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Mamablog: Interview zum Stillen
«Heute pumpen die Mütter lieber ab»

«Ich lerne von jeder Frau dazu!» sagt Franziska Summermatter, Gründerin der Zürcher Hebammenpraxis. Foto: Brigit Rufer
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Vor zehn Jahren kam meine erste Tochter per Notfallkaiserschnitt zur Welt und von da an stand meine Welt erst einmal für sehr lange Zeit Kopf. Alles war anders, als ich es mir ausgemalt hatte. Zum Glück bestärkte mich eine erfahrene und bodenständige Hebamme, die mich motivierte, mich tröstete und mir versicherte, dass diese emotionale Achterbahnfahrt zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt ganz normal sei. Trotz Unterstützung von Familie und Umfeld fühlte ich mich bei einem Thema besonders gefordert: dem Stillen.

Scheinbar war es selbstverständlich, dass sich dazu alle ungefragt einmischen. Wenn mich jemand fragte, ob ich stille, nickte ich und versuchte so schnell wie möglich auf ein anderes Thema zu lenken. Ich wollte nicht zugeben, dass meine Milch nicht ausreicht und ich noch mit der Flasche zufüttere. Ich fühlte mich wie eine Versagerin.

Nach zehn Jahren habe ich mich mit meiner Hebamme von damals getroffen und mich mit ihr zum Thema Stillen unterhalten. Franziska Summermatter ist Gründerin der Hebammenpraxis Zürich und arbeitet seit 40 Jahren mit Müttern und Babys zusammen. Zuerst als Kinderkrankenschwester im Wochenbett und jetzt als Wochenbett-Hebamme bei Familien zu Hause.

Liebe Franziska, in meinem Umfeld habe ich schon die ganze Bandbreite erlebt. Mütter, die ihre Babies vom ersten Tag mit Babymilch-Kapseln aus einer schön designten Maschine zugefüttert haben, oder andere, die mit einem Nervenzusammenbruch in die Klinik eingeliefert wurden, weil es mit dem Stillen nicht geklappt hat. Also ich wäre heute definitiv verwirrter als noch vor 10 Jahren.

Genau, ich könnte den heutigen Zustand nicht besser beschreiben. Es ist richtig, dass sich eine Frau heutzutage fragen darf, ob sie überhaupt stillen möchte. Die Vorzüge sind bekannt, jedoch kann sich nicht jede Frau mit diesem Gefühl anfreunden und das müssen wir akzeptieren. Die meisten Frauen sind aber sehr fürs Stillen und nehmen Hilfe gerne an. Als zweifache Mutter habe ich vor 30 Jahren überall und immer gestillt, schliesslich liefen wir ja auch ohne BH rum, und «Oben-ohne» im Freibad zu liegen, war normal. Heute pumpen die Mütter lieber ab und geben draussen Fläschchen, als dass sie in der Öffentlichkeit stillen. Für mich ist das gewöhnungsbedürftig. Überall sehen wir nackte Brüste! Brust-OP’s werden schon im Nachmittagsfernsehen gezeigt, aber das natürlichste der Welt soll dann eklig sein? Da komm ich nicht mehr mit!

Viele Jungmütter wollen nicht in der Öffentlichkeit stillen: Sportangebot in der Zürcher Hebammenpraxis. Foto: Brigit Rufer

In der Schweiz sind wir ja mit 14 Wochen Mutterschaftsurlaub nicht gerade zeitgemäss unterwegs. Was rätst Du den Müttern in Bezug auf Arbeit und Stillen?

Die meisten Mütter möchten solange wie es geht stillen. Sie machen sich aber schon ihre Gedanken, wie es dann mit dem Abstillen gehen soll. Das wäre weniger der Fall, wenn wir eine gescheite Elternzeit hätten, wie sie unsere nördlichen Nachbarländer kennen. Wenn sie ihr Kind in eine Kita geben, müssen sie ja abgepumpte Milch mitgeben können. Nicht allen Frauen gelingt das Abpumpen aber gleich gut. Es ist ein grosser Druck, alles unter einen Hut zu bringen. In den Pausen abzupumpen, die Milch zu kühlen und sie dann abends nach Hause zu transportieren. Nicht alle Arbeitgeber können sicherstellen, dass ein Raum zur Verfügung steht (nicht das WC!!), wo eine Mutter unter hygienischen Bedingungen pumpen oder stillen kann. Das ist sicherlich auch ein Grund, warum viele Mütter frühzeitig mit dem Stillen aufhören.

Gibt es etwas zum Thema Stillen, das Dir besonders am Herzen liegt?

Ja, mich ärgert masslos, dass impliziert wird, dass alle Frauen voll stillen können. Das stimmt so einfach nicht und erzeugt einen enormen Druck auf uns Frauen! Es ist genauso, wie wenn man behaupten würde, dass jeder Mann einen 12 Zentimeter langen Penis hat. Es gibt anatomische, psychologische und hormonelle Begebenheiten, welche man berücksichtigen muss, um eine Still-Situation gut zu erfassen. Ich wünsche mir, die Leute würden mehr Hilfe leisten, statt zu behaupten, man wisse, wie frau es «richtig» macht. Je älter ich werde, desto mehr weiss ich: Ich lerne von jeder Frau dazu! Und dafür und für das grosse Vertrauen, bin ich sehr dankbar.

Was soll dieser Druck auf uns Frauen? Stillen ist keine Selbstverständlichkeit. Foto: Brigit Rufer