Sensationell im WM-AchtelfinalJamaika schreibt ein Fussballmärchen – dank Bob Marleys Tochter
Die «Reggae Girlz» erkämpfen sich gegen das grosse Brasilien ein 0:0. Einst gab es das Team fast nicht mehr, dann kam Cedella Marley zu Hilfe.
Gut möglich, dass Lorne Donaldson in diesem Moment nicht genau wusste, was er da fabrizieren wollte. Am Ende kam er in seinem Jubel einem Purzelbaum am nächsten, auch wenn das Ganze nicht gerade formvollendet war. Kurz lag der grosse Mann mit Glatze also auf dem Rasen, dann stand er auf und herzte alle, die ihm in den Weg kamen.
Wenige Augenblicke zuvor hat Donaldson den wohl schönsten Pfiff seines Lebens gehört. Den letzten der Partie zwischen Jamaika und Brasilien. Er besiegelte Brasiliens überraschendes Out bei der WM in Australien und Neuseeland. Und er bestätigte Donaldson, dass er an seinem Märchen weiterschreiben darf.
Jamaika steht bei seiner erst zweiten Teilnahme überhaupt im Achtelfinal. Damit erlebte die WM an diesem Mittwoch gleich zwei Überraschungen. Noch vor der Partie zwischen Jamaika und Brasilien qualifizierten sich die Südafrikanerinnen mit einem 3:2 über Italien für die Runde der letzten sechzehn. Zwischen Jamaika und Brasilien fielen weniger Tore, gar keine sogar.
Jamaika mauerte und litt. Die «Reggae Girlz», so nennen sie sich, stehen nach drei Spielen bei einer Tordifferenz von 1:0. Sie haben Panama mit jenem Resultat bezwungen und auch Frankreich ein 0:0 abgetrotzt. Nun treffen sie auf den Sieger der Gruppe H. Im Normalfall ist das Kolumbien, ein Unentschieden gegen Marokko reicht den Südamerikanerinnen zum Gruppensieg.
Sie bringt junge Frauen von der Strasse weg
«Ich bin gerade sehr emotional. Wir sind ein Team, das abseits des Platzes viel durchmachen muss. Im Vorfeld glaubte keiner an uns» , sagte Jamaikas Torhüterin Rebecca Spencer nach der Partie. Ihr Team hat sich dieses 0:0 mit grosser Leidenschaft verdient. Dass es aber überhaupt zu Teilnahmen an Weltmeisterschaften kam, hat viel mit dem berühmtesten Kopf des Landes zu tun. Beziehungsweise mit dessen Tochter.
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Cedella Marley, zweitältestes Kind von Bob und Rita, hat selbst einen Sohn. Dieser brachte vor einigen Jahren einen Flyer mit nach Hause, auf dem zu Spenden für das Nationalteam der Frauen aufgerufen wurde. Das gestaltete sich schwierig, der Verband war kurz davor, das Team aufzulösen.
Marley nahm sich des Themas an, sie investierte eigenes Geld und suchte Sponsoren, mit ihren Brüdern Stephen und Damien nahm sie einen Song auf. Auch wenn es nicht immer einfach war und nicht alle Fussball spielende Frauen unterstützen wollten, schaffte es Marley, etwas aufzubauen. Erstmals konnten die Spielerinnen, die einige Monate zuvor nicht einmal Sport-BHs besassen, in ein Trainingslager.
«Wir geben jedem Mädchen die Chance, etwas zu bewegen, nicht nur auf dem Spielfeld, sondern auch zu Hause, in ihren Gemeinden und im Leben allgemein», sagte Marley in einem Interview mit CNN. Sie bringt junge Frauen von der Strasse weg. Khadija Shaw beispielsweise, die beste Spielerin des Teams, verlor drei Brüder wegen der herrschenden Bandenkriminalität in ihrer Heimatstadt Spanish Town. Dank Marleys Programm studierte sie an der Universität von Tennessee.
Hinzu kommen Spielerinnen mit jamaikanischen Wurzeln, die in den USA oder in England aufwuchsen. Kein einziges Mal schiessen sie alle am Mittwoch auf das Tor der Brasilianerinnen. Trotzdem schreiben sie Fussballgeschichte für ihr Land.
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