Bundesratswahlen Angriff der Grünen setzt SP unter Druck – und nicht die FDP
Die Grünen wollen auf Kosten der FDP in den Bundesrat. Der Plan könnte jedoch zum Bumerang für das linke Lager werden.
Angriff ist die beste Verteidigung: Trotz Wahlniederlage kandidieren die Grünen für den Bundesrat. Sie wollen der FDP einen der beiden Sitze abjagen. «Die Partei muss jetzt Verantwortung übernehmen und Platz machen», sagte Grünen-Fraktionschefin Aline Trede am Samstag vor den Medien. Die FDP sei ganz klar jene Partei, die im Bundesrat übervertreten sei.
Allerdings zeigt sich FDP-Vizepräsident Andrea Caroni unbeeindruckt. «Der Angriff der Grünen überrascht mich. Sie erfüllen weder die eigene 10-Prozent-Vorgabe noch die Vorgaben der Bundesversammlung», sagt er. Die Grünen gehörten nicht zu den vier grössten Parteien, die Anrecht auf einen Sitz im Bundesrat hätten. Vor den Wahlen hatten die Grünen selbst einen Mindestwähleranteil von 10 Prozent vorausgesetzt, um für den Bundesrat zu kandidieren. Das Ziel haben sie mit 9,8 Prozent knapp verfehlt. Zudem betont Caroni, dass die Linke mit einem zusätzlichen Sitz im Bundesrat «massiv übervertreten wäre».
FDP warnt SP
Die grosse Frage ist nun, wie die SP reagiert. Vor vier Jahren, als die Grünen mit Regula Rytz antraten, unterstützten die Sozialdemokraten den Angriff der Schwesterpartei auf den Sitz von FDP-Bundesrat Ignazio Cassis. Im Unterschied zu damals muss die SP nun aber einen vakanten Sitz verteidigen, weil Alain Berset nicht mehr zur Verfügung steht. Caroni warnt bereits: «Die SP würde mit dem Feuer spielen, wenn sie die grüne Kandidatur unterstützte.»
Denn bei der Gesamterneuerungswahl im Dezember werden die Mitglieder des Bundesrats in Reihenfolge ihrer Amtsdauer gewählt. SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider ist als letzte Bisherige dran. Und ganz am Schluss folgt die Neubesetzung des Berset-Sitzes.
Würde der Angriff klappen, wäre in einem frühen Stadium der Bundesratswahlen jemand von den Grünen anstelle von Cassis oder Karin Keller-Sutter gewählt. Die FDP könnte mit der unterlegenen Person aber beim frei werdenden SP-Mandat von Berset nochmals antreten. «Die SP liefe dabei Gefahr, selbst einen Sitz zu verlieren», sagt Caroni. Bei diesem Szenario hätten SP und Grüne am Ende je einen Sitz.
SP gibt sich bedeckt
SP-Fraktionschefin Samira Marti geht auf dieses Planspiel nicht ein. «Selbstverständlich ist die rechte Mehrheit im Bundesrat ein Problem für die soziale Schweiz. Daran ändern auch die Resultate am Sonntag nichts», sagt sie auf Anfrage. «Leider spüren wir überhaupt keine Bereitschaft der bürgerlichen Parteien, daran etwas zu ändern.» Die SP sei jedoch offen für Gespräche.
Die SP macht also Mitte, FDP und SVP dafür verantwortlich, dass die Zauberformel unangetastet bleibt. Im bürgerlichen Lager wurde immer wieder betont, keine Bisherigen abwählen zu wollen. Bei der Mitte kommt hinzu, dass sie aufgrund ihres Wahlerfolgs selbst einen zweiten Bundesratssitz anvisieren könnte – nicht in diesem Jahr, sondern bei einer künftigen FDP-Vakanz. Eine grüne Bundesrätin käme dem in die Quere.
Stand heute sind die Erfolgschancen für die Grünen minimal. Das sagen hinter vorgehaltener Hand selbst Mitglieder der eigenen Fraktion. FDP-Vizepräsident Caroni sieht es ähnlich: «Es läuft darauf hinaus, dass die Grünen einen Kandidaten verheizen.»
Zusatz-PR für Mazzone?
Die Grünen haben zwar schon vor einiger Zeit eine Shortlist mit möglichen Kandidierenden erstellt. Es stellt sich jedoch die Frage, wer sich unter den aktuellen Umständen überhaupt eine Kandidatur antun will.
Dem Glarner Ständerat Mathias Zopfi etwa wird selbst ausserhalb des linken Lagers Bundesratsformat attestiert. Er überlegt sich eine Kandidatur. Der 39-Jährige könnte aber auch in ein paar Jahren noch eine Chance erhalten. Selbst Bürgerliche raten ihm, jetzt nicht anzutreten.
Ähnlich präsentiert sich die Ausgangslage bei Fraktionschefin Aline Trede, der ehemaligen Nationalratspräsidentin Irène Kälin, Nationalrat Bastien Girod oder dem Zürcher Regierungsrat Martin Neukom. Auch Lisa Mazzone ist erst 35 Jahre alt. Sie könnte eine Bundesratskandidatur jedoch nutzen, um ihre Wiederwahl als Genfer Ständerätin zu sichern. Sie muss in einen zweiten Wahlgang.
Glättli sagt ab
Weniger zu verlieren hätten ältere Grüne wie Ständerätin Maya Graf, Regierungsrat Isaac Reber (beide Basel-Land) oder die Berner Regierungsrätin und Alt-Nationalrätin Christine Häsler. Alle drei sind über 60 Jahre alt. Weniger infrage kommt der Berner Alt-Regierungsrat Bernhard Pulver, da er vor einer Woche bei den Ständeratswahlen in Bern chancenlos blieb. Eine Option wäre auch die Zuger Nationalrätin und ehemalige Regierungsrätin Manuela Weichelt.
Kein Thema ist Parteichef Balthasar Glättli, wie er im Interview mit der SonntagsZeitung selbst bestätigt: «Ich habe schon mehrfach Nein gesagt.»
Fehler gefunden?Jetzt melden.