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Kolumbiens Fussballerinnen
Gemobbt, betrogen, beleidigt – doch jetzt trumpfen sie gross auf

Als sie noch von einer besseren Zukunft für den kolumbianischen Frauenfussball träumten: Daniela Montoya (l.) und Natalia Gaitán bejubeln 2015 in Kanada das erste WM-Tor Kolumbiens.
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Vielleicht ist sie bereits die grösste Figur dieser WM, und wenn nicht, dann zumindest eine der ganz grossen: Linda Caicedo, 18 Jahre jung, mit dem Hang zur fussballerischen Extravaganz, Nationalspielerin und Hoffnungsträgerin Kolumbiens.

Doch damit Spielerinnen wie sie überhaupt glänzen können, braucht es im Fussball der Frauen oft Vorreiterinnen. Rebellinnen. Rädelsführerinnen. Frauen wie Natalia Gaitán, Melissa Ortiz, Isabella Echeverri und Daniela Montoya.

Alles beginnt mit Montoya. 2015, Caicedo ist da erst zehn Jahre jung, geht ihr Stern auf. Sie war zwar bereits vier Jahre davor dabei, als sich Kolumbien mit null Toren aus drei Spielen nach der Gruppenphase verabschiedete, in den Fokus spielt sie sich aber jetzt, bei der WM in Kanada.

Im ersten Spiel trifft Kolumbien auf Mexiko und liegt bald hinten. Bis zur 82. Minute, als Montoya einen Ball zugespielt bekommt. Sie nimmt ihn direkt, schiesst ihn aus 18 Metern via Lattenunterkante ins Tor – 1:1, der erste WM-Treffer in der Geschichte des kolumbianischen Frauenfussballs: wunderbar.

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Die Kolumbianerinnen schlagen im zweiten Spiel Frankreich und verlieren knapp gegen England. Das reicht für die Achtelfinals. Dort sind die USA ein zu grosser Brocken, 0:2 endet das Spiel. «El Espectador» schreibt trotzdem: «Dank Montoya und einer Gruppe voller Tatendrang gelingt Kolumbien ein historischer WM-Auftritt.»

Die Euphorie gross, der Weg für eine bessere Zukunft im Fussball der Frauen geebnet. Das denken Montoya und die anderen Spielerinnen, als sie nach Hause zurückkehren. Doch es kommt anders. Montoyas Einsatz gegen die USA wird ihr letzter sein für Kolumbien – für eine Weile zumindest.

Als das Team zurückkehrt, wird die vorgesehene Prämie nicht ausbezahlt. Montoya macht das öffentlich. Kurz darauf fehlt sie im Aufgebot Kolumbiens, zu den Olympischen Spielen 2016 in Rio darf sie nicht. «Ich habe die grösste Frustration meines Lebens gespürt», sagt sie im Interview mit «El Espectador», sie habe nicht mehr geschlafen und viel geweint. Nicht ganz unerheblich: Sie ist zu diesem Zeitpunkt eigentlich Captain des Teams.

Sie bringen alles ans Licht

Drei Jahre lang spielen die Kolumbianerinnen ohne Montoya, ihre zentrale Mittelfeldspielerin. Dann entscheiden sie sich für den Protest. Montoyas ehemalige Mitspielerinnen Gaitán, sie ist jetzt Captain, Ortiz und Echeverri gehen voran.

Bevor sie den Schritt an die Öffentlichkeit wagen, sagt Echeverri zu Ortiz: «Meli, wir werden nie mehr auf einem Fussballplatz stehen.» Das Trio hat über Jahre brisantes Material gesammelt und bringt dies nun ans Licht: Videoaufnahmen, Zeugenaussagen und Audiofiles, die belegen, wie der Fussball der Frauen in Kolumbien kleingehalten wird oder wie Funktionäre homophobe Aussagen machen.

Gabriel Camargo ist einer dieser Funktionäre. In einer Audiodatei ist von ihm zu hören: «Der Fussball der Frauen ist schlecht, er gibt nichts her. Abgesehen von den Problemen mit den Frauen. Er ist ein extremer Nährboden für Homosexualität.» Camargo ist zu diesem Zeitpunkt Präsident des Teams Deportes Tolima. In einer anderen Audiodatei spricht sich Álvaro González, Vizepräsident des kolumbianischen Verbands, dafür aus, Montoya nach ihrer Beschwerde nicht mehr für das Nationalteam aufzubieten.

Im Frühling 2019 veröffentlichen Ortiz und Echeverri ein Video, in dem sie erzählen, dass ihnen Stipendien gekürzt wurden, sie selbst für Flüge an Auswärtsspiele aufkommen und alte, gebrauchte Trikots tragen müssen. Auch die sexuellen Belästigungen gegen Spielerinnen des U-17-Nationalteams durch Mitglieder des Trainerstabs machen sie öffentlich.

Das Video geht viral und plötzlich erhalten die Frauen Aufmerksamkeit. Radamel Falcao, James Rodríguez und andere kolumbianische Fussballer posten ein Statement. «Wir lehnen jede Handlung ab, die die körperliche, geistige oder emotionale Integrität einer Frau verletzt, und verurteilen sie. Wir unterstützen unsere Teamkolleginnen», heisst es darin unter anderem.

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Unter diesem Druck wird im Verband aufgeräumt, viele Funktionäre müssen gehen. Die WM 2019 und die Sommerspiele 2021 verpasst Kolumbien, zu viel muss erst aufgearbeitet werden. Ortiz beendet ihre Karriere kurz nach dem Schritt an die Öffentlichkeit und ist heute TV-Expertin. Echeverri und Gaitán spielen noch Fussball, aber nicht mehr im Nationalteam.

Montoya darf bei einem Spiel gegen Uruguay wieder mittun und schiesst beim 7:0-Sieg gleich ein Tor. Sie ist auch bei dieser WM dabei und schreibt mit Kolumbien an einem Märchen, das Team steht im Viertelfinal. Zu Themen wie Prämien schweigt sie aber.