Unwetter in der SchweizVier Personen im Misox verschüttet, Frau aus Schuttkegel gerettet, Teile der A 13 zerstört
Im Bündner Südtal ging ein schweres Unwetter nieder. Im Wallis gilt die Besondere Lage. Die Verkehrswege nach Zermatt sind weiterhin unterbrochen.
Teile der Schweiz wurden am Freitag von schweren Unwettern heimgesucht. Besonders betroffen war das Wallis, wo Überschwemmungen und Erdrutsche grosse Schäden verursachten. 230 Personen mussten evakuiert werden. Am Abend kam es auch zu Schäden im Bündner Südtal Misox. Am Samstagnachmittag werden neue Gewitter erwartet.
Eine Frau ist im Misox von Rettungskräften lebend aus einem Schuttkegel gerettet worden. Die Polizei geht von drei weiteren verschütteten Personen im Bündner Südtal aus.
Es ist gelungen, mindestens ein Leben zu retten, wie ein Polizist der Kantonspolizei Graubünden am Samstagmorgen an einer Medienkonferenz in Roveredo sagte, die vom italienischsprachigen Fernsehen RSI übertragen wurde. Am Freitagabend war es nach massiven Gewittern und Niederschlägen zu einer Hochwasserlage gekommen.
Fünf Dörfer des Misox haben keinen Strom mehr. In den betroffenen Gemeinden ist teilweise auch das Leitungswasser unterbrochen. Zudem wurde die Nationalstrasse A 13 stark beschädigt.
Das Wasser ist in allen betroffenen Gemeinden Lostallo GR, Cabbiolo GR, Sorte GR, Arabella GR und Norantola GR nicht trinkbar, wie William Kloter von der Kantonspolizei Graubünden auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte. Wann der Strom zurückkehre, könne aktuell nicht beurteilt werden.
Die Nationalstrasse A 13 zwischen Roveredo GR und dem San-Bernardino-Pass ist derzeit gesperrt. Die A 13 sei über alle vier Spuren verschüttet, vernichtet und nicht passierbar, hiess es vor den Medien.
Auch die Kantonsstrasse im Tal sei gesperrt, sagte ein Sprecher der Polizei weiter. Lediglich die Einsatzkräfte könnten aus dem Süden in die betroffenen Dörfer über die Strasse gelangen. Auf dieser lägen teilweise Felsbrocken von fünf bis zehn Meter Grösse.
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Der Einsatzraum der Einsatzkräfte erstrecke sich auf 20 Kilometer Länge. Ein Schuttkegel habe mehrere Häuser erfasst. Die Polizei gehe davon aus, dass insgesamt vier Personen verschüttet wurden. Die Frau, welche gerettet wurde, sei in ein Spital überwiesen worden.
Die Einsatzkräfte vor Ort würden mit Helikopter und Drohnen weiter nach den drei vermissten Personen suchen, sagte der Polizist. Die Lage der vermissten Personen sei nicht bekannt.
Zwölf Kilometer Stau vor dem Gotthardtunnel
Der Verkehr Richtung Süden hat sich am Samstagvormittag vor dem Nordportal des Gotthard-Strassentunnels auf einer Länge von zwölf Kilometern gestaut. Zur Verkehrsüberlastung kam es zwischen Erstfeld und Göschenen.
Die Wartezeit betrug rund zwei Stunden, wie der Verkehrsdienst des TCS auf X mitteilte. Die alternative Route in den Süden via Nationalstrasse A 13 war am Samstag wegen des Unwetters im Bündner Südtal Misox derweil nicht befahrbar. Wegen der Überschwemmungen in der Folge des Unwetters vom Freitagabend war ein Strassenabschnitt der A 13 zerstört worden, wie es am Samstag an der Pressekonferenz in Roveredo hiess.
Polizisten verlieren Fahrzeug in Fluten
Eine Patrouille der Bündner Kantonspolizei hat am Freitagabend im Misox in den Fluten ein Fahrzeug verloren. Die Patrouille hielt nach einem heftigen Gewitter und einem Erdrutsch Ausschau nach Menschen oder Tieren, die in Gefahr sein könnten.
