Kommentar zu KinderabzügenGeht es um Familien, verlieren Politiker die Hemmungen
Die Bürgerlichen fordern einen neuen Steuerabzug für Kinder. Das zeugt von wenig Respekt vor dem Volk.
«Chuum hät er das Ghackets uf d Waag anegleit, da weisch au bereits, was er seit: Dörfs es bitzli meh si?»
Derart satirisch schilderte das Trio Eugster einst einen typischen Metzgereibesuch. Ein wenig von dieser Stimmung hallte an diesem Donnerstag nach, als der Ständerat über eine neue Steuerentlastung für Familien entschied. Zur Debatte stand eine Erhöhung des Abzugs für Eltern, die ihr Kind extern in der Kita betreuen lassen: Er soll von 10’100 auf 25’000 Franken steigen.
Der ständerätlichen Wirtschaftskommission genügte das nicht. Sie beantragte, dass auch der Abzug vom geschuldeten Steuerbetrag angehoben wird, von 251 auf 300 Franken pro Kind – ein Antrag, den man nur als charmante Unverschämtheit bezeichnen kann. Charmant, weil er dem nobel klingenden Anliegen der Familienförderung verpflichtet scheint. Unverschämt, weil die Familienförderer ganz nonchalant einen Volksentscheid vom letzten Jahr übergehen.
Zur Erinnerung: Im September 2020 verwarf das Stimmvolk eine Reform der direkten Bundessteuer mit pikantem Inhalt. Ziel dieser Reform war ursprünglich ebenfalls, die Kita-Betreuung steuerlich zu fördern. Das Parlament bekam jedoch Appetit auf mehr und packte eine massige Erhöhung des allgemeinen Kinderabzugs in die Vorlage hinein. Davon hätten in erster Linie wohlhabende Familien profitiert, auch solche mit klassischer Rollenteilung. Die anfänglich breit unterstützte Reform war mit einem Mal hoch umstritten – und fiel prompt in der Volksabstimmung durch.
Nichts gelernt vom letzten Mal
Jetzt, ein Jahr später, gebärden sich die Bürgerlichen im Parlament, als hätte es das damalige Verdikt nicht gegeben. Diskutiert wird ein eigentlich sinnvoller Vorstoss der Berner FDP-Nationalrätin Christa Markwalder, die den unbestrittenen Teil der letztjährigen Abstimmungsvorlage retten will. Indes geben sich Die Mitte (vormals CVP) und die SVP mit dem höheren Drittbetreuungsabzug, wie ihn Markwalder fordert, nicht zufrieden. Genau wie beim letzten Reformanlauf wollen die Konservativen auch diesmal für Familien mit traditionellem Rollenmodell etwas herausschlagen. Darum versuchen sie nun, den geschuldeten Steuerbetrag pro Kind zu drücken (mit jährlichem Steuerausfall von 69 Millionen Franken). Im Ständerat hatten sie damit am Donnerstag Erfolg; das Geschäft geht nun an den Nationalrat.
Dörfs es bitzli meh si? Geht es um Steuervorteile für Familien, verliert das Parlament regelmässig Vernunft und Hemmungen. Dabei wird wahrhaftig «Ghackets» angerichtet. Mit der Erhöhung des Drittbetreuungsabzugs sollen nämlich nicht Familien gefördert werden. Vielmehr ist es Sinn und Zweck dieser Massnahme, gut ausgebildete Mütter in der Erwerbsarbeit zu halten. Das verdient Unterstützung. Reichert das Parlament die neue Vorlage nun aber noch mit einem familienpolitischen Steuergeschenk an, vermengt es Ziele, Themen und Mittel in unzulässiger Weise. Der Nachweis, dass die Schweizer Familien den geforderten Zusatzabzug effektiv benötigen, ist dabei noch nicht erbracht.
Dass «Familienförderung» zwangsläufig mit Wahl- und Abstimmungserfolgen honoriert wird, ist ein politischer Irrtum, der sich hartnäckig hält. Es ist schade, dass Mitte und SVP dies im letzten Jahr offenbar nicht gelernt haben.
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