Mamablog: Interview zu Instagram«Wir müssen die Mädchen vom Perfektionsdruck entlasten»
Medienwissenschaftlerin Maya Götz sagt, wie sich Instagram auf junge Frauen auswirkt. Und was Eltern tun können.
Frau Götz, wenn unsere Tochter ein Foto auf Instagram postet, ist das oft ein langwieriger Prozess.
Damit ist sie nicht allein. Manche Mädchen machen bis zu fünfzig Fotos, bis sie sich auf einem gefallen. Dass sie sich für das «perfekte» Bild Zeit nehmen, ist in Ordnung. Sich damit auseinanderzusetzen, wie man aussieht, stärkt die Identität. Und es ist ein Erleben von Macht über das eigene Bild, wenn man so lange probieren und es verändern kann, bis es einem wirklich gefällt. Das ist etwas Tolles, das wir von früher nicht kennen.
Das klingt ganz gut.
Ja, es gibt positive Aspekte. Problematisch ist aber der hohe Anpassungsdruck, der auf Instagram herrscht. Mädchen, die mit dem Posten beginnen, veröffentlichen oft lustige Fotos, auf denen sie etwa mit Freundinnen alberne Dinge tun. Doch je länger sie Instagram nutzen, umso einheitlicher stellen sie sich dar, übernehmen Posen von Influencerinnen, schauen, dass kein Bauch zu sehen ist und das Haar schön glatt ist. Sie wollen Bilder wie jene der Profis und nutzen dazu auch Filter. Zudem wirken sie immer fröhlich. Jedenfalls nie nachdenklich, wütend oder, wie vielleicht zu Beginn, albern. So drückt sich auf Instagram eine emotionale Armut aus, die den Jugendlichen nicht gerecht wird.
Was ist erstrebenswert daran, Bilder zu posten wie eine Profi-Influencerin?
Solche Bilder bekommen nachweislich die meisten Likes. Die Mädchen beschreiben das als Kick für das Selbstbewusstsein. Das ist toll und sie sind stolz auf ihre Bilder. Doch gleichzeitig setzt es sie unter Druck, das nächste Mal noch mehr Likes zu erhalten. Damit sie das schaffen, müssen sie das nächste Foto mindestens genauso verändern. Und schon setzt sich die fiese Logik in Gang und die Bilder werden immer stereotyper. Dabei finden die Mädchen Fotos mit Filter «natürlicher», obwohl sie um die Manipulation wissen.
Sind sich die Mädchen des Drucks bewusst?
Sie bemerken ihn. Allerdings zeigt sich ein typischer «third-person effect». Sie glauben also, sie selbst hätten alles im Griff, im Gegensatz zu anderen. Natürlich gibt es Jugendliche, die gut zurechtkommen. Aber es gibt auch jene, die nicht so resilient sind. Bei ihnen kann der Selbstdarstellungsdruck Essstörungen oder depressive Phasen begünstigen. Studien zeigen, dass allein das Durchscrollen auf Instagram ein kritischeres Verhältnis zum eigenen Körper befördert.
Ein kritisches Verhältnis zum eigenen Körper ist für Mädchen und Frauen leider nichts Neues.
Schon früher haben Mode- und Kosmetikindustrie nicht den entspannten Umgang mit dem eigenen Aussehen begünstigt. Das hat sich aber unheimlich intensiviert durch die Allgegenwart von Smartphones, sozialen Netzwerken und Werbung. Zudem wachsen Jugendliche heute damit auf, sich ständig zu fotografieren, sich also stets von aussen wahrzunehmen. Diese Selbstobjektivierung kann zu einem überkritischen Blick auf kleinste äusserliche Details führen, gerade wenn die Fotos gepostet werden.
Geht es den Jungs inzwischen nicht ähnlich?
Jungs posten etwas weniger. Von den 12- bis 19-jährigen Jugendlichen in einer unserer Studien veröffentlichen 32 Prozent der Jungs Bilder auf Instagram, gegenüber 47 Prozent der Mädchen. Wenn sie posten, ist der Körper aber auch bei ihnen ein Thema. Manche spüren den Druck, Muskeln vorzuweisen. Doch haben Jungs auch noch andere Möglichkeiten, um Status herzustellen. Sie können mit Witzigkeit auffallen, mit Sportlichkeit oder mit Markenkleidern. Bei jungen Frauen dagegen läuft leider nach wie vor alles über den Körper.
Sie beschreiben in Ihren Studien, wie der unhinterfragte Standard von Instagram-Bildern die Mädchen in ihrer natürlichen Erscheinung abwertet. Und konstatieren: «Zurzeit lassen wir die Mädchen mit diesem Thema allein.»
Ja. Wir müssen Mädchen von diesem Perfektionsdruck entlasten. Wir müssen dafür sorgen, dass sie sich mit all ihren Facetten erfahren und als wertgeschätzt erleben können. Ihnen vermitteln, dass Ecken und Kanten erwünscht sind. Auch sollen sie merken, dass sie nicht allein sind, mit ihrem latenten Gefühl, nicht zu genügen. Dazu braucht es unter anderem mehr pädagogische Massnahmen und Räume des Austauschs. Entlastend wirkt auch die kritische Auseinandersetzung mit Inhalten. Sehr gut funktionieren zum Beispiel die Bilder der australischen Komikerin Celeste Barber, die die Posen von Promis und Models imitiert. Das sieht unheimlich komisch aus und zeigt den Mädchen sofort, wie man die Inszenierungen kritisch «lesen» kann.
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Was können Eltern tun?
Auch als Eltern können wir immer wieder kritische Lesarten anbieten, indem wir etwa sagen: «Boah, dieses Bild zeigt einen Körper, der gar nicht möglich ist. Das finde ich nicht gut!» Auch sollten wir die Jugendlichen bestärken, wenn sie etwas posten, das gegen den Trend der Fröhlichkeit und der Schlankheit geht. Man könnte sie zudem ermuntern, sich mal abseits des Mainstreams umzuschauen. Ein Vorteil der sozialen Netzwerke ist ja, dass es andere Räume gibt, die etwa Body Positivity oder auch spannende queere Perspektiven vermitteln. Natürlich werden sie sich gegen alles abgrenzen, was von den Eltern kommt. Aber es bleibt immer etwas hängen.
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