Dabei hätten sich die Polizisten selber in Gefahr gebracht, sagte William Kloter, Kommandant der Kantonspolizei Graubünden, am Samstagmorgen vor den Medien in Roveredo. Diese hätten dank reaktionsschnellem Handeln von Kameraden gerettet werden können. Sie hätten dem Dienstfahrzeug nur noch zuschauen können, wie es von den Fluten mitgerissen worden sei.
Bündner und Tessiner Regierungen reagieren
Die Bündner Regierung verfolgt die Situation im Misox mit grosser Besorgnis und wünscht allen Beteiligten viel Kraft, wie sie am Samstag mitgeteilt hat. Der Tessiner Staatsrat brachte der Bevölkerung im Misox derweil seine Solidarität und sein Mitgefühl zum Ausdruck.
Solche Ereignisse erinnerten uns einmal mehr daran, wie sehr das Leben im Alpenraum der Herrschaft der Naturgewalten ausgesetzt sei, schrieb die Tessiner Regierung am Samstag in einem Communiqué. Der Staatsrat spreche stellvertretend für die gesamte Tessiner Bevölkerung der betroffenen Bevölkerung, den Bündner Behörden und den Menschen in der Region die volle Unterstützung des Tessins aus.
Wasserstände am Bodensee erreichen zweithöchste Gefahrenstufe
Die Pegelstände des Bodensees haben am Samstag die Schwelle zur Hochwassergefahrenstufe vier von insgesamt fünf überschritten. In Romanshorn lag der Wasserstand am Samstagmittag gemäss dem Bund rund vier Zentimeter über der Schwelle zur zweithöchsten Gefahrenstufe.
Auch bei der Messstation in Berlingen TG ist der Wasserstand gemäss den Daten des Bundesamts für Umwelt (Bafu) zuletzt wieder angestiegen. Damit gilt auch für den Untersee, dem westlichen Teil des Bodensees, die Hochwassergefahrenstufe vier. Diese Stufe bedeutet «grosse Gefahr» hinsichtlich Hochwasser.
Pegelstand der Rhone im Wallis und im Waadtland auf dem Rückgang
Die Pegelstände der Rhone und ihrer Seitenflüsse sind in den Kantonen Wallis und Waadt im Verlauf des Samstagmorgens langsam gesunken. Die Alarmstufe sowie die Besondere Lage werden aber aufrecht erhalten, da die Wassermengen immer noch sehr hoch sind.
Dies auch, weil im weiteren Verlauf des Tages weitere Gewitter erwartet würden, teilte die Walliser Kantonspolizei am Samstagmittag mit. Es gelte daher weiterhin, erhöhte Wachsamkeit walten zu lassen. Vor allem in den Seitenflüssen der Rhone verlaufe der Rückgang der Wassermassen relativ langsam, hiess es weiter.
Für die Rhone wurde der Höhepunkt des Hochwassers in der Nacht von Freitag auf Samstag nach Mitternacht erreicht. Ein Abfluss von 819 Kubikmetern pro Sekunde wurde zum Beispiel um 2 Uhr morgens in Branson erreicht. Gemäss dem Modell des Bafu besteht für die Rhone weiterhin eine hohe Hochwassergefahr der Stufe 4.
Auch im Waadtländer Chablais war der kritischste Punkt im Zusammenhang mit dem Rhone-Hochwasser in der Nacht von Freitag auf Samstag überschritten. Dort überwachten die Feuerwehr und die Kantonspolizei die Umgebung der Rhone während der ganzen Nacht. Am Samstagmorgen entschärfte sich die Lage etwas. Sach- oder Personenschäden wurden laut der Polizei keine gemeldet.
Der Höchststand der Rhone wurde dort am späten Abend mit einer Durchflussmenge von fast 1200 Kubikmetern pro Sekunde erreicht, wie Olivia Cutruzzola, Leiterin der Kommunikationszelle des kantonalen Führungsstabs Waadt, auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mitteilte.
