Reparaturen nach ZugentgleisungArbeiten im Gotthard-Basistunnel auf Kurs – zahlen sollen die Versicherungen
Der Gotthard-Basistunnel soll ab September wieder befahrbar sein. 6500 Tonnen Beton wurden weggefräst. Vorerst müssen die SBB für alle Kosten aufkommen.
Mehr als neun Monate nach der Entgleisung eines Güterzuges in der Multifunktionsstelle Faido TI erinnert dort nur noch wenig an das Unglück, bei dem ein Schaden von 130 Millionen Franken entstanden war. Das Gleis ist wieder vorhanden, der Baulärm hält sich in Grenzen. Es seien noch immer rund 80 Bauarbeiter im Einsatz, sagt Tom Gut, Leiter Region Süd der SBB Infrastruktur, am Freitag bei einem Medienrundgang durch die Multifunktionsstelle. Derzeit sei der Einbau eines neuen Spurwechseltors im Gang.
Der Gotthard-Basistunnel besteht aus zwei Tunnelröhren. In der Multifunktionsstelle Faido, die auch eine Nothaltestelle ist, können die Züge die Röhren wechseln. Im Normalfall wird dieser Durchgang aber durch das Spurwechseltor verschlossen. So kann bei einem allfälligen Brand kein Rauch von einer Röhre in die andere gelangen.
10 Tonnen schweres Tor
Nach der Entgleisung wurde der Durchgang durch ein Provisorium verschlossen, sodass der Tunnel mit Einschränkungen betrieben werden kann. Der Ersatz des sieben Meter hohen, vier Meter breiten, über vierzig Zentimeter dicken und zehn Tonnen schweren Stahltores war eine Herausforderung.
Das neue Spurwechseltor, eine Einzelanfertigung, musste eigens hergestellt werden. Die Lieferfristen für die einzelnen Teile dauerten Monate. Die SBB zogen daraus auch Lehren. Für gewisse Teile sei ein Lager gebildet worden, sagte Gut. So könne bei einer künftigen Reparatur schneller reagiert werden.
Das Spurwechseltor war bei der Entgleisung am 10. August 2023 von einem Güterwagen teilweise durchschlagen worden. Dies war aber nicht der einzige grosse Schaden. Der Wagen, dessen Rad brach und die Entgleisung verursachte, beschädigte auch die Gleisanlage auf einer Länge von sieben Kilometern.
Wie beim Spurwechseltor habe man auch beim Ersatz dieser festen Fahrbahn noch keine Erfahrung gehabt, sagt Gut. Um die Gleisanlage zu erneuern, seien 6500 Tonnen Beton weggefräst worden. Zudem hätten 20’000 Schwellenblöcke ersetzt werden müssen.
Tunnel wird gereinigt
Die Arbeiten am Gleis sind weitgehend abgeschlossen, jene am Spurwechseltor sollen im Juni beendet werden. Danach stehen weitere Arbeiten an. Diese betreffen etwa die Bahntechnik, die Beleuchtung und die Brandsensoren. Zudem wird der Tunnel von Feinstaub gereinigt.
Der reparierte Tunnel muss zudem mit Testfahrten auf Herz und Nieren geprüft werden. Nachdem das Bundesamt für Verkehr die Anlage abgenommen hat, folgt vor der offiziellen Inbetriebnahme ein Probebetrieb, bei dem auch kommerzielle Züge eingesetzt werden.
Wenn der Gotthard-Basistunnel im September wieder vollständig in Betrieb gehe, könne sie im Fernverkehr auch den vollständigen Halbstundentakt zwischen der Deutschschweiz und dem Tessin anbieten, teilten die SBB mit.
Hohe Kosten ausserhalb des Tunnels
Das Unternehmen rechnet wegen des Unfalls mit Kosten von bis zu 130 Millionen Franken. Das neue Spurwechseltor ist dabei bei weitem nicht der grösste Kostenblock. Die Einzelanfertigung kostete «lediglich» rund drei Millionen Franken. Für die gesamten Reparaturarbeiten im Tunnel müssen hingegen rund 60 Millionen Franken müssen ausgegeben werden. Bei den restlichen Kosten handelt es sich gewissermassen um Zusätze, wie von Gianluca Fontana, dem Verantwortlichen bei den SBB für die Sanierung, zu erfahren ist.
Sie fallen beispielsweise für den Ersatzverkehr über die Gotthard-Bergstrecke an, etwa für Weichen, die wieder in Betrieb genommen werden mussten. Ins Geld gehen auch die längeren Fahrzeiten für die Lokführer auf der Bergstrecke. Zudem mussten neue Sicherheitskonzepte erstellt werden, weil der Tunnel bisher nur teilweise wieder in Betrieb genommen werden konnte.
In erster Linie kommt die Versicherung der SBB für die Kosten auf. Diese ist wiederum von einer Rückversicherung abgesichert. Die Abwicklung aber könne noch eine Weile dauern, wie es von den Verantwortlichen heisst. Erst einmal sei die Priorität gewesen, den Tunnel möglichst schnell wieder in Betrieb nehmen zu können.
Untersuchung noch nicht abgeschlossen
Mit dem Abschlussbericht der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle Sust zur Unfallursache wird sich zeigen, ob allenfalls eine externe Partei in Regress genommen werden kann. Mit diesem wird im Herbst gerechnet. Klar ist bereits aus dem Zwischenbericht, dass die Infrastruktur im Tunnel selbst keine Ursache für den Unfall war. Entsprechend wurden dort auch keine Veränderungen vorgenommen, wie die Verantwortlichen ausführen.
In ihrem Zwischenbericht hat die Sust die Empfehlung ausgegeben, den Radtyp, dessen Bruch den Unfall verursachte, genauer unter die Lupe zu nehmen und häufiger zu kontrollieren. Noch ist nicht klar, ob der Radbruch am Güterwagen hätte verhindert werden können.
Gianluca Fontana, dem Leiter der Reparaturen, sind die intensiven letzten Monate anzusehen. Es dauerte eine Weile, bis alle Arbeiter eingespielt gewesen seien. Sie seien normalerweise über der Erde tätig und nicht gewohnt, so lange Zeit unter der Erdoberfläche in einem Tunnel zu verbringen. Ihre Erfahrungen sollten dokumentiert werden, um ihre Nachfolger nach einem vergleichbaren Unfall zu unterstützen, sagt er.
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