Parmigiano ReggianoGereift, gelagert, geliebt – und gefälscht
Weil immer mehr Billigkopien kursieren, sollen künftig winzige Tracking-Chips die exklusiven Käseräder schützen. Doch was passiert, wenn man sich mal einen solchen Chip auf die Pasta reibt?
Um zu verstehen, was bei diesem harten Käse auf dem Spiel steht, muss man weit zurückgehen in seine 1000-jährige Geschichte. In die Zeit der Benediktinermönche, die sich auf der Suche nach einem lang haltbaren Lebensmittel daranmachten, einen salzigen Käse zu grossen runden Laiben zu formen.
Oder in die Literatur des Florentiner Schriftstellers Giovanni Boccaccio, der sich in seiner Novellensammlung «Il Decamerone» Mitte des 14. Jahrhunderts sein eigenes Bild vom Schlaraffenland machte. Er vermutete einen «Berg aus geriebenem Parmesankäse, auf dem Menschen stünden, die nichts anderes machten als Makkaroni und Eierklösse, die sie in Kapaunenbrühe kochten und dann den Berg hinunterkullern liessen, und wer unten die meisten auffinge, der hätte die meisten».
Ein Leben ohne Parmigiano im Haus? Sinnlos
Der Parmigiano ist also immer schon mehr gewesen als ein zerbröselter oder geriebener Hartkäse, der in der Pizzeria in kleinen Töpfchen zur Pasta gereicht wird. Er gehört zum italienischen Haushalt wie der 50er-Karton Spaghetti im Keller. Ein Leben ohne mindestens einen grossen Klumpen Parmigiano im Hause, von dem man täglich ein Stück herunterhobelt, um den Brocken dann zu kleinen Flocken zu zerreiben? Absolut sinnlos.
Wenn es so etwas gibt wie einen Formaggio nazionale, einen in eine runde Form gegossenen Nationalkäse, dann ist er es: der Parmigiano Reggiano, wie er im Original heisst. Mindestens 40 Kilogramm schwer, hergestellt aus an die 500 Litern Milch, 24 bis 36 Monate gereift, Preis pro Rad, je nachdem, ab 700 und 800 Euro aufwärts.
Da der echte Reggiano allerdings nur in einer klar definierten Gegend um Parma und Bologna herum hergestellt werden darf (sonst ist es halt irgendwas, nur kein Parmigiano Reggiano), konnte man sich immer schon die Frage stellen: Wo kommen eigentlich all die vielen seltsam riechenden Käsepulver mit ihren zweifelhaften Zutaten und Aromastoffen her, die es überall auf der Welt zu kaufen gibt und auf denen ernsthaft «Parmigiano» steht? Oder die vielen in Plastikfolie verpackten kleinen Käsedreiecke, die manchmal etwas zu gelblich leuchten?
Mit dem echten Reggiano wurden im vergangenen Jahr 2,7 Milliarden Euro umgesetzt, 2020 waren es noch 2,35 Milliarden. Der echte, der Jahrhunderte alte Parmesan ist also ein Wachstumsmarkt. Das wissen auch die Kopisten, und so wurde mit gefälschtem Parmesan und billigen Kopien zuletzt geschätzt an die zwei Milliarden Euro umgesetzt – ein lukrativer Schwarzmarkt im Schatten des italienischen Originals. Schon seit einigen Jahren hat der Verband der Parmigiano-Reggiano-Hersteller daher versucht, seine grossen Laibe mit Seriennummern zu schützen.
Die Lösung: Ein Chip, kleiner als Reiskörner
Jetzt setzen die Parmigiano-Macher auf einen neuen, digitalen Kopierschutz für ihre grossen Käselaibe: Mithilfe eines Tracking-Chips, der in die Rinde der Käselaibe eingesetzt wird, sollen die runden Spezialitäten aus Parma digital erfassbar und auch verfolgbar sein.
Das Schlaraffenland wird also technisch aufgerüstet, an die 700 Jahre nach Giovanni Boccaccios «Decamerone». Das Käse-Konsortium teilt dazu mit, dass die neue Parmesan-Technologie «lebensmitteltaugliche Kasein-Labels mit einem P-Chip-Transponder» kombiniere. Vor allem – und das ist natürlich wichtig, weil es ja ums Essen geht: Wer einen solchen Käse kauft und ihn verzehrt, soll von all dem nichts mitkriegen. Der scanbare Chip sei lebensmittelecht, «kleiner als ein Salzkorn» und sehr «langlebig». Das sollten sie wohl auch sein, so ein gereifter Parmigiano Reggiano ist ja auch keine leicht verderbliche Ware.
Erst einmal sollen in einer Testphase 100'000 Käse mit dem neuen, digitalen Tracking-Reiskorn ausgerüstet werden. Wenn es funktioniert, dann wird es echten Parmigiano künftig wohl nur noch mit Chip geben, als Hightech-Käse sozusagen. Die Frage ist nun: Was passiert, wenn man sich mal einen solchen Chip auf die Pasta reibt? Sollte eigentlich aber nicht passieren. Denn der steckt ja in der Rinde, und die harte Hülle des Parmigiano wird in der Regel eh nicht gerieben. Geschweige denn gegessen.
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