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Grüner Bundesratskandidat
Gerhard Andrey wagt es – gegen jede Wahr­scheinlichkeit

Le conseiller national fribourgeois Gerhard Andrey pose apres une conference de presse, mardi 31 octobre 2023, a Fribourg. Gerhard Andrey est candidat au Conseil federal. Il l'a annonce mardi. Les Vert-e-s attaqueront un siege PLR lors du renouvellement du Conseil federal le 13 decembre. Andrey, 47 ans, a ete reelu au Conseil national le 22 octobre dernier. (KEYSTONE/Adrien Perritaz)
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Die Grünen und ihre Bundesratsambitionen: Es ist eine leidvolle Geschichte. Auch dieses Jahr. Die Grünen haben am Wochenende bekräftigt, dass sie zur Bundesratswahl antreten wollen, knapp zwei Wochen nach einer Wahlniederlage und mit unter 10 Prozent Wähleranteilen. Eine Frage aber blieb offen: Wer opfert sich? Wer ist der Erste, der sich in die Niederlage stürzt?

Die Antwort ist da: Der Freiburger Grüne Gerhard Andrey will Bundesrat werden. Der Nationalrat will es versuchen, auch wenn Mitglieder des nationalen Parlaments die Chancen eines grünen Kandidaten etwa so beschreiben: schlecht, sehr schlecht, chancenlos.

Die erste Frage, die Andrey in Freiburg vor den Medien bei der Lancierung beantworten musste, zielte dann genau auf seine Möglichkeiten. Ist das nicht eine unmögliche Mission? «Alors, regardez», setzte der Unternehmer an und sagte, dass der Ausspruch «Es ist unmöglich» nicht dazu führen dürfe, dass man es nicht wenigstens versuche. «Es braucht eine Wahl.» 

Das klang einen Moment lang sehr idealistisch, als glaube Andrey selbst nicht so recht daran, als wolle er sich für seine Partei opfern, weil sie nun endlich an der Reihe sei. 

Eloquent und zugänglich

Trotzdem ist Andreys Kandidatur keine Verzweiflungstat eines politischen Leichtgewichts. Einen wie ihn haben die Grünen kein zweites Mal in ihren Reihen. Aufgrund seines Lebenslaufs bietet er sehr vielen Bevölkerungsgruppen Anknüpfungspunkte.  

Als Bauernsohn könnte er es mit den Bauern, als gelernter Schreiner mit den Handwerkern, als studierter Holzingenieur mit Akademikern, als quer eingestiegener Informatiker mit digitalaffinen Menschen und als Mitgründer der Digitalagentur Liip mit dem Gewerbe.

Er spricht zudem Deutsch als Muttersprache und sehr gut Französisch, Wortlaut im Lebenslauf: «verhandlungssicher». Den Beweis lieferte er gleich vor Ort ab, er sprach Deutsch und Französisch – tatsächlich, man könnte ihn ohne Bedenken in Verhandlungen schicken. Auch Journalistinnen und Journalisten schätzen ihn wegen seiner Eloquenz und Zugänglichkeit.

Das klingt auf dem Papier alles sehr gut. Die Frage aber ist, ob er überhaupt eine Chance erhält. Wählt ihn zum Beispiel die SP, oder verzichtet sie darauf, weil sie Retourkutschen der bürgerlichen Parteien fürchtet?

2019 schaffte er seinen grossen Coup. Er errang den ersten Nationalratssitz für die Grünen.

In die Politik fand der 47-Jährige, von Freunden auch Geru genannt, als Quereinsteiger. Im ländlich-konservativen Freiburg machte er ab 2010 die Grünen zu einer festen Grösse, ohne dass er ein politisches Amt innehatte. Er engagierte sich zunächst im kantonalen Parteivorstand, dann im Vizepräsidium der nationalen Partei, 2019 schaffte er seinen grossen Coup. Er errang den ersten Nationalratssitz für die Grünen – auf Kosten von Jean-François Rime, SVP-Doyen im Nationalrat und Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbands. 

Doch bei den nationalen Wahlen vor zwei Wochen kam es zu einem Rückschlag. Der 47-Jährige schaffte seine Wiederwahl als Nationalrat zwar, blieb aber als Ständeratskandidat deutlich hinter seinen eigenen Erwartungen zurück. Die Freiburger Grünen büssten im nationalen Vergleich bloss 0,7 Prozent ein. Andrey wertete dies als ein respektables Resultat.  Er holte zudem am meisten Panaschierstimmen im ganzen Kanton. 

An seiner Präsentation wurde Andrey gefragt, ob sich die Aufgaben eines Bundesrats mit seinem Familienleben vereinbaren liessen. Der Freiburger hat Kinder im Alter von 13 und 16 Jahren. Er habe die Frage mit seiner Familie besprochen. Das Resultat: «Wir können das stemmen.»

Klimaschützer ohne missionarischen Eifer

Andrey setzt sich für das Klima ein. Ihm fehlt aber der missionarische Eifer, den andere Parteimitglieder mitbringen. Er ist quasi die grüne Antwort auf den oft gehörten Vorwurf der Wirtschaftsfeindlichkeit. Hörten seine Parteikollegen in den vergangenen Jahren diese Kritik, zeigten sie in seine Richtung: Stimmt ja gar nicht, schaut den Andrey an.

Dieser ist Mitbesitzer der Digitalagentur Liip, die 240 Angestellte beschäftigt und Büros in fünf Schweizer Städten betreibt. Parallel dazu sitzt Andrey im Verwaltungsrat der Alternativen Bank. Als Nationalrat setzt er sich für einen nachhaltigen Finanzplatz ein. Als die Credit Suisse im Frühling unterging, versuchte er sich als die etwas andere Bankenstimme zu positionieren.  

Andrey ist zudem im Parlament eine gefragte Auskunftsperson, wenn es um Themen der Digitalisierung geht. Er forciert die E-ID, er plädiert für mehr Cybersecurity.

Als Neu-Nationalrat hatte Andrey 2019 Mühe, sich alle Namen der 246 Parlamentarierinnen und Parlamentarier zu merken. Also lancierte er eine App namens Parlaqui, um die Gesichter den Namen zuzuordnen. 

Im Bundesrat wäre dieses Problem deutlich kleiner.