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Bund hat um den geringen Effekt der Reisequarantäne gewusst

Die Reisequarantäne hat in der Schweiz kaum Wirkung gezeigt.
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Am 6. Juli entschied das Bundesamt für Gesundheit (BAG), eine Reisequarantäne zu verhängen. Wer aus einem Risikogebiet in die Schweiz einreiste, musste sich für zehn Tage in Quarantäne begeben. Als Risikogebiet galten Länder mit einem Inzidenzwert von über 60 – sprich mehr als 60 Ansteckungen auf 100’000 Personen gerechnet in den letzten 14 Tagen.

Wie die «NZZ am Sonntag» (Bezahlartikel) berichtet, hat die Reisequarantäne kaum etwas zur Eindämmung der Pandemie beigetragen. Der Zürcher Zeitung liegen Sitzungsprotokolle der regelmässigen Treffen zwischen Kantonsärzten und dem BAG vor.

In einem dieser Protokolle vom 17. September hat ein Kanton aufgrund von Daten mehrerer Kantone berechnet, dass gerade einmal 0,4 Prozent derjenigen Personen, die in Reisequarantäne geschickt wurden, auch tatsächlich am Coronavirus erkrankten. Der untersuchte Zeitraum erstreckte sich vom 2. Juli bis zum 2. September. Das BAG selbst errechnete einen Wert von 0,87 Prozent.

«In die Grundrechte eingegriffen»

Anders ausgedrückt: Von hundert Personen, die der Bund in Reisequarantäne stellte, hatte gerade mal knapp eine Person das Coronavirus eingefangen. Alle anderen waren zehn Tage grundlos zuhause eingesperrt. Andrea Caroni, FDP-Ständerat aus dem Kanton Appenzell Ausserrhoden, war von Beginn weg ein scharfer Kritiker der Reisequarantäne. Er findet das Vorgehen des BAG «skandalös»: «Offensichtlich hat der Bund hier ganz willkürlich in die Grundrechte der Einwohner dieses Landes eingegriffen», sagt er.

Ähnlich klingt es beim wirtschaftsnahen Thinktank Avenir Suisse: «Hier wurde im Sommer enorm viel Leid und Schaden verursacht für einen minimalen Nutzen», sagt Forschungsleiter Jürg Müller gegenüber der «NZZ am Sonntag». Müller verweist darauf, dass Betroffene nicht arbeiten konnten oder um ihre Freizeit geprellt wurden.

Zudem stellt die Avenir Suisse den Aufwand, den der Staat betreiben musste, um die Reisequarantäne zu überwachen und durchzusetzen, infrage: «Diese Ressourcen hätte man besser für andere Vorbereitungsarbeiten für die zweite Welle verwendet», findet Müller.

«Eher eine politische Entscheidung»

Das BAG verteidigte schon im September den Entscheid. Aus den Sitzungsprotokollen der «NZZ» geht hervor, dass es dem BAG gar nicht primär um die unmittelbare Eindämmung des Virus ging – sondern um Abschreckung: «Die Reisequarantäne hat insbesondere auch den Effekt, dass die Menschen weniger reisen und weniger in Risikogebiete reisen», steht im Protokoll. Und weiter: «Die nicht unternommenen Reisen kann man aber nicht messen.» Das BAG räumt im selben Protokoll ein: Die Reisequarantäne «war eine eher politische Entscheidung».

Auch heute steht das BAG hinter dem Beschluss. Auf Anfrage der «NZZ am Sonntag» schreibt das Bundesamt: «Aus Sicht des BAG haben die Massnahmen ihre Wirkung erreicht, indem die Reisetätigkeit in Risikoländer als Reaktion auf die Quarantänepflicht abnahm.» Der Erfolg lasse sich aber nicht messen; man wisse nicht, wie sich die Reisetätigkeit ohne Quarantäne entwickelt hätte.

Am vergangenen Mittwoch hat das BAG die Bestimmungen angepasst (Lesen Sie dazu: Bund stuft nur noch vier Länder als Risikogebiete ein). Neu müssen nur noch Reisende in Quarantäne, die aus Ländern einreisen, die eine Inzidenz haben, die 60 über derjenigen der Schweiz liegt. Das sind aktuell gerade noch sieben Staaten und Gebiete.

red