Zermatt weiterhin abgeschnitten
Im Kanton Wallis gab es insbesondere in den Seitentälern grosse Sachschäden. Menschen kamen nicht zu Schaden. Wegen der Gefahr von Überschwemmungen nahmen die Behörden punktuelle Evakuierungen vor. 230 Personen mussten evakuiert werden, die Mehrheit davon am Fluss Navizence in Chippis bei Sierre «als Vorsichtsmassnahme».
Nach Erdrutschen und Überschwemmungen sind zudem mehrere Verkehrswege unpassierbar. Zermatt ist seit Freitagmittag von der Aussenwelt abgeschnitten. Sowohl die Strasse als auch die Bahnlinie sind wegen Überschwemmungsgefahr gesperrt. Am frühen Abend gab es einen Wasseralarm, der Triftbach ist über die Ufer getreten und hat Teile des Dorfs überschwemmt. Die Bevölkerung musste sich in geschlossene Räume begeben, schreibt der «Walliser Bote». In Bachnähe sollten Bewohner sich in höhere Etagen begeben.
Die Strecke zwischen Visp und Zermatt ist am Samstagmorgen wegen Unwetterschäden weiterhin gesperrt. Alternative Beförderungsmöglichkeiten gibt es keine, wie die Matterhorn-Gotthard-Bahn auf der Onlineplattform X mitteilte.
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Das Bahnunternehmen stellte den Bahnbetrieb zwischen Visp und Zermatt bereits am Freitagmittag ein. Sowohl die Strasse als auch die Bahnlinie nach Zermatt waren wegen Überschwemmungsgefahr gesperrt.
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Auch der Nufenenpass zwischen dem Wallis und dem Tessin ist nach einem Erdrutsch nicht mehr passierbar.
«Es gibt keine Luftbrücke»
Die Behörden haben die Warnstufe für den gesamten Kanton für die Rhone und Seitengewässer auf Alarmstufe erhöht. Dies bedeutet, dass das Überwachungsdispositiv verstärkt werden muss. Zudem müssen sich die Einsatzstäbe aktiv darauf vorbereiten, Massnahmen zu ergreifen, teilt die Walliser Dienststelle für Naturgefahren mit. Der Staatsrat hat für das Wallis die Besondere Lage erklärt, die den Einsatz zusätzlicher Mittel ermöglicht.
Nicht nur die Strecke der Matterhorn-Gotthard-Bahn ist unterbrochen, auch die Kantonsstrasse ins Mattertal ist ab Stalden gesperrt. Es besteht keine Reisemöglichkeit nach Zermatt, Täsch, Randa und St. Niklaus. «Es gibt keine Luftbrücke», sagt Gemeindepräsidentin Romy Biner-Hauser dem «Walliser Boten». Am Bahnhof Täsch gestrandete Touristen werden von Bahnangestellten über die Lage informiert. Mithilfe der Tourismusorganisation und des Hoteliervereins habe man alle Personen unterbringen können.
Entlang der Rhone wird der höchste Pegelstand im Verlauf des Freitagabends erwartet, wie Mayoraz weiter sagte. Die Hochwassergefahr sei zurzeit stark erhöht, aber nicht so kritisch wie etwa bei den letzten grossen Überschwemmungen vom Oktober 2000, als die Dämme teilweise brachen und die Rhone die Talebene im Unterwallis überflutete.
Derweil wies das gegenwärtige Unwetter laut Mayoraz ebenfalls eine besondere Konstellation auf. «Dass fast alle Seitenflüsse der Rhone gleichzeitig so viel Wasser führen, ist ziemlich aussergewöhnlich», sagte er.
Die Behörden empfehlen, sich den Wasserläufen nicht zu nähern, nicht auf Brücken zu parkieren, Fahrten mit Fahrzeugen einzuschränken und auf das Filmen oder Fotografieren der Unwetterereignisse zu verzichten.
Auch Bahnstrecke Lausanne–Brig unterbrochen
Nach den Unwettern im Wallis kann der Bahnverkehr zwischen Riddes und Ardon im Wallis wieder aufgenommen werden. Der Wasserstand der Rhone sei gesunken, teilten die SBB am Samstagmorgen mit.
