Daten aus 67 LändernWeltweiter Verbrauch von Antibiotika steigt
Der Konsum trägt massgeblich zur Ausbreitung von Resistenzen bei. Doch Fachleute sehen auch positive Entwicklungen.
Der weltweite Verbrauch von Antibiotika ist in den Jahren von 2016 bis 2023 um 16 Prozent gestiegen, während der Coronapandemie jedoch kurzzeitig eingebrochen. Das zeigt eine Auswertung von Epidemiologen und Gesundheitsökonomen, veröffentlicht im Fachmagazin PNAS. Der weltweit steigende Antibiotikaverbrauch ist einer der Hauptgründe für die Zunahme antimikrobieller Resistenzen (AMR).
Forschende, die dem Konsortium des One Health Trust angehören, haben für ihre Analyse die Verkaufsdaten von Antibiotika aus 67 Ländern für den Zeitraum 2016 bis 2023 ausgewertet. So zeigt sich, dass die während der Pandemie ergriffenen Massnahmen zur Infektionsprävention, wie etwa vermehrtes Homeoffice, zu einem allgemeinen Rückgang von Atemwegsinfektionen führten – und damit auch weniger Antibiotika eingesetzt wurden.
Millionen Todesfälle durch Antibiotikaresistenzen
Auch geplante Operationen wurden verschoben, um die Intensivstationen zu entlasten. Dies führte zu weniger Operationen, für deren Nachsorge häufig Antibiotika eingesetzt werden. Auch sank insgesamt die Zahl der Spitalaufenthalte, bei denen sich Menschen häufig mit Bakterien infizieren und zur Behandlung Antibiotika benötigen. Besonders ausgeprägt war dieser Effekt in Ländern mit hohem Einkommen.
Die Analyse zeigt zudem, dass in einkommensschwachen Ländern der Antibiotikaverbrauch im Jahr 2021 wieder zugenommen hat und seitdem kontinuierlich ansteigt. Das Problem: Infektionen, die durch resistente Bakterien verursacht werden, können oft nicht mehr durch die Gabe von Antibiotika behandelt werden. Aktuelle Studien verzeichnen weltweit fünf Millionen Todesfälle im Zusammenhang mit antimikrobiellen Resistenzen. Bis zum Jahr 2050 könnten es bis zu zehn Millionen Todesfälle sein.
Veränderte Handhabung von Antibiotika
In einkommensstarken Ländern liegt der Verbrauch etwas über dem Vor-Pandemie-Niveau. «Viele Krankenhausaufenthalte, bei denen man sich mit Bakterien infizieren kann, wurden wegen der Pandemie verschoben und werden jetzt nachgeholt», sagt Tim Eckmanns, Experte für Infektionsepidemiologie am Robert-Koch-Institut. Da in einkommensstarken Ländern vor der Pandemie bereits ein Rückgang des Antibiotikaverbrauchs zu beobachten war, erscheint dieser moderate Anstieg auf den ersten Blick wie ein Rückschritt.
Aber: In einkommensstarken Ländern verschiebt sich offenbar der Verbrauch von Watch- zu Access-Antibiotika. Arzneimittel der sogenannten Access-Gruppe (Standard-Antibiotika) haben demnach ein geringeres Potenzial, gefürchtete Resistenzen zu erzeugen, als jene Mittel der Watch-Gruppe (Spezialindikation). Diese sollten laut international geltenden Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation nur bei spezifischen Infektionen eingesetzt werden. «Es ist wichtig, zu sehen, dass diese Strategie zur Vermeidung von AMR greift», sagt Eckmanns.
Doch was auch immer in einkommensstarken Ländern passiert, die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen ist ein globales Problem. «Überall dort, wo Antibiotika verabreicht werden, entwickeln Bakterien durch Mutationen Resistenzen», sagt Stephan Sieber, Chemiker an der Technischen Universität München, der an der Entwicklung neuer Antibiotika forscht: In einer global vernetzen Welt verbreite der Mensch Erreger, sie können überall auf der Welt auftreten. Die Coronapandemie hat das eindrucksvoll gezeigt.
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