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Meinung

Gastkommentar zur Fortpflanzungsmedizin
Gerechtigkeit auf Kosten der Ei­zellen­spenderinnen? 

Umstrittenes Verfahren: Künstliche Befruchtung einer Eizelle in einem Labor für Fortpflanzungsmedizin.
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Hunderte von Paaren erfüllen sich ihren Kinderwunsch, indem sie im Ausland medizinische Verfahren anwenden, die in der Schweiz verboten sind. Das hat unsere Studie im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit ergeben, über die auch diese Redaktion berichtete. Im Fokus steht dabei die Eizellenspende.

Die grünliberale Nationalrätin Katja Christ fordert nun in einem Vorstoss, dass in der Schweiz die Eizellenspende erlaubt wird. «Im Gesetz über die Fortpflanzungsmedizin ist die Gleichstellung zwischen Mann und Frau nicht gewährleistet», sagt Christ. «Wir müssen endlich im 21. Jahrhundert ankommen.» 

Auch diese Redaktion kommentierte, das bisherige Gesetz sei «sexistisch», eine Änderung sei «überfällig» (lesen Sie hier den Kommentar). Das klingt überzeugend – denn wer will schon sexistisch und rückständig sein? Es gibt aber auch gute Gründe, gegenüber der Legalisierung der Eizellenspende zurückhaltend zu sein.

Die Eizellenspende ist deutlich invasiver als die Samenspende und mit gesundheitlichen Risiken verbunden.

Vorab: Tatsächlich ist das aktuelle Gesetz in mancher Hinsicht diskriminierend. So sind zum Beispiel gleichgeschlechtliche sowie unverheiratete heterosexuelle Paare vom Erhalt einer Samenspende ausgeschlossen. Auch das im Kontext einer möglichen Legalisierung der Eizellenspende oft vorgebrachte Argument, dass eine «gespaltene Mutterschaft» entstehe, ist problematisch, scheint doch die «gespaltene Vaterschaft» im Falle der Samenspende niemanden zu stören.

Daraus lässt sich jedoch nicht schlussfolgern, die Eizellenspende müsse aus Gleichstellungsgründen ebenfalls zugelassen werden. Der Vergleich der beiden Verfahren hinkt, denn die Eizellenspende ist deutlich invasiver und mit gesundheitlichen Risiken verbunden.

Damit mehrere Eizellen gleichzeitig reifen, wird mit einer Hormontherapie in den Zyklus der Spenderin eingegriffen, und die Eizellenentnahme findet unter Narkose statt. Die Folgen dieser Behandlungen sind noch wenig erforscht.

Die Berichterstattung ist einseitig, es fehlt die Perspektive der Spenderinnen.

Die Unterschiede zwischen Samen- und Eizellenspende werden in der Debatte erstaunlich wenig thematisiert. Auch steht meist das Leiden und Glück der Eltern im Fokus. Ohne Zweifel sind diese Geschichten wichtig, zeigen sie doch auf, wie belastend es ist, wenn der eigene Kinderwunsch nicht umsetzbar ist.

Die Berichterstattung ist jedoch einseitig, es fehlt die Perspektive der Spenderinnen. Unsere langjährigen Forschungen zu transnationaler Reproduktion in Spanien, Mexiko, Russland und der Ukraine haben gezeigt, dass sich in den Biografien der Eizellenspenderinnen die Ungleichheiten einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung spiegeln.

Diese jungen Frauen – oft alleinerziehende Mütter – kommen meist aus prekären Verhältnissen, ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt sind beschränkt. Für sie ist die Eizellenspende daher eine attraktive Option, auch wenn sie, wie in Spanien, «altruistisch» sein soll und «nur» mit umgerechnet rund 1000 Franken vergütet wird. Bei einer Legalisierung dieses Verfahrens würde sich auch hier die Frage stellen, aus welchen Lebenssituationen heraus Frauen ihre Eizellen «spenden».

Statt nur die Legalisierung zu diskutieren, sollten wir die Ursachen ungewollter Kinderlosigkeit angehen.

Verabschieden sollten wir uns von der oft bemühten Fortschrittslogik, laut der die Einführung von mehr reproduktiven Verfahren zwangsläufig zu mehr Gerechtigkeit und einer besseren Zukunft führt. Das ist eine massive Vereinfachung, denn diese Verfahren bieten oft eine rein technische Lösung für gesellschaftliche Probleme.

Statt nur die Legalisierung zu diskutieren, sollten wir die Ursachen ungewollter Kinderlosigkeit angehen: etwa die immer noch schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder die zunehmende Umweltverschmutzung durch Mikroplastik und Pestizide. Auch könnten wir das Konzept Familie radikal neu denken. Wie wir also Gleichstellung und Gerechtigkeit erreichen können, ist nicht eine simple Frage der Legalisierung, sondern weitaus komplexer.

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