Energiewende erleidet RückschlägeGrüne Euphorie ist weg: Weniger Öko-Heizungen, Solaranlagen und E-Autos
Letztes Jahr wurden 30 Prozent weniger umweltfreundliche Wärmepumpen angeschafft. Der E-Auto-Verkauf ist rückläufig. Und die Solarbranche spricht von einem «erschreckenden Backlash».
![Teilnehmer einer Klimademo auf dem Bundesplatz in Bern mit Schildern wie ’Klimagerechtigkeit’ und ’Gesetzliche Verankerung’ am 06.08.2021.](https://cdn.unitycms.io/images/6JewYHJBqhj8LmFstsz_cr.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=0GMoD8Nuoy4)
Letztes Jahr sah es noch blendend aus für die Energiewende. Angetrieben von der grünen Welle, dem Ukraine-Krieg und der drohenden Gas-Mangellage, purzelten die Rekorde im Öko-Sektor nur so. Die Solarbranche verkündete gefühlt im Halbjahrestakt neue Höchststände bei den Photovoltaikanlagen. Das E-Auto war plötzlich sexy. Selbst Autofreaks alter Schule wollten auf einmal unbedingt einen Tesla. Entsprechend gingen die Verkaufszahlen bei der Elektromobilität durch die Decke.
Wärmepumpen-Branche mit rabenschwarzem Jahr
Nun ist die Euphorie auf einmal weg. Die scheinbar unaufhaltsame Erfolgsgeschichte gerät ins Wanken. Am deutlichsten ist es bei den Öko-Heizungen. Was bereits im November zu befürchten war, steht jetzt fest: Die Wärmepumpen-Branche hatte ein rabenschwarzes Jahr. Der Verkauf der umweltfreundlichen Wärmepumpen ist 2024 um 30 Prozent eingebrochen. Das zeigen die bis jetzt unveröffentlichten Jahreszahlen des Verbandes Gebäudeklima Schweiz, die dieser Zeitung vorliegen. Geschäftsleiter Marco von Wyl sagt: «Für die Branche war das letzte Jahr nicht einfach: Etliche Unternehmen mussten Mitarbeitende entlassen.»
Genau in die andere Richtung ging dafür der Trend bei den fossilen Heizungen. 2024 wurden 7320 neue Öl- und Gasheizungen verkauft. Das entspricht einer Zunahme von 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bei den für Einfamilienhäuser typischen Heizkessel-Grössen lag der Zuwachs sogar bei 34 Prozent.
Bis heute wird noch rund die Hälfte aller Wohnhäuser mit fossilen Brennstoffen geheizt und nur etwa 22 Prozent mit Wärmepumpen.
Das Wiederaufkommen der Öl- und Gasheizungen läuft den Bemühungen des Bundes und der Kantone diametral entgegen. Die Politik hat in den vergangenen Jahren viel unternommen, um von fossilen Heizungen wegzukommen.
Zum einen bekommen Hauseigentümer beim Einbau von Wärmepumpen hohe Subventionsbeiträge. Zum anderen schränkten etliche Kantone den Einbau neuer Öl- und Gasheizungen ein. Besonders streng ist der Kanton Zürich: Hier dürfen fossile Heizungen nur noch eingebaut werden, wenn für die Eigentümer ein Härtefall entstünde.
Die Heizungsbranche rätselt über die Trendumkehr: «Man kann nur mutmassen», sagt Verbandsleiter von Wyl. Ein Grund könne sein, dass nach 2022 vorerst viele Kunden unter dem Eindruck des Ukrainekriegs und der befürchteten Gasmangellage frühzeitig eine Wärmepumpe einbauen liessen.
Die Gasmangellage sei dann ausgeblieben, die Strompreise dafür teils massiv gestiegen. «Das alles verunsicherte die Kunden und führte zu einem Verkaufseinbruch», sagt von Wyl. «Dazu kamen teils missverständliche Botschaften zur Förderung von Wärmepumpen.»
Der vermeintliche Rückgang der Benzinautos
Auch das Elektroauto ist plötzlich nicht mehr so beliebt. Gemäss den diese Woche vom Bundesamt für Statistik kommunizierten Zahlen gingen die Verkäufe gegenüber dem Vorjahr um 12,5 Prozent zurück. Zuvor war der Anteil mehrere Jahre stark gestiegen. Nur ein vermeintlicher Lichtblick ist, dass laut offizieller Statistik die Verkaufszahlen der Benzin- und Dieselautos noch viel stärker sanken.
