Nach Gefangenen-Deal mit Russland Diese Amerikaner bleiben zurück in Putins Kerkern
Ein Lehrer, eine Ballerina, welche die Ukraine mit 45 Franken unterstützt hat, ein Soldat und ein Musiker: Russland hält noch vier US-Bürger in Haft. Und fast 800 Russen und Russinnen als politische Gefangene.
Sie können aufatmen. Sie umarmen ihre Familienangehörigen. Sie sind US-Präsident Joe Biden unendlich dankbar. Der Journalist Evan Gershkovich, der ehemalige Marinesoldat Paul Whelan und die Journalistin Alsu Kurmasheva, allesamt US-Bürger, sind endlich in Freiheit. (Lesen Sie auch den Artikel «Rührende Szenen auf dem Rollfeld, Biden zeigt sich bei Empfang emotional».)
Mindestens vier Amerikaner profitierten aber nicht vom historischen Deal zwischen den USA und Russland. Sie bleiben in Wladimir Putins Kerkern. Und ihre Angehörigen bangen um ihr Schicksal. Im Folgenden eine Übersicht der Amerikaner, die in Russland in Haft bleiben.
Marc Fogel, Lehrer
Der Geschichtslehrer Marc Fogel wurde im August 2021 auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo verhaftet. Laut russischen Behörden hat der US-Bürger bei der Einreise «Drogenschmuggel in grossem Stil» betrieben. Fogel wies den Vorwurf vehement zurück. Er hatte elf Gramm Marihuana und acht Gramm Cannabisöl dabei, um