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Meinung

Kolumne von Gülsha Adilji
Welt, are you okay?

TOPSHOT - Gold medallist Algeria's Imane Khelif poses on the podium during the medal ceremony for the women's 66kg final boxing category during the Paris 2024 Olympic Games at the Roland-Garros Stadium, in Paris on August 9, 2024. (Photo by MOHD RASFAN / AFP)
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Ich habe das Gefühl, da hat sich ganz viel Wut bei dir angestaut. Denke, da meldet sich grad ein gehässiges inneres Kind, es stampft und tobt so elendig laut, dass man es nicht mehr ignorieren kann und dringend mit einer Therapieperson mal drüber sprechen sollte. Lieb gemeint!

Empfindest du jetzt gar nicht so? Aha! Aber schau mal, Welt, statt im Schatten in der Badi-Geräuschkulisse zu dösen, bist du nur am Rumhaten. Woran ich deine seelische Schieflage festmache? Na ja, aktuell sind ja grad die Olympischen Spiele, und da könnte man einfach die Leistungen der Athletinnen und Athleten feiern, sich mit einem Campari Orange zurücklehnen und zuschauen, wie die Profis Weltrekord um Weltrekord brechen und dabei parallel auch noch Legenden produzieren (I am looking at you, Yusuf Dikeç), aber du hast es zu deiner ganz eigenen olympischen Disziplin gemacht, absolut jeden Körper der Athletinnen auf 1’889’998’897’400 Arten zu denunzieren.

Angefangen bei Objektifizierung und Übersexualisierung bis dahin, dass du einer Frau sogar absprichst, eine Frau zu sein. (ARE YOU FUCKING KIDDING ME?) Wie würdest du dich fühlen, wenn dir jemand sagen würde, dass du gar nicht aussiehst wie ein Planet, nur weil du mit 70 Prozent Wasser bedeckt bist und daher nicht dem Schönheitsideal des Sonnensystems entsprichst? Ziemlich dumm, so was zu behaupten, nicht wahr?

Und dann deine Empörung über Kamala Harris? Da hat sich also auch dein inneres wütendes Kind gemeldet und nicht nur kopflos rumgeschrien, sondern angefangen, die Wände mit seinem Windelinhalt zu tapezieren. Du kannst dich nicht genau erinnern, was da war? Mhmm. Also: Du hast dich über ihr Lachen aufgeregt und meintest, es sei verrückt. Ja, das waren deine Worte, ihre Lache sei verrückt. Mmhhmm, das war tatsächlich verrückt von DIR, so was zu sagen. Wichtig ist jetzt nur, dass wir deine Wut mal entwirren, denn was man ja schon mal deutlich erkennen kann, ist, dass deine Aggressionen vor allem Frauen als Ziel haben. Vielleicht könnte man da mal ansetzen.

Wut als Schutzmechanismus

Wut ist ja erst mal einfach eine Emotion, und wir lieben alle Emotionen gleich, denn alle Emotionen dienen einem wichtigen Zweck. Sie sind wie die Tasten auf einem Klavier, da brauchen wir ja auch alle Töne für einen Banger-Song. Wut ist unter anderem ein Schutzmechanismus, sie springt mit Pfeil und Bogen nach vorne, wenn Grenzen überschritten werden oder man ungerecht behandelt wird. Wenn wir zum Beispiel ignorieren, dass wir deine Meere überfischen oder zu viel CO₂ produzieren.

Aber es passiert auch häufig, dass Wut als Schutz hervorspringt, um eine andere Emotion zu überlagern, zum Beispiel Trauer. Das heisst, dein verletztes, trauriges Kind, das eigentlich einfach getröstet und in den Arm genommen werden möchte, wird vom wütenden Kind «beschützt». Es ist ja auch einfacher, wütend statt traurig zu sein, weil Wut im Gegensatz zu Trauer eine weniger hilflose Emotion ist. Wenn man wütend ist, kann man sexistische Kommentare schreiben und irre Behauptungen in die Welt kreischen, ist man aber traurig, braucht man jemanden, der Verständnis hat und einen Kamillentee aufsetzt, ein Gegenüber, vor dem wir unsere Schwächen zeigen können.

Hand aufs Herz, Welt, bist du eigentlich einfach ganz doll traurig, weil du Enttäuschungen nicht vollständig verarbeiten konntest? Sind es Mom-Issues, hat dir jemand das Herz gebrochen, oder war eine Lehrerin gemein zu dir, und jetzt sind alle Frauen im Kollektiv dumme Bitches? Ich habe Tee aufgesetzt und dir erst mal ein Bad eingelassen. Let’s work through this together.