Umbruch beim Nationalliga-B-MeisterHandball Stäfa baut fast ausschliesslich auf eigene Kräfte
Nach dem verlorenen Playoff-Final um den Aufstieg in die höchste Liga war die Trauer im Stäfner Lager gross. Bei den Verantwortlichen ist sie inzwischen der Entspannung gewichen.
«Am Samstag in Genf bin ich zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder mit so einer Gashupe in der Hand in der Halle gestanden, habe damit Lärm gemacht, unsere Mannschaft angefeuert und als Fan so richtig mitgelitten», schildert Christian Rieger. «Dementsprechend war ich nach dem Match, so wie die Spieler auch, enttäuscht. Jetzt, mit ein paar Tagen Abstand, sehe ich das Ganze wieder als Sportchef und muss sagen: Es entspricht der Realität von Handball Stäfa, nächste Saison weiterhin in der Nationalliga B anzutreten und nicht in der QHL.»
«Vor der Goldküste ist im Mai noch immer keine Schatulle mit Dublonen gesichtet worden.»
Freilich hätten er und seine Vorstandskollegen den Spielern den Aufstieg gegönnt und das Team in diesem Fall nach Kräften unterstützt. «Aber heutzutage braucht es ein Budget von 800’000 bis 900’000 Franken, um in der höchsten Liga zu bestehen», gibt Rieger zu bedenken. «Und selbst damit ist noch lange kein Erfolg garantiert.» Handball Stäfa sei weit davon entfernt, diese finanziellen Mittel aufzubringen. Daran habe auch die Euphorie im Umfeld, die sich in den vollbesetzten Rängen in der Frohberg-Halle an den beiden Playoff-Final-Heimspielen widerspiegelte, nichts geändert. Auf sein früheres Bonmot angesprochen, betont der Stäfner Sportchef: «Vor der Goldküste ist im Mai noch immer keine Schatulle mit Dublonen gesichtet worden.»
Die Japan-Connection ist wieder offen
Durch das Platzen des Aufstiegs-Traums steht Christian Rieger und seinen Kollegen in der Leitung des NLB-Meisters eine vergleichsweise entspannte Sommerzeit bevor. «Wenn wir uns gegen Chênois durchgesetzt hätten, hätten wir jetzt in ein paar hektischen Wochen einiges auf die Beine stellen müssen», verrät der Sportchef. Dies nur schon, um die neuen, deutlich höheren Auflagen der Handballliga im Bereich Hallentechnik und Matchorganisation zu erfüllen.
So aber könne er sich voraussichtlich darauf konzentrieren, Christian Vernier in dessen neues Amt als Teammanager einzuarbeiten. Der bisherige Kreisläufer ist bekanntermassen nicht der Einzige, der in der nächsten Saison nicht mehr als Spieler für Handball Stäfa zum Einsatz kommen wird. Zu den bereits kommunizierten Abgängen von Goalie Ramon Kusnandar und Rückraum-Regisseur Laurin Rinderknecht zu Pfadi Winterthur, Flügel Francesco Ardielli zu St. Otmar St. Gallen und Goalie Christian Amrein (Emmen) sowie zu Lukas Maags Wechsel auf die Stäfner Trainerbank gesellte sich kein weiterer Verlust. «Unser Kader für die neue Saison steht grundsätzlich, die Planung haben wir schon vor dem Playoff-Final abgeschlossen», sagt Rieger. Das heisst: Abgesehen von den ebenfalls schon bekannten Zuzügen des Torhüters Marco Wyss vom Ligakonkurrenten STV Baden sowie des routinierten Flügels Oliver Widmer vom Erstligisten TV Unterstrass suchen die Stäfner nicht mehr explizit nach weiteren Externen als Verstärkung.
Möglich sei jedoch, dass die Zusammenarbeit mit dem japanischen Club Wakunaga wieder aufgenommen werde, die während der Pandemie ausgesetzt wurde. «Ein oder zwei Rückraum-Spieler mit NLB-Niveau könnten daher noch zu uns kommen», deutet Rieger an. Spruchreif seien diese Zuzüge, die mit Mitteln ausserhalb des Stäfner Clubbudgets finanziert würden, noch lange nicht.
Generell bleibe die Vereinsleitung ihrer Philosophie treu, auf eigene Kräfte zu setzen. «In der nächsten Saison werden darum primär Spieler, die bisher eher zu Teileinsätzen gekommen sind, eine tragendere Rolle bekommen, und an ihrer Stelle rücken Junioren nach», erklärt Rieger. Zwar sei nicht geplant, dass weitere Eigengewächse formell ins NLB-Kader aufgenommen würden. Doch der Sportchef spricht von vier bis fünf Talenten auf dem Sprung, die mit dem Fanionteam trainieren, jedoch hauptsächlich in der zweiten Mannschaft in der 1. Liga auflaufen werden. Sie sollten alle versuchen, sich für Einsätze in der NLB aufzudrängen, und stünden bei Bedarf zur Verfügung, um im Fall von Absenzen Lücken zu schliessen.
Weiterhin vorne mitmischen
Ermöglicht wurde Christian Riegers relativ ruhige Saisonpause nicht zuletzt dank des Rücktritts vom Rücktritt, der kurz vor dem Playoff-Start bekannt wurde. «Dass Gulliver Stocker nun doch weitermachen kann, hat die Kaderplanung wesentlich vereinfacht», verrät Rieger. «Er ist im Rückraum auf allen Positionen einsetzbar. Und wie wertvoll er mit seiner Ruhe und Routine für das Team ist, hat man auch in den Playoff-Finalspielen immer wieder gesehen.» So sei denkbar, dass sich der 27-Jährige die Spielmacher-Position im mittleren Rückraum mit dem acht Jahre jüngeren Luc Honegger teilt. Ausserdem solle Verteidigungsspezialist Cédric Zimmermann dort vermehrt im Angriff zum Zug kommen. «Er hat das Potenzial dazu, und er hat wie viele andere im Team jetzt die Chance, sich weiterzuentwickeln», sagt Rieger. Die Gelegenheit dazu bekommen die Stäfner Spieler voraussichtlich ab Mitte Juni, wenn sie unter der Leitung des neuen Cheftrainers Lukas Maag und seines Assistenten Mike Felder das Sommertraining aufnehmen werden.
«Wir haben noch immer eine sehr gute Mannschaft.»
Für die sportliche Leitung ist zum Voraus eines klar: Auch nach dem Umbruch auf Trainerbank und Spielfeld soll Handball Stäfa zu den besten fünf Teams der Nationalliga B gehören. «Wir haben noch immer eine sehr gute Mannschaft, die das Zeug dazu hat – aber nach den vielen Veränderungen können wir auf keinen Fall erwarten, nächste Saison wieder im Playoff-Final zu stehen», kommentiert Sportchef Christian Rieger. «Das ist allen hier klar.»
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