Flüchtlinge in DavosGeflüchtete Lehrerin aus der Ukraine poliert am WEF das Besteck
Vom Trubel des World Economic Forum bekommt Kateryna Hryshko nicht viel mit. Sie arbeitet in einer Hotelküche. Klare Wünsche an die WEF-Elite hat die junge Frau aber dennoch.
Als Kiews Bürgermeister Witali Klitschko sich am Montag am Rande des World Economic Forum (WEF) im Davoser Rathaus mit geflüchteten Familien traf, wäre Kateryna Hryshko gerne dabei gewesen. «Ich wollte ihm einfach für seine Arbeit danken», sagt sie. Doch die 32-Jährige, die Anfang März vor dem Krieg in der Ukraine geflohen war, konnte nicht hin. Sie musste arbeiten.
Sie, die zu Hause im ostukrainischen Charkiw als Lehrerin für ukrainische Literatur arbeitete, hat eine Stelle im Davoser Hilton-Hotel gefunden. Unter anderem poliert sie dort das Besteck für die hochrangigen Gäste. «Der Job ist erst mal für fünf Tage, und es ist besser, als nichts zu tun», erzählt die junge Frau und knetet mit ihren Händen das Band ihres Hotelbadges.
Tagelang im Bunker
Der Krieg in der Ukraine ist eines der Topthemen des diesjährigen WEF. Während die Klitschko-Brüder und Präsident Wolodimir Selenski auf den Bühnen des WEF vom Grauen des Krieges berichten und im Rampenlicht stehen, bekommt Kateryna Hryshko wegen des ganzen Trubels in der Hotelküche kaum etwas mit.
Schlimmes kann die junge Frau aber auch berichten, denn sie musste eine Woche lang mit ihrer Mutter im kalten Bunker übernachten. «Tagsüber sind wir dann rauf in die Wohnung, um zu duschen», erzählt sie.
Und was denkt eine Geflüchtete aus der Ukraine über den WEF-Trubel? Ihre Wünsche sind ziemlich deckungsgleich mit jenen ihres Staatspräsidenten Selenski. «Ich hoffe auf Hilfe der Community und dass die Unternehmen in der Ukraine investieren werden», sagt sie. Auch ihre Familie hat viel verloren, das Haus ihrer Schwester ist komplett zerstört. «Alles, was ich zum Leben habe, ist in eine Tasche gepackt», sagt die junge Frau.
«Ich fühle mich immer noch nicht sicher.»
Als der Krieg losging, floh sie zunächst mit ihren Eltern ins Landesinnere. Mit fünf Personen hat sie in einem 15 Quadratmeter grossen Zimmer gewohnt. Doch auch dort war es nicht sicher. Also entschloss sie sich, ihre Heimat zu verlassen. «Meine ältere Schwester lebt mit ihrem Mann schon seit Dezember vergangenen Jahres in Davos», erklärt sie. Auch deren Wohnung ist nicht gross, aber sie würden sich zu dritt arrangieren.
«Ich fühle mich aber immer noch nicht sicher», sagt Kateryna Hryshko und knetet wieder fest das Band ihres Badges. Noch heute träume sie nachts davon, dass sie bombardiert werde. «Meine Eltern sind noch in der Ukraine und leben jetzt bei einer Tante in der Nähe der Grenze zu Weissrussland.» Auch ihr Lebensgefährte ist noch im Land.
Wie es für sie weitergeht, weiss sie noch nicht. Den Status S hat sie mittlerweile. Aber in ihrem Beruf als Lehrerin kann sie in der Schweiz nicht arbeiten, da sie kein Deutsch spricht. Und Deutsch lernen möchte sie nicht so recht. «Ich hoffe, dass ich das gar nicht brauche und ich bald wieder nach Hause kann», sagt sie freimütig. Aber wie lange in ihrer Heimat noch der Krieg tobt, kann ihr niemand sagen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.