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Verschuldung durch Plastikgeld
Grenzwertige Geschäfte mit Kreditkarten

Wer seine Kreditkartenschulden nicht bezahlt, wird bald einmal mit unangenehmen Briefen von Gläubigern eingedeckt. 
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Sie hat sich geschämt. Deshalb dauerte es lange, bis Daniela Frei (Name geändert) den Mut fand, bei einer Beratungsstelle Hilfe zu suchen. Sie lebte jahrelang «auf etwas zu grossem Fuss». Wenn das Gehalt nicht mehr ausreichte, konnte sie dank drei Kreditkarten mit Limiten von je 10’000 Franken trotzdem regelmässig ausgehen und sich kleinere wie auch grössere Reisen leisten.

Die Finanzprobleme eskalierten, als Frei ihre Stelle verlor und auf einmal das Geld fehlte, um die monatlichen Raten zu bezahlen. Später fand sie eine befristete Stelle, doch der Schuldenberg wuchs. Gleichzeitig stieg die psychische Belastung: Aus Angst vor Gläubigerbriefen fürchtete sie sich davor, abends den Briefkasten zu öffnen.

Geht es um Kreditkarten, verweisen Schuldenberatungsstellen verschiedener Kantone auf Olivia Nyffeler. Die Anwältin arbeitet unter anderem bei der Berner Schuldenberatung und hat sich vertieft mit den Formvorschriften bei Kreditkartenschulden auseinandergesetzt. Sie übt scharfe Kritik an Herausgebern von Kreditkarten. Gewiss tragen Menschen in aller Regel selbst die Verantwortung dafür, wenn sie mehr Geld ausgeben, als ihnen zur Verfügung steht. Doch laut Nyffeler nutzen verschiedene Unternehmen das nicht nur aus, sondern sie verstossen auch noch gegen rechtliche Vorschriften.

Das Konsumkreditgesetz schreibt vor, dass die Kreditfähigkeit eines Kunden oder einer Kundin summarisch geprüft werden muss, bevor eine Kreditkarte abgegeben werden darf. Dies bedeutet, dass beispielsweise ein Händler zuerst Auskunft über Einkommen und Vermögen verlangt. Weiter gehört dazu, dass Kreditkartenherausgeber bei der Informationsstelle für Konsumkredit (IKO) prüfen, ob Antragsteller bereits mit Kleinkrediten, Leasingverträgen oder weiteren Kreditkarten verschuldet sind.

Ohne Geld einkaufen

Doch das scheint gelegentlich vernachlässigt zu werden. Nyffeler verweist auf Kundenkarten von bestimmten Geschäften, die wie eine Kreditkarte funktionieren: «Häufig erhalten Kundinnen und Kunden mit ihrem Antrag, den sie in wenigen Minuten im Geschäft ausgefüllt haben, auch gleich eine Sofortkarte, die später durch eine definitive Karte ersetzt wird», sagt sie. Das ist verführerisch: Das teure Sofa oder Fernsehgerät, das man sich eigentlich nicht leisten könnte, wird auf diese Weise trotzdem gekauft.

Dabei kommt es laut Nyffeler vor, dass erstens die erwähnte summarische Prüfung vernachlässigt wird. Und zweitens fehle immer wieder der beidseitig unterzeichnete schriftliche Vertrag, der vor der Kartenabgabe vorliegen müsse und in dem die individuelle Kreditlimite ersichtlich sei.

Die Nichteinhaltung dieser Formvorschriften und die fehlende Kreditfähigkeitsprüfung haben für einige Betroffene schmerzhafte Folgen. Es führt dazu, dass verschuldete Menschen selbst bei einem tiefen Einkommen mehrere Kreditkarten mit zu hohen Limiten erhalten und einen grösseren Schuldenberg anhäufen. Daniela Frei im eingangs erwähnten Beispiel bekam zwar mit Unterstützung der Berner Schuldenberatung ihre Probleme wieder in den Griff. Doch über eine Zeit von drei Jahren musste sie ihre Ausgaben und damit auch ihren Lebensstandard drastisch einschränken.

Nyffeler untermauert ihre Kritik am Beispiel eines aktuellen Falls einer Schuldnerin, die im Besitz von drei Kreditkarten ist, die sie von Cembra Money Bank, Media-Markt und Ikea erhalten hat. Die Karten von Ikea und Cembra beantragte die Frau vor gut drei Jahren und jene von Media-Markt schon vor rund zehn Jahren. Für alle drei Karten stellte die Berner Schuldenberatung ein Gesuch um Akteneinsicht. Nach Datenschutzgesetz müssen die Kreditkartenherausgeber die vorhandenen Informationen gegenüber Schuldnern offenlegen.

Im vorliegenden Fall konnten Olivia Nyffeler weder die Akten von Cembra noch jene für die Kundenkarten von Media-Markt oder Ikea überzeugen: In keinem dieser Fälle lag ein schriftlicher Vertrag vor. Überall fehlte die individuelle Kreditlimite. Weiter stellte Nyffeler Mängel in der Kreditfähigkeitsprüfung fest – so sei beispielsweise die gesetzlich vorgeschriebene Nachfrage bei der IKO nirgends dokumentiert. In Einzelfällen kommen weitere Mängel hinzu wie fehlende Vertragsmodalitäten oder Verzicht auf Angabe des Zinssatzes.

Anbieter weisen die Kritik zurück

Cembra, Ikea und Media-Markt weisen die Kritik zurück. Ikea und Media-Markt teilen zudem mit, dass sie die Kreditkarten nur vermittelt haben. Die Verantwortung für eine korrekte Überprüfung liege weitgehend bei der Kartenherausgeberin. Im vorliegenden Fall war das sowohl bei Ikea wie auch bei Media-Markt die Accarda. Dieses Tochterunternehmen ist inzwischen in die Viseca integriert und zu Teilen auch verkauft worden.

Die Viseca will heute keine Stellung mehr zu Kreditkarten beziehen, welche die Accarda vor drei Jahren herausgegeben hat. Cembra wie auch Viseca betonen jedoch, dass sie die gesetzlichen Vorgaben konsequent einhalten und auch zu gemeinsamen Lösungen Hand bieten, wenn Kunden ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können.

Aufgrund von Mängeln bei der Abgabe der Kreditkarte konnten weder Swisscard noch das Inkassobüro die Forderung durchsetzen.

In einem weiteren Fall, der Olivia Nyffeler vorliegt, geht es um einen Mann, der von der Swisscard AECS zwei Kreditkarten erhalten hat und die Schulden nicht mehr bezahlen kann. Wie Nyffeler und der Betroffene erzählen, trat Swisscard den Fall an ein Inkassobüro ab. Doch aufgrund von Mängeln bei der Abgabe der Kreditkarte konnten weder Swisscard noch das Inkassobüro die Forderung durchsetzen. Der Betreibungsregisterauszug erschwerte allerdings dem Betroffenen die Stellensuche. Auch Swisscard betont, sich an die gesetzlichen Vorgaben zu halten. Zum konkreten Fall will das Unternehmen aber keine Auskunft geben.

Nyffeler stellt schliesslich fest, dass Kartenherausgeber ihre Praxis laufend anpassen und möglicherweise inzwischen verbessert haben. Und da Kreditkarten bei der Schuldensanierung eine untergeordnete Rolle spielen, prüft Nyffeler nur wenige Fälle. Aktuell liegen ihr sieben Fälle vor. Aufgrund der tiefen Zahl ist es schwierig, abzuschätzen, wie weit verbreitet solche Verstösse im Zusammenhang mit Kreditkarten sind.