zudem seien die Medikamente nicht nur für akute Infekte zugelassen, sondern auch für chronische, die eine längere Behandlung erforderten.

«Es gibt eine klare Evidenz dafür, dass eine Behandlung über fünf Tage ausreicht», so Barbara Hasse, leitende Ärztin an der Klinik für Infektionskrankheiten am Zürcher Unispital und Co-Präsidentin der Gesellschaft für Infektiologie, gegenüber der «NZZ am Sonntag». Hasse plädiert dafür, das System der Abgabe kritisch zu hinterfragen.

Politik plant Massnahmen

Der Bundesrat befasst sich im Auftrag des Parlaments derzeit mit dem Thema. Einerseits möchte er als Massnahme zu grosse Packungen mit einem Malus beim Preis bestrafen, andererseits sollen Ärzte besser geeignete Packungen künftig auch aus dem Ausland importieren dürfen.

In Abklärung ist ebenfalls, ob man Antibiotika nicht auch als einzelne Tabletten statt in ganzen Packungen abgeben könnte. Hierzu will der Bundesrat noch im Laufe des Jahres weitere Entscheide treffen. Das Unispital bereitet derzeit ein Pilotprojekt vor, mit dem es die portionengenaue Abgabe von Medikamenten selber testen will.