Mamablog: Erziehungsdilemma GNTMHeidi Klum, zum Zweiten
Resignation, Verzweiflung und unerwartete Rückendeckung: Unsere Autorin berichtet von ihrer zweiten GNTM-Welle.
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Das erste Lächeln, der erste Schritt, die Einschulung: Eltern mehrerer Kinder dürfen viele wunderbare Momente gleich mehrmals erleben. Es gibt aber auch Dinge, bei denen wäre einmal genug. Zum Beispiel «Germany’s Next Topmodel».
Meine Initiation erlebte ich vor drei Jahren. Bis heute fühle ich mich gebeutelt von verstörenden Bildern aus Staffel 13. Die gläubige Toni im Gewissenskonflikt vor dem Nacktshooting. Die krasse Sally mit verzweifelten Tränen beim Umstyling. Oder das dramatische Shoot-Out vor dem Rausschmiss der wilden Klaudia mit K. Hätte man es geträumt, man würde nassgeschwitzt aufschrecken.
Been there. Done that.
Todesmutig nahm ich damals aber das Gefährdungspotenzial in Kauf und stellte mich dieser Königsdisziplin der Erziehungsarbeit: die Tochter Folge für Folge bei GNTM zu begleiten. Kein giftiger Kommentar der Klum, den ich nicht – zack! – kritisch einordnete, stets in der edlen Absicht, dem Kind zu vermitteln, dass das Gesehene frauenverachtender Mist ist – wenn auch nicht in diesen Worten. Geschätzt hat sie meine Einwürfe nie. Nur knapp entging ich oft dem Rauswurf aus dem Wohnzimmer, während Heidi ihre «Mädels» aus der Show schmiss. Doch blieb ich standhaft bis zum bitteren Staffelfinale, kritisierte und hoffte: Irgendwas bleibt vielleicht hängen …
Dann kehrte Ruhe ein. Auf wundersame Weise gingen weitere Staffeln ins Land, ohne dass wir sie bemerkten. Nicht, dass wir uns beklagt hätten. Stattdessen legte ich La Klum ad acta und dachte «been there, done that».
Kolossal schlechtes Gewissen
Natürlich hätte man es besser wissen müssen. Inzwischen stecken wir voll in unserer zweiten GNTM-Welle – mit der zweiten Tochter. Erneut schrillt Heidis Stimme donnerstags durchs Wohnzimmer, als wolle sie mir mitteilen: So schnell kommst du nicht davon. Doch ist das nackte Grauen, das mich einst überflutete, einem müden Überdruss gewichen. Und einem kolossal schlechten Gewissen. Denn hatte ich die Erstgeborene ja noch mit medienpädagogischem Supereifer behelligt, mache ich jetzt: nichts. Wenn es aus dem TV gellt, weiss ich bloss: Es ist wieder Donnerstag. Und zieh mich in die Küche zurück.
Dabei finde ich GNTM schlimm wie eh und je. Es wird ja nicht viel besser, nur weil pausenlos von «personality» und «diversity» palavert wird. Immer noch geht es um Aussehen, Aussehen, Aussehen. Um quotenwirksame Inszenierungen, um gnadenlose Verdikte, um Klumsche Selbstdarstellung, darum, Heidi zu gefallen, und, fast vergessen, um Aussehen.
Ungestört vor dem Fernseher
Es fällt schwer, zu sagen, was das Schlimmste ist. Dafür bin ich mir beim Zweitschlimmsten sicher: Die Show ist laaangweilig! Shooting hier, Shooting da. Ob auf Rollschuhen oder aus dem Hochhaus baumelnd, ob mit oder ohne Tränen und Zickereien, immer bringen aufgekratzte Protagonistinnen irgendwie zum Ausdruck, dass sie jetzt aber wirklich, wirklich an ihre Grenzen kommen. Nun, liebes GNTM, meine Grenzen sind erreicht. Ich habe kein Foto mehr für dich.
So sitzt unser zweites Kind jetzt ungestört vor dem Fernseher. Klar, kann ich mir den ein oder anderen Kommentar aus der Küche nicht verkneifen. Doch weiss ich halt nur knapp, dass Dascha «curvy» ist und Soulin aus Syrien. Wenn es um Details geht in diesen Niederungen des gestylten «Dissens», bin ich komplett ahnungslos. Da wird die einstige Präzision meiner wehrhaften Bemühungen zum Schatten ihrer selbst. Und war ich früher so schlagkräftig wie ein ganzes SWAT-Team, fühle ich mich jetzt wie eine Dorfpolizistin mit Burnout.
War doch nicht alles umsonst?
Vielleicht bin ich auch einfach entspannter geworden. Eher aber nur lasch. Doch, oha! Da tun sich neue Perspektiven auf: Kürzlich höre ich die Grosse, wie sie der kleinen Schwester ans Herz legt, was GNTM für ein «sexistischer Schrott» sei. (Sie, die einst fast ausfällig wurde, wenn ich nur Luft holte vor dem TV.) Die Kleinere war darob «not amused». Ich schon. Es war einer jener kostbaren Momente, die erfüllt sind vom Gefühl: Es war nicht alles umsonst.
Yeah, mein Spezialeinsatzkommando! So gerne ich das auch glauben möchte, so scheint der elterliche Einfluss damit wohl doch arg überschätzt. Warum aber dann das schlechte Gewissen?
Wie auch immer: Vielleicht sollte ich mich beim Staffelfinale am Donnerstag doch noch einschalten. Sicher ist sicher. Oder «nützts nüt, so schadts nüt».
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