Die Bahnstrecke zwischen Lausanne und Brig musste am Freitagabend wegen der Hochwassergefahr im Unterwallis unterbrochen werden, wie die SBB am Abend mitteilten. Der Pegelstand der Rhone unterhalb der Bahnbrücke bei Riddes hatte eine kritische Höhe erreicht.
Deshalb wurde der Bahnverkehr um 22.20 Uhr zwischen Riddes und Ardon aus Sicherheitsgründen vorsorglich eingestellt. In der Folge fielen die Interregio-Züge zwischen Martigny und Sion sowie die Regionalzüge zwischen Riddes und Ardon aus. Es waren Bahnersatzbusse im Einsatz. Die Einschränkung dauert laut der SBB-Bahnverkehrsinfo bis Samstag, circa 15.20 Uhr.
In Zermatt trat am Mittag die Vispa über die Ufer
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In Zermatt kam es bereits am Freitagvormittag zu einer Überschwemmung im Dorf. Ein auf dem Nachrichtenportal des «Walliser Boten» verbreitetes Video zeigt, wie die Vispa über die Ufer tritt. Die örtliche Feuerwehr stand im Einsatz.
Mit grossen Maschinen versuchten Einsatzkräfte, Schutt aus dem Wasser zu holen, um eine Verstopfung unter der Brücke zu verhindern. Die Schulen im Touristendorf seien geschlossen worden, sagte ein Gemeindemitarbeiter. Auch die Schule im Nachbarort Täsch ist zu. Dort wurde auch der Campingplatz evakuiert.
Ein Nutzer hat auf der Onlineplattform X ein Video von einer Zugfahrt entlang der Vispa gepostet. Er sei mit einer der letzten Zugverbindungen Richtung Tal gefahren, bevor die Strecke gesperrt wurde, schreibt er dazu.
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Verschüttete Strassen
Laut lokalen Medienberichten waren ausser der Strecke Zermatt–Täsch zahlreiche weitere Verkehrsverbindungen im Kanton Wallis behindert oder gesperrt. Eine Schlammlawine ging auf die Kantonsstrasse bei St. Niklaus nieder, wegen Steinschlag war eine Strasse in Grengiols gesperrt. Steinschlag und Erdrutsch führten zu einer Sperrung des Nufenenpasses.
Ebenfalls wegen Murgängen gesperrt war die Strasse zwischen Vissoie und dem Dorf Mayoux im Val d’Anniviers und die Verbindung zwischen Fionnay und Mauvoisin im oberen Val de Bagnes.
Grund für die gespannte Hochwasserlage war eine Regen- und Gewitterfront, die seit Donnerstag über die Schweiz zog. Hinzu kamen die Schneeschmelze und wassergesättigte Böden. Dies führte auch andernorts zu Erdrutschen. Im Kanton Graubünden war am Berninapass die Fahrt wegen einer Rüfe vorübergehend verunmöglicht.
Baustellenfahrzeug der Rhätischen Bahn entgleist
Auf der Berninalinie der Rhätischen Bahn ist bei Bernina Suot GR ein Baustellenfahrzeug entgleist. Verletzt wurde niemand. Die Bernina Express Züge fallen deshalb am Samstag ersatzlos aus.
Der Bahnhof Bernina Suot sei bis voraussichtlich Montagmorgen Betriebsbeginn ausser Betrieb, teilte die Rhätische Bahn (RhB) am Samstagmorgen mit. Es würden Reparaturarbeiten an der Fahrleitung, den Gleisen und einer Weiche durchgeführt. Der Unfall habe keinen Zusammenhang mit den Unwettern, hiess es bei der RhB auf Anfrage.
Die Züge verkehren zwischen St. Moritz und Pontresina sowie zwischen Tirano und Ospizio Bernina, wie es weiter hiess. Zwischen Pontresina und Poschiavo verkehren Bahnersatzbusse.
SDA/sme/ij/fal
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