Nutzlose Corona-MassnahmeGesundheitsamt verschwieg Zahlen zu umstrittener Reisequarantäne
Die Wirkung der Reisequarantäne ist zweifelhaft. Das Bundesamt für Gesundheit weiss seit längerem von entsprechenden Daten, stritt dies aber selbst auf Nachfrage noch ab.
Der Hinweis kam aus einer kantonalen Verwaltung: Nur ein Prozent aller Menschen, die sich in Quarantäne befänden, würden an Covid-19 erkranken. Als diese Redaktion am 24. September die Bundesbehörden damit konfrontierte, antwortete das federführende Bundesamt für Gesundheit (BAG): «Wir haben keine Zahlen dazu.» Mit Verweis auf diese Antwort liess das Bundesamt auch die Frage offen, ob die Quarantäne als Instrument zur Eindämmung der Pandemie weiterhin zu rechtfertigen sei.
Inzwischen ist klar geworden: Bereits damals wusste das Bundesamt von Daten, die den Nutzen dieser Massnahme quantifizierten, Kritiker sagen: als praktisch wirkungslos entlarvten. Am 17. September, also eine Woche vor der Anfrage, hatte das Bundesamt mit Kantonsärzten über die Reisequarantäne diskutiert, in die sich seit Juli Zehntausende von Schweizern nach einer Reise in ein Risikoland begeben mussten. Ein Kanton rechnete vor, 0,4 Prozent der Personen, die zwischen dem 2. Juli und dem 2. September dieser behördlichen Anordnung Folge leisten mussten, seien tatsächlich Corona-Fälle gewesen.
Das BAG habe die Zahlen ebenfalls geprüft und sei auf einen leicht höheren Wert von gut 0,8 Prozent gekommen, schreibt die «NZZ am Sonntag», die diese Zahlen am Wochenende publik gemacht hat (Link zur Meldung), gestützt auf ein internes Protokoll des BAG.
«Es war nicht unsere Absicht, der Öffentlichkeit etwas vorzuenthalten.»
Das Bundesamt hatte also Kenntnis von den erwähnten Daten, als es am 24. September versicherte, keine Zahlen zur Wirkung der Quarantäne zu haben. Warum hat es dies getan? Wollte es die Bevölkerung über eine relevante Information im Dunkeln lassen? Das BAG bezeichnet den Wert von 0,8 Prozent als Schätzung, die dank einer «sehr überschlagsmässigen Plausibilisierung» zustande gekommen sei. Sie basiere auf unvollständigen Informationen und erlaube daher keine «solide Aussage». «Es war nicht unsere Absicht, der Öffentlichkeit etwas vorzuenthalten», sagt BAG-Sprecher Yann Hulmann.
Warum das Bundesamt an der Reisequarantäne festgehalten hat, geht aus dem Sitzungsprotokoll vom 17. September hervor, das dieser Zeitung vorliegt. Laut BAG gibt es bei der Beurteilung zwei Seiten: «die evidenzbasierte Effizienz/Wirksamkeit und das politische und psychologische Ziel/Effekt. Es war eher eine politische Entscheidung.» Das BAG wertet die Reisequarantäne als Erfolg, weil die Reisetätigkeit in Risikoländer «als Reaktion auf die Quarantänepflicht abnahm».
Ständeratspräsident mahnt
Ausgestanden ist der Fall für das Bundesamt damit aber nicht. Wenn nächste Woche die Gesundheitskommission des Ständerats tagt, wird sich Berset wohl erklären müssen. «Ich erwarte Aufklärung», sagt Kommissionsmitglied Damian Müller (FDP). Er selber habe die Erfahrung gemacht, dass das Departement Berset auf kritische Fragen gezielt ausweiche oder jeweils vage antworte, etwa bei der Erarbeitung der Corona-App-Gesetzgebung.
Ständeratspräsident Hans Stöckli (SP) seinerseits mahnt: «Transparente und wahrhafte Informationen sind die Grundlage für das Vertrauensverhältnis zwischen der Bevölkerung und den Behörden.» Regelmässige Aussprachen mit den Verantwortlichen seien deshalb nötig, so auch in diesem Fall. Und FDP-Ständerat Andrea Caroni hat eine Interpellation angekündigt. Er will wissen, warum der Bundesrat solange an der Reisequarantäne festhielt.
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