Beziehungen Europa – USAWird Giorgia Meloni zur Brückenbauerin?
Sich zwischen den USA und Europa entscheiden zu müssen, sei kindisch, findet die italienische Regierungschefin. Sie wirbt um Verständnis für Trump und will noch vor Ostern bei ihm vorgelassen werden.

- Es ist bekannt, dass Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni Donald Trump inhaltlich nahesteht.
- In einem Interview mit der «Financial Times» warb sie um Verständnis für den US-Präsidenten, dessen Kritik sich ja nicht gegen die «Menschen in Europa» richte.
- Zugleich sieht sie die Gefahren der Aussen- und Wirtschaftspolitik für Europa – und will jetzt Brücken bauen.
Matteo Salvini war in seinem Element. Der mehrfach verschobene Parteitag der Lega in Florenz wurde zum Triumph: Der Rechtspopulist wurde bis 2029 wiedergewählt, er war der einzige Kandidat. Salvini ist seit 2013 im Amt, er hat aus der Regionalpartei, deren Programm die Unabhängigkeit des wohlhabenden Nordens von Restitalien war, eine gesamtitalienische Bewegung gemacht, die sogar mal die grösste italienische Partei war, ehe Salvini auf Neuwahlen setzte und die Lega auf jetzt gut acht Prozent abstürzte.
Damit ist sie Juniorpartnerin in der Regierungskoalition ebenso wie die etwa gleich grosse Berlusconi-Partei Forza Italia, die von Aussenminister Antonio Tajani geführt wird. Die Fratelli d’Italia von Regierungschefin Giorgia Meloni sind mit stabilen knapp 30 Prozent der Konkurrenz weit enteilt. Das hält Salvini, Vizeregierungschef wie Tajani, nicht davon ab, die lauteste Stimme im italienischen Politikzirkus zu sein.
In Florenz beherrschte Salvini die Bühne
In Florenz moderierte er persönlich die Videocalls mit zahlreichen rechten Gästen von Le Pen bis Elon Musk. Musks Auftritt war insofern einigermassen erstaunlich, als er eigentlich der persönliche Freund von Salvinis Rivalin Meloni ist, die aber in den vergangenen Wochen vergleichsweise unsichtbar geblieben ist. Ihre Anhänger sprechen davon, dass sich die Römerin angesichts der weltweiten Turbulenzen im reflektierenden «Zen-Modus» befinde, ihre Kritiker höhnen, sie sei ratlos, wie sie sich gegenüber dem ausser Rand und Band geratenen Amerikaner verhalten solle. Es ist bekannt, dass sie Trump und Musk inhaltlich nahesteht. Zugleich sieht sie natürlich die Gefahren der Aussen- und Wirtschaftspolitik für Europa und speziell auch für die drittgrösste EU-Volkswirtschaft Italien.
Deshalb bleibt sie auch fest im EU-Lager, stimmt sich eng mit Brüssel ab und vermeidet verbale Ausfälle gegen Europa. Diese wiederum sind Salvini ein besonderes Anliegen, in Florenz schlug er vor, «die Kettensäge von Milei gegen Brüssel einzusetzen»; dieses Bild hat der ultrakapitalistische argentinische Präsident im Wahlkampf geprägt.
Meloni ist auf einem Mittelweg unterwegs
Meloni äussert sich dazu öffentlich nicht, nach Medienberichten ist sie reichlich genervt. Sie ist auf einem Mittelweg unterwegs – ohne dass sie bisher Erfolge vorzuweisen hätte. Ihr Scoop im Januar, als sie den damals erst designierten Präsidenten in Mar-a-Lago besuchte, blieb ohne Wirkung. Trump lobte die Italienerin damals in höchsten Tönen, ohne dass das aber Italien eine Vorzugsbehandlung eingebracht hätte, überhaupt zeigte das Weisse Haus Meloni zuletzt die kalte Schulter. Nach Medienberichten kämpft sie hart darum, noch vor Ostern wieder zu Trump vorgelassen zu werden, noch bevor dessen Vize J. D. Vance, ein zum Katholizismus konvertierter Christ, nach Rom und zur Ostermesse kommt.
Nach dessen jüngsten Auftritten kann man erwarten, dass der rabiate Vize den Italienern brutal offen erklärt, was Washington von ihnen erwartet. Salvini hat bereits mit Vance telefoniert und ihn seiner Bewunderung versichert.
Im überhaupt ersten Interview mit einem ausländischen Medium hat Meloni vergangene Woche der «Financial Times» einige Sätze gesagt, die man als Absetzbewegung von der gemeinsamen europäischen Linie sehen kann, wie sie Frankreich und Grossbritannien vorgeben. Sie warb um Verständnis für Trump, dessen Kritik sich ja nicht gegen die «Menschen in Europa» richte, sondern gegen die «herrschende Klasse». Im Übrigen seien Protektionismus und Zölle nicht von Trump erfunden worden.
Italiens Regierung diskutiert, keine Gegenzölle zu erheben
Die Idee, sich zwischen den USA und Europa entscheiden zu müssen, sei «kindisch». Sie selbst wolle Brücken bauen: «Wenn es etwas gibt, was Italien tun kann, um eine Konfrontation zu vermeiden, werde ich das tun.» In der italienischen Regierung wird sehr ernsthaft der Ansatz diskutiert, auf Trumps Zolloffensive verhalten oder gar nicht zu reagieren und eben keine Gegenzölle zu erheben.
Die italienische Opposition wiederum ist sich wie üblich nur einig in ihrer Kritik an Meloni und den Rechten, ansonsten aber selbst gründlich unterschiedlicher Meinung. Dabei geht es vor allem auch um die europäischen Aufrüstungspläne. Schon der ursprüngliche Titel «Re-Arm Europe» ist vielen Linken ein Graus, selbst innerhalb der grössten Oppositionspartei, dem sozialdemokratischen Partito Democratico, gibt es zwei Lager. Parteichefin und Oppositionsführerin Elly Schlein hat ihre Vorbehalte gegen den Mehrheitskurs in Europa. Und die linkspopulistische 5-Sterne-Partei des früheren Ministerpräsidenten Giuseppe Conte hat am Wochenende in Rom Hunderttausende auf die Strasse gebracht und gegen die europäische Aufrüstung demonstriert.
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