Papablog: Danke, Remo Largo«Im Largo steht …»
Unser Blogger hätte seine Kinder auch ohne die Neueltern-Bibel «Babyjahre» geschaukelt gekriegt. Aber deutlich nervöser.
Als vor ein paar Jahren ein Arbeitskollege Vater wurde, stapelte sich auf seinem Tisch die Ratgeberliteratur. Ich war damals noch kinderlos und einerseits beeindruckt, andererseits belustigt. Da liest jemand 14 Bücher, um sein Kind richtig zu versorgen? Persönlich traute ich mir mehr Intuition zu. Spoiler alert: Nach Brechts Geburt googelte ich im Schnitt 300 Mal pro Tag.
Aber ich lernte auch, dass es dieses eine Buch gibt, das man einfach besitzt und natürlich auch liest: «Babyjahre» von Remo Largo. Die Bibel der Neueltern, der Koran der Erziehungsberechtigten, die Verfassung der sich Reproduzierenden.
«Urs ist in der Nacht trocken»
Bevor sie jetzt denken «aha, ein Nachruf»: Nein, das kann ich nicht bieten. Ich kannte Remo Largo nicht einmal flüchtig, war nie an einem Vortrag, und habe keines seiner anderen Bücher gelesen. Ich kenne nur «Babyjahre» und von Bildern den prächtigen Schnauz des Schweizer Nationalkinderarztes.
Das Lobeslied auf «Babyjahre», das möchte ich aber voller Inbrunst singen. Was für ein grossartiges Buch. Ein umfassendes Standardwerk. Keiner dieser Ratgeber, die eine steile Erziehungsthese langfädig auf Buchlänge klopfen. Largos Botschaft ist dennoch schnell zusammengefasst: Kinder sind Individuen, die sich in ihrem eigenen Tempo entwickeln. Eltern sollen dabei gelassen bleiben. Nur weil Ursina mit 11 Monaten läuft, muss sie nicht gleich ins Hochbegabten-Förderprogramm; und nur weil Beat mit 3 Jahren noch Windeln trägt, muss er das angefangene Hochbegabten-Förderprogramm nicht wieder verlassen.
«Bettina dreht sich auf den Bauch»
Trotz simpler Botschaft bietet Remo Largo aber seinem Beruf entsprechend solide Wissenschaft – und das erst noch verständlich aufbereitet. Die vielen Grafiken zur Altersverteilung von ersten Worten, Schritten und Werkzeugeinsätzen zeigen eindrücklich, wie gross der Normbereich kindlicher Entwicklung ist. Da stehen manche schon mitten im Beruf, während andere noch krabbeln. Also gefühlt. Vergleichen Eltern die Entwicklungsschritte ihres Kindes mit den vielen Verlaufskurven und Balkendiagrammen, stellen Sie in den meisten Fällen beruhigt fest: alles in Ordnung.
Wir haben «Babyjahre» nicht am Stück gelesen, sondern abwechslungs- und abschnittsweise in den Monaten und Jahren nach Brechts Geburt. Seit wir auch noch einen Beebers grossziehen, holen wir den Schmöker wieder ab und zu aus dem schweren Eichenregal mit der feinen Literatur, die man auch gerne dem Besuch zeigt.
In den letzten bald sieben Jahren begann bei uns zu Hause so manches Gespräch mit den Worten: «Im Largo steht …». Klar, ohne «den Largo» hätten wir Beebers und den Brecht auch geschaukelt gekriegt. Aber deutlich nervöser.
«Karl sucht nach der Brust»
Lieb gewonnen habe ich auch die eher schrulligen Eigenschaften des Buches: Die Jahrzehnte alten Fotografien, zumindest noch in meiner Ausgabe von 2013, und die ebenso angejahrten Kindernamen: Robert, Sabine, Bettina, Karl und Urs heissen die Säuglinge in den Geschichten, die jedes Kapitel einleiten.
Remo Largo starb vor einer Woche – etwas früh, aber durchaus der Altersnorm entsprechend. (Bitte entschuldigen Sie, das musste sein. Eine Hommage.) Der Tod ist die logische Fortsetzung von Geburt, ersten Worten und Töpfchentraining. Dazwischen wünschen wir allen Menschen ein glückliches Leben, wie es hoffentlich auch Remo Largo hatte. Auf jeden Fall hat er das Leben vieler Eltern sehr viel entspannter gemacht. Danke dafür.
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