Denn die Statistik verzerrt das Bild. Denn Benzinautos und sogenannte steckerlose Hybride mit Benzinmotor werden getrennt ausgewiesen, obwohl sie fast gleich viel Sprit verbrauchen. Es seien «normale Benziner mit einem kleinen Elektromotor als Unterstützung, etwa beim Anfahren», sagt Thomas Rücker, Direktor von Auto Schweiz.
Das Prinzip dieser Hybriden: Beim Bremsen wird eine Hilfsbatterie aufgeladen. Der Spareffekt ist jedoch gering. Laut Rücker sind die CO2-Emissionen im Vergleich zu klassischen Benzinern nur fünf bis zehn Prozent tiefer.
![Ein Tesla Elektroauto wird an einer Supercharger Ladestation in Zürich aufgeladen. Foto vom 3. Juni 2021.](https://cdn.unitycms.io/images/F_O56KDOqowAQQGfiBmRvF.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=w3G89UIT_Bg)
Der entscheidende Punkt: Die Verkäufe dieser steckerlosen Hybride sind im letzten Jahr stark gestiegen. Sie haben den Rückgang der klassischen Benziner fast vollständig ausgeglichen. Rechnet man beide Kategorien zusammen, zeigt sich: Die Nachfrage der Autos, die ganz oder hauptsächlich mit Benzin angetrieben werden, blieb im Gegensatz zu den Elektroautos praktisch stabil. Ähnlich ist es bei den Dieselautos.
Im Strassenverkehr steht die Energiewende noch ganz am Anfang: Gerade mal 3,1 Prozent der Personenwagen auf Schweizer Strassen sind Elektroautos.
«Erschreckender Backlash» bei der Solarenergie
In der Solarbranche kündigt sich der Abwärtstrend etwas verzögert an. Die Zahlen für 2024 liegen noch nicht vor. Der Schweizerische Verband für Sonnenenergie Swissolar erwartet noch einmal ein gutes Ergebnis.
«Doch für 2025 rechnen wir mit einem Rückgang», sagt David Stickelberger, stellvertretender Geschäftsführer von Swissolar. «Die Installateure melden, dass für das laufende Jahr die Auftragslage spürbar schlechter ist.»
Auch hier sucht man nach möglichen Gründen: «Einerseits haben Stromkonzerne ungeschickt kommuniziert», sagt Stickelberger. Sie hätten den Eindruck erweckt, dass es im Sommer bereits zu viel Solarstrom gebe und deshalb neue Anlagen nicht mehr nötig seien. «Was natürlich nicht stimmt», sagt Stickelberger.
Ein weiterer Grund für die auf einmal schlechte Auftragslage seien die Elektrizitätswerke, die letztes Jahr für Solarstrom plötzlich deutlich weniger zahlten, so Stickelberger. Das liege daran, dass die Strommarktpreise ganz allgemein gesunken seien. Zuvor seien die Abnahmevergütungen wegen des Ukrainekriegs überdurchschnittlich hoch gewesen. Stickelberger glaubt, dass es 2026 wieder bergauf geht, weil es dann bessere Rahmenbedingungen für Solaranlagenbetreiber gibt.
Energiewende tritt in den Hintergrund
Vielleicht gibt die Zeit Stickelberger recht. Möglicherweise sind Rückschläge in der Energiewende tatsächlich nur ein Zwischentief.
Vieles deutet aber darauf hin, dass mehr dahintersteckt: Bei vielen dürfte der Ärger über die Klimakleber oder die Sorge ums eigene Portemonnaie mittlerweile grösser sein als die Bedenken wegen der Erderwärmung. Und bei so manchem dürfte sich die Ernüchterung durchgesetzt haben, dass die Handhabung eines Elektroautos doch umständlicher ist, als es oft angepriesen wurde.
Dass die Dynamik auf einmal weg ist, registriert auch der sonst auf Optimismus bedachte Solarverband: Es sei besorgniserregend, dass die Energiewende offenbar sowohl bei den Leuten wie auch in der öffentlichen Diskussion plötzlich in den Hintergrund trete, sagt Stickelberger. «Es ist ein erschreckender Backlash. Am WEF zum Beispiel war die Energiewende dieses Jahr auf einmal schlicht kein Thema mehr.»
Noch verhaltener klingt es bei den Wärmepumpen-Installateuren: «Etliche Unternehmen glauben, dass sich die Situation im aktuellen Jahr noch nicht wesentlich verbessern wird», sagt Kälteklima-Geschäftsführer von Wyl. Schwierig dürfte es laut ihm zudem werden, wenn der Bund wie geplant die Subventionen für das Gebäudeprogramm kürzt. Denn darin sind auch 200 Millionen Franken pro Jahr für die Gebäudetechnik enthalten.
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