Flutkatastrophe in DeutschlandHochwasser kann die Wahl entscheiden
Die Unwetter an Ruhr, Rhein und Mosel rücken die Klimaschutzpolitik ins Zentrum des Wahlkampfs. Das könnte den Grünen helfen – oder doch Armin Laschet?
Sobald in Deutschland Flüsse über die Ufer treten und ganze Landstriche verwüsten, werden Erinnerungen wach. Als 2002 die Elbe Sachsen überschwemmte, stürzte sich der damalige sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder sofort in Gummistiefeln in die Flut und inszenierte sich als Kümmerer und Macher, während Herausforderer Edmund Stoiber von der CSU auf seiner Ferieninsel verharrte und den Moment verpasste. Schröder, so glaubt heute selbst Stoiber, gewann deswegen die Wahl.
Nach der jüngsten Unwetterkatastrophe richteten sich deswegen sogleich alle Augen auf die Kanzlerkandidaten: Wie gehen der Christdemokrat Armin Laschet, die Grüne Annalena Baerbock und der Sozialdemokrat Olaf Scholz mit der Notlage um, zwei Monate vor der Bundestagswahl?
Laschet muss sich kümmern
Am einfachsten hatte es Laschet: Als Ministerpräsident des direkt betroffenen Nordrhein-Westfalen kümmerte er sich von Amtes wegen. Sofort brach er eine Wahlkampftour in Baden-Württemberg und einen geplanten Besuch in Bayern ab und reiste ins Hochwassergebiet.
Mit ernster Miene, in Regenjacke und Hemd, aber ohne Krawatte, in Lederschuhen statt Gummistiefeln sprach er am Donnerstag von früh bis spät vor Feuerwehrautos und überfluteten Strassen den Betroffenen Mut und Hilfe zu und bedankte sich bei den Rettungskräften. Spätabends liess er sich sogar noch in den ZDF-Talk von Maybrit Illner schalten, vor blinkenden Warnlichtern.
Laschet verwahrte sich gegen den Vorwurf, es gehe ihm um Wahlkampf. Als Ministerpräsident sei er für seine Bürgerinnen und Bürger verantwortlich. «Das ist keine Frage, mit der man Bilder erzeugen will. Das ist eine zu ernste Lage.» Als Krisenmanager in der Pandemie hatte Laschet nicht immer überzeugt. In der Flut sieht er nun offenkundig eine neue Chance, zu beweisen, dass er «Krise kann».
Scholz und Baerbock hatten es da schwieriger. Der SPD-Finanzminister brach seine Ferien im Allgäu ab und zeigte sich wenig später im Pulli an der Seite der rheinland-pfälzischen SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer in der verheerten Eifel. Demonstrativ sprach er von den Hilfen, die der Bund leisten würde – ein Bereich, für den er zuständig ist.
Grüne uneins über Vorgehen
Baerbock kehrte ebenfalls vorzeitig aus ihren Ferien zurück und stellte einen Besuch im Katastrophengebiet in Aussicht. Robert Habeck, ihr Partner als Chef der Grünen, hatte da solche Auftritte gerade erst abgelehnt: «Es ist jetzt die Stunde der Retter und nicht die von Politikern, die auch noch aufs Bild wollen.»
Gewiss ist, dass das Unwetter die Klimaschutzpolitik nun endgültig ins Zentrum des Wahlkampfs gerückt hat. Laschet, Baerbock und Scholz sahen den vermehrten Starkregen unisono als eine Folge des vom Menschen gemachten Klimawandels.
Laschet mahnte deswegen «mehr Tempo» im Klimaschutz an, musste sich aber von Kritikerinnen sogleich anhören lassen, dass gerade er und seine Partei in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten konsequente Massnahmen stets ausgebremst oder verweigert hätten. Laschet wiederum rechtfertigte sich mit dem Hinweis, dass Nordrhein-Westfalen mit dem Kohleausstieg in den nächsten Jahren einen besonders grossen Beitrag zu mehr Klimaschutz leiste.
Den Grünen wiederum, in den Umfragen zuletzt zurückgefallen, kommt das Thema natürlich wie gerufen: Der Klimaschutz ist ihr wichtigstes Argument und das Fach, in dem man ihnen die grösste Kompetenz zubilligt. Es könnte also gut sein, dass die zuletzt wegen eigener Fehler angeschlagene Baerbock am Ende von den Hochwassern mehr profitiert als der Krisenmanager Laschet.
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