Internationaler Steuerwettbewerb Globale Mindeststeuer: Bundesrat unter Zugzwang
Die tiefen Unternehmenssteuern sind ein wichtiger Faktor für die Standortattraktivität der Schweiz. Diese sollen für Konzerne nun rasch angehoben werden. Mit weitreichenden Folgen.
Der Zeitdruck ist gross: Die OECD will auf Anfang 2024 für Grosskonzerne eine Mindeststeuer von 15 Prozent einführen. 137 Staaten – darunter auch die Schweiz – unterstützen das Vorhaben. Damit soll unter anderem der Praxis international tätiger Konzerne entgegengetreten werden, die ihre Finanzen optimieren, indem sie Erträge in steuergünstige Länder verschieben.
Nun hat der Bundesrat das Vorhaben in die Vernehmlassung geschickt. Geplant ist, die parlamentarische Beratung bis Ende Jahr abzuschliessen. Mitte 2023 soll das Stimmvolk über eine Verfassungsänderung entscheiden. Um rechtzeitig parat zu sein, will der Bundesrat anschliessend in einem ersten Schritt rasch per Verordnung die notwendige Rechtsgrundlage schaffen. Die Gesetze sollen später in Kraft treten, nachdem sie den ordentlichen Weg im Parlament durchlaufen haben.
Mehrheit der Kantone betroffen
Mit der Verfassungsänderung soll unter anderem die rechtliche Grundlage für eine steuerliche Ungleichbehandlung geschaffen werden: Denn die Mindeststeuer betrifft nur Unternehmen mit einem weltweiten Umsatz von mindestens 750 Millionen Euro.
Zudem wird die Reform viele Kantone beschäftigen. In rund zwei Dritteln aller Kantone liegt der Gewinnsteuersatz für Firmen unter der OECD-Mindestvorgabe von 15 Prozent. In einem weiteren Schritt sieht die Reform vor, dass Grosskonzerne mit einem Umsatz von mindestens 20 Milliarden Euro auch in Ländern Steuern bezahlen, wo sie zwar physisch kaum präsent sind, aber Umsatz erzielen.
Neu sollen die betroffenen Unternehmensgruppen eine Ergänzungssteuer bezahlen – das ist die Differenz zwischen kantonalen Steuersätzen und dem Mindestsatz von 15 Prozent. Daraus resultieren Mehreinnahmen von 1 bis 2,5 Milliarden Franken, welche die Kantone erhalten sollen.
Umstrittene Standortmassnahmen
Neben weiteren Faktoren tragen die vergleichsweise tiefen Gewinnsteuersätze im internationalen Wettbewerb zur Standortattraktivität der Schweiz bei, während das vergleichsweise hohe Lohnniveau die Betriebskosten verteuert. Steigen die Steuern, könnte sich die Verlagerung in Billiglohnländer beschleunigen. Zur Diskussion steht deshalb, dass die Kantone die zusätzlichen Einnahmen verwenden, um die Standortattraktivität anderweitig zu erhöhen. Denkbar wären beispielsweise Förderbeiträge für Forschung und Entwicklung.
Welche Massnahmen ergriffen werden, ist noch offen und auch umstritten. SP-Co-Präsident Cédric Wermuth hat bereits klar zum Ausdruck gebracht, dass die Linke nicht mitmacht, wenn Mehreinnahmen in die Konzernzentralen zurückfliessen. Denn die SP akzeptiere keine Vorlage, die den kantonalen Steuerwettbewerb weiter antreibe «und Steuerdumping als Businessmodell zementiert».
Bei Volksabstimmungen hatten Steuervorlagen in den vergangenen Jahren einen schweren Stand. Auch die Vorlage zur Mindeststeuer hat eine gewisse Komplexität und betrifft nicht direkt die natürlichen Personen und damit die Steuerpflichtigen, die an der Urne darüber entscheiden werden. Bundesrat und Wirtschaft werden also gefordert sein, gut zu vermitteln.
Was bei einem Nein droht
Bei einem Nein könnten andere Staaten die zusätzlichen Steuereinnahmen abgreifen – die zusätzlichen Erträge würden also ins Ausland abfliessen. Zudem müssten die betroffenen Konzerne einerseits die ordentliche Steuer in der Schweiz und die Ergänzungssteuer in anderen Ländern abrechnen. Das würde die Verfahren verkomplizieren und zusätzlichen administrativen Aufwand nach sich ziehen. Davor graust den betroffenen Unternehmen, weshalb sie trotz höherer Steuerbelastung eine rasche Umsetzung der Reform befürworten.
Viele Auswirkungen sind noch unklar. So ist beispielsweise noch schwer abschätzbar, welche Folgen diese Reform für einzelne Kantone hat. Möglicherweise beeinflusst sie den interkantonalen Steuerwettbewerb. Denn Kantone mit sehr tiefen Gewinnsteuersätzen von deutlich unter 15 Prozent, wie beispielsweise Zug, Nidwalden oder Luzern, verlieren einen wichtigen Trumpf, wenn es um Grosskonzerne geht. Kantone mit etwas höherer Steuerbelastung werden bei Standortentscheiden womöglich häufiger in die engere Wahl einbezogen.
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