Grüne Bundesratskandidatur Nach der grossen Ankündigung zögern die grünen Hoffnungsträger
Die Grünen wollen der FDP einen Bundesratssitz abjagen. Aber wer für die Ökopartei in den Ring steigt, ist noch mehr als offen.
Sie stehen nicht gerade Schlange, die Interessentinnen und Interessenten für eine Bundesratskandidatur der Grünen. Offensiv Interesse angemeldet hat bis am Sonntagabend niemand. Und auch oft genannte mögliche Kandidatinnen und Kandidaten sagen nicht mehr, als dass sie es sich «sorgfältig überlegen» wollen. Oder man schweigt. Niemand will sich etwas verbauen, weder bei Parteifreunden noch in der Öffentlichkeit.
Das Zögern hat drei Gründe: Erstens kam der Entscheid, eine Kampfkandidatur gegen die FDP zu lancieren, selbst parteiintern am Samstag für viele überraschend. Zweitens gibt es noch keine gesicherte Strategie, welches Profil die Kandidatin oder der Kandidat für die Bundesratswahl haben soll. Und drittens ist es den meisten in der Partei klar, dass die Erfolgschancen einer grünen Kandidatur verschwindend klein sind. Wer will sich dafür verheizen lassen?
Zwei mögliche Wunschprofile
In Gesprächen mit Partei-Insidern kristallisieren sich zwei mögliche Wunschprofile für die Kandidatur heraus.
Wunschprofil Nummer eins: ein bereits bekanntes Gesicht der Partei, das den ökologischen Standpunkt herausstreichen und bei der Parteibasis punkten soll. Es wäre eine Opfer-Kandidatur. Denn die Person würde sich für die aussichtslose Wahl am 13. Dezember opfern.
Beim Wunschprofil Nummer zwei geht es darum, die Partei längerfristig für einen Bundesratssitz fit zu machen. Gewünscht sind unverbrauchtere, weniger bekannte Kräfte, die aber über die grüne Parteibasis hinaus Ausstrahlung haben. Es wäre Aufbauarbeit für diese Person.
Trede schliesst Kandidatur nicht aus
Dem ersten Profil idealtypisch zuzurechnen ist Parteipräsident Balthasar Glättli. Er hat sich aber im Interview mit der «SonntagsZeitung» bereits selbst aus dem Rennen genommen.
Fraktionschefin Aline Trede sagt, sie sei für den ganzen Auswahlprozess im Lead, darum habe eine eigene Kandidatur für sie keine Priorität. «Aber ich überlege es mir sicher nochmals ganz gut.»
Bastien Girod will in den nächsten Tagen in Familie und Partei sondieren, ob er sich zur Verfügung stellt. Girod sitzt seit 16 Jahren für den Kanton Zürich im Nationalrat. Er sagt, der Entscheid der Fraktion vom Samstag, trotz Wahlniederlage anzutreten, habe die Ausgangslage stark verändert. Girod litt am Wochenende unter einer Grippe und will dann erst «mit einem klaren Kopf» entscheiden.
Am Sonntag auf Anfragen nicht reagiert haben Maya Graf, Ständerätin aus dem Kanton Baselland, und Irène Kälin, Aargauer Nationalrätin. Beide würden ebenfalls auf Profil eins passen.
Gysin sagt ab
Breiter ist das Feld der möglichen Kandidatinnen und Kandidaten mit Profil Nummer zwei. Von diesen abgesagt hat bisher auf Anfrage erst Greta Gysin. Die Tessiner Nationalrätin konzentriert sich momentan voll und ganz auf den zweiten Wahlgang für den Ständerat.
Einer, der sich eine Kandidatur ernsthaft überlegt, ist Mathias Zopfi. Auch dem Grünen Ständerat ist bewusst, dass die Wahlaussichten gering sind. «Es geht bei der Kandidatur um etwas anderes: Sie wird aufzeigen, dass die FDP nach dieser historischen Wahlniederlage einfach ihre Pfründe verteidigt, wie wenn nichts geschehen wäre.»
Um diese Diskussion anzustossen, wünscht sich Zopfi für die Kandidatur primär eine Persönlichkeit, der man weit über die Basis der Grünen hinaus das Amt zutraut.
Das trifft zwar auf Zopfi selbst zu, der am 22. Oktober im konservativen Kanton Glarus für die Grünen den Ständeratssitz erfolgreich verteidigte. «Aber das können auch andere sein», sagt Zopfi. Er werde in den nächsten Tagen parteiintern Gespräche führen, um die Situation zu klären.
Freiburger Panaschierkönig überlegt sich Kandidatur
Ähnlich äussert sich der Freiburger Nationalrat Gerhard Andrey: «Nachdem die FDP ihr historisch schlechtestes Wahlresultat eingefahren hat und damit im Bundesrat nun noch stärker übervertreten ist, ist es legitim, dass wir in der Gesamterneuerungswahl den zweiten Sitz der Partei angreifen», sagt Andrey. «Wer das nicht anerkennt, ist nur am Machterhalt interessiert.»
Der Bauernsohn, Ingenieur und Unternehmer sitzt seit vier Jahren im Nationalrat. Am 22. Oktober war er Freiburger Panaschierkönig: Kein anderer Kandidat erhielt mehr Stimmen auf den Listen anderer Parteien.
Manuela Weichelt will in den nächsten Tagen mit Familie und Partei ernsthaft über eine Kandidatur sprechen. Die Zuger Nationalrätin mit 12-jähriger Regierungsratserfahrung sagt: «Unsere Kantonalpartei hat in einem sehr konservativen Kanton mit über 17 Prozent landesweit das beste Ergebnis gemacht und ist hier drittstärkste Kraft. Das spricht für eine Zuger Kandidatur.»
Zu den jüngeren Kräften bei den Grünen, die nicht als prononciert links angesehen werden, gehören auch die St. Galler Nationalrätin Franziska Ryser und ihre Genfer Partei- und Amtskollegin Lisa Mazzone. Die beiden antworteten am Sonntag nicht auf Anfragen dieser Redaktion.
Gut in ein überparteiliches Profil würden auch grüne Regierungsrätinnen und Regierungsräte passen: Isaac Reber im Kanton Baselland, Christine Häsler in Bern oder Martin Neukom in Zürich. Auch sie waren nicht für Stellungnahmen zu erreichen. Allerdings dürften amtierende Regierungsmitglieder ohnehin wenig Drang verspüren, sich in ein aussichtsloses Bundesratsabenteuer zu stürzen.
Wer für die Grünen ins Bundesratsrennen steigen will, muss sich bis am kommenden Freitag bei der Partei melden. Die Fraktion wird eine Woche später entscheiden, welche Kandidaturen sie der Bundesversammlung vorlegt.
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