Mamablog: Nein heisst… ?Wie man richtig Nein sagt
Kleinen Kindern etwas zu verbieten, ist schwierig und bringt Erziehungsüberzeugungen ins Wanken. Was Fachleute raten.
Unser Einjähriger hat ein neues Lieblingsobjekt: Das Bild des Zürcher Fotografen Sandro Diener hatten wir zufällig in einer Ausstellung entdeckt und zu unserem eigenen Erstaunen gekauft. Seit ein paar Wochen hängt es gerahmt im Wohnzimmer und unser Kleiner hat es sich zur Gewohnheit gemacht, sich an der Wand hochzuziehen und dann mit einer Hand kräftig aufs Glas zu schlagen. Das darf er natürlich nicht, doch bislang konnten wir ihn nicht davon abbringen. Ein Nein stachelte ihn eher noch an. Und auch unser Versuch, ihn weg und in sein Zimmer zu tragen, was ihm an sich gar nicht passt, hatte nicht die erwünschte Wirkung. Er hat es zu einem Spiel gemacht: klopfen, weggetragen werden, zurückkriechen und alles von vorn.
Das begründete Nein
Das Scheppern im Wohnzimmer hat bei uns viele Fragen aufgeworfen, über Anspruch und Wirklichkeit in der Kindererziehung. Wir hatten uns wie viele Paare eine Richtung zurechtgelegt, nichts Konservatives, nichts Progressives, Mainstream. Wir wollen keine Gewalt, nie, aber ein Umfeld, in dem auch Verbote Platz haben. Eine Gesellschaft funktioniert nun einmal über Regeln, die den persönlichen Freiheiten Grenzen setzen, auch wenn das keinen Spass macht. Wer Autorität ausübt, muss sich aber erklären. Unser Sohn soll in einer Welt aufwachsen, in der ein Nein etwas gilt, aber nur ein begründetes Nein.
Unsere Überzeugung haben wir bisher nicht in Frage gestellt. In der Praxis hat sie uns aber wenig geholfen. Dass unser Sohn ein Konzept davon hat, was Nein bedeutet, müssen wir annehmen. Er macht selbst davon immer häufiger Gebrauch. Aber wie wir uns oft über sein Nein hinwegsetzen, tut er es mit unserem. Einem Einjährigen zu erklären, warum das Bild tabu ist, ist illusorisch. Ist er also schlicht noch zu klein, um mit Verboten zu leben? Müssen wir uns anpassen und auf Dinge, die uns wichtig sind, verzichten, oder gibt es einen anderen Weg? Das haben wir drei Erziehungsfachleute gefragt. Das sind ihre Antworten:
Dialog als Grundlage
Philipp Ramming, Fachpsychologe für Kinder- und Jugendpsychologie und Psychotherapie sagt, es sei von Anfang an wichtig, dem Kind zu sagen, was drin liegt und was nicht. «Ein Kinder erlebt Emotionen und Wünsche sehr stark, es muss lernen, damit umzugehen.» Eltern, die nicht hin stünden, kaschierten ihre Unfähigkeit. «Ein Kind hat ein Anrecht auf seine Emotionen und darauf, dass Erwachsene damit umgehen können.» Im konkreten Beispiel rät Ramming, das Bild höher zu hängen oder ein Hindernis davor zu stellen, so wie man einen Sicherheitsstecker in die Steckdose stecke. Es gebe bei allem eine erzieherische und eine praktische Seite. Keinesfalls solle man Gewalt anwenden, auch keine verbale Gewalt. Vielmehr soll man immer mit dem Kind reden: «Sprache ist Umwandlung von Emotion in Handlung», sagt Ramming. Und der Dialog ist die Grundlage der Erziehung.
Aufmerksamkeit und Voraussicht
Sabine Brunner ist Psychologin und Psychotherapeutin am Marie Meierhofer Institut für das Kind. Ein Einjähriger könne ein Nein noch nicht gut verstehen, sagt sie. Das brauche noch weitere ein bis zwei Jahre. Das bedeute aber nicht, dass man nicht Nein sagen könne. Im Alltag rät sie zu Aufmerksamkeit und Voraussicht: Antizipieren, wo etwas schiefgehen kann und rechtzeitig einschreiten, sowie Dinge wegräumen, die kaputt gehen können. Generell besteht laut Brunner die Gefahr, dass Eltern kleine Kinder überschätzten und falsche Erwartungen entwickelten. «Man darf nicht das Gefühl haben, ich muss mich jetzt durchsetzen, sonst lernt er es nicht. Viele Kleinkinder werden aus diesem Grund misshandelt.» Brunner sagt, man solle Kinder niemals sanktionieren, sondern ihnen eine Alternative anbieten. Wenn man ihnen zum Beispiel etwas wegnehme, solle man das mit Sanftheit und Klarheit machen, aber nicht wütend werden. «Das schüchtert das Kind eher ein als dass es ein Weg ist zu zeigen, was richtig und was falsch ist.»
Emotionen zeigen
Sara Schneebeli führt mehrere Kinderkrippen in Winterthur, darunter auch jene, die unser Sohn besucht. Sie sagt, die Erziehung fängt an, sobald das Kind beginnt, selbständig zu werden. «Auch wenn man unmittelbar nichts feststellt, man merkt es in ein paar Jahren, wenn man früh angefangen hat, Grenzen zu setzen.» Im Fallbeispiel rät sie, das Kind wegzutragen und ihm etwas anderes zum Klopfen anzubieten. Ein Patentrezept gebe es nicht, Kinder seien nun einmal verschieden, und Provokationen gehörten zum Lernprozess, auch zu jenem der Eltern. Wichtig sei es, konsequent zu sein, einem Kind seine Emotionen zu zeigen und es spüren zu lassen, dass man es ernst nimmt. «Die Mimik ist wichtig; wenn man Nein sagt, sollte man das Kind immer anschauen.» Schneebeli findet, elterliche Strenge sei in unserer Gesellschaft zu negativ konnotiert. «Klare Grenzen bieten Kindern Orientierung und erleichtern es ihnen, mit der Welt und den vielen Eindrücken umzugehen, die auf sie einprasseln.»
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