Ticket für BundesratswahlenDas SP-Bundesrats-Karussell steht: So stehen die Chancen der sechs Kandidierenden
Cédric Wermuth und Mattea Meyer verzichten. Damit ist klar, wer aus der SP in den Bundesrat will. Zwei Männer und die einzige Frau sind im Vorteil.
Nina Schläfli bekam am Wahlsonntag überraschende SMS. Die neu gewählte Thurgauer Nationalrätin erhielt Gratulationen von Parteikollegen, mit denen sie noch nie oder schon lange nichts mehr zu tun gehabt hatte. «Überrascht war ich aber nur einen Augenblick lang», sagt sie. Dann habe sie realisiert: Drei der Gratulanten kandidieren für den Bundesrat.
Formell können Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten noch bis am Sonntag Kandidaturen einreichen. Aber alle, deren Kandidatur in den letzten Monaten ein Thema war – und das waren viele – haben inzwischen zu- oder abgesagt. Ende November entscheiden die SP-Parlamentarierinnen und -Parlamentarier, wen sie für den Bundesrat vorschlagen. 13 von ihnen sind wie Nina Schläfli neu, das ist rund ein Viertel der Bundeshausfraktion. Für die sechs Kandidierenden, die für Alain Bersets Nachfolge aspirieren, sind das entscheidende Stimmen.
Die vielen Wechsel könnten von Vorteil sein für jene Kandidaten, die in den letzten Jahren nicht im Parlament waren. Das gilt etwa für Beat Jans. Der Basler Regierungsrat war bis Ende 2020 Nationalrat und kennt nur einen Teil der alten Fraktion gut. Allerdings hat er die Unterstützung von Eric Nussbaumer, der nächstes Jahr Nationalratspräsident werden dürfte und im Bundeshaus gut vernetzt ist.
Frauen sind klar in der Mehrheit
Solche Allianzen sind wichtig. Leute, die bei anderen SP-Parlamentarierinnen und Parlamentariern für eine Kandidatur werben. Dies war eine der Schwächen von Evi Allemanns letzter Kandidatur. Die Berner Regierungsrätin hatte sich vor einem Jahr offenbar intern zu wenig gezielt Verbündete gesucht. Am Ende setzten sich innerhalb der SP die beiden Konkurrentinnen Elisabeth Baume-Schneider und Eva Herzog durch. Diesmal dürfte Allemann deutlich mehr Back-up haben.
«Das Geschlecht könnte allenfalls eine Rolle spielen: Nochmals eine Frau? Warum nicht?»
Sie ist die einzige Frau unter den sechs Kandidierenden. Die SP-Frauen haben schon im Vorfeld entschieden, dass sie eine weibliche Kandidatur unterstützen werden. Neu ist neben Tamara Funiciello auch die zweite Co-Präsidentin der SP-Frauen, Martine Docourt, im Nationalrat. Die Frauen sind in der SP-Fraktion nach den Wahlen zudem noch klarer in der Mehrheit: Aktuell sind es 29 Frauen und 18 Männer. Die Zahlen könnten sich nach den zweiten Wahlgängen im Ständerat noch leicht verändern.
Natürlich werden Frauen nicht per se Allemann wählen. Aber die neugewählte Nina Schläfli sagt etwa: «Das Geschlecht könnte allenfalls eine Rolle spielen: Nochmals eine Frau? Warum nicht?», sagt sie. Auf Evi Allemann festlegen will sie sich aber noch nicht.
Neben dem Geschlecht wird auch der Heimatkanton eine Rolle spielen. Für Evi Allemann und Matthias Aebischer ist dies ein Handicap. Beide sind Berner, genau wie der SVP-Bundesrat Albert Rösti. Noch eine Berner Vertretung im Bundesrat passt nicht allen. Gerade die Basler wurden schon bei der letzten Wahl enttäuscht und sind schon lange nicht mehr im Bundesrat vertreten. Sie dürften daher Beat Jans unterstützen.
Die Sprachregion kann Roger Nordmann schaden – oder auch nützen. Er ist der einzige Westschweizer, der kandidiert. Mit Elisabeth Baume-Schneider besetzt schon eine Romande einen SP-Sitz, der andere geht traditionell an die Deutschschweiz. Falls der frühere SP-Fraktionschef die Unterstützung der meisten Westschweizer SP-Kolleginnen und -Kollegen hätte, stünden seine Chancen gut. Das ist aber unwahrscheinlich.
Unter den Neugewählten sind viele Junge
Unter den Neugewählten sind nicht nur auffällig viele Frauen, sondern auch generell viele Junge. Das könnte Jon Pult helfen. Der 39-jährige Bündner ist mit Abstand der jüngste Kandidat. Bereits vor den Wahlen wurden Stimmen laut, die auf eine Verjüngung des Bundesrats pochten.
Luzern schickt gleich zwei neue Nationalräte nach Bern, die bei den Jungsozialisten politisiert wurden: Hasan Candan und David Roth. Mit Roth werden künftig vier ehemalige Juso-Schweiz-Präsidenten im Nationalrat sitzen. Auch Cédric Wermuth, Fabian Molina und Tamara Funiciello hatten das Amt bereits inne. Allerdings heisst eine ehemalige Juso-Verbindung noch lange nicht, dass alle dieselben Interessen vertreten. Roth will sich auch – wie viele Neugewählte – noch nicht dazu äussern, wen er im Bundesratsrennen favorisiert.
Bleibt noch Daniel Jositsch. Der Zürcher politisiert im rechten Flügel der SP und dürfte es bei prononciert Linken innerhalb der SP schwer haben. Zudem hat er schon bei der letzten Vakanz kandidiert, obwohl die SP-Spitze klargemacht hatte, dass sie eine Frau portieren wollte. Viele in der Fraktion tragen ihm das nach. Deshalb sagen einflussreiche Sozialdemokraten, seine Chancen seien gering. Käme er aufs Ticket, wäre er wohl so gut wie gewählt – weil er bei den Bürgerlichen gut ankommt.
Offen ist noch, ob die SP der Vereinigten Bundesversammlung zwei oder drei Kandidierende vorschlagen wird. Die Parteispitze zieht wohl ein Zweierticket vor, um so viel Kontrolle wie möglich über das Resultat zu haben. Gerade Daniel Jositsch – aber auch andere der kandidierenden Männer – könnten für ein Dreierticket lobbyieren. Aus der Fraktion heisst es, einzelne hätten bereits damit angefangen. Dies, weil ein Ticket-Platz an Evi Allemann gehen dürfte – und die Männer nicht nur um einen weiteren Platz buhlen wollen.
Stand jetzt scheinen Pult und Jans relativ gute Karten zu haben. Die öffentlichen Hearings – und das Lobbying für die Kandidierenden innerhalb der Fraktion – könnten die Ausgangslage in den nächsten vier Wochen aber noch ändern.
Fehler gefunden?Jetzt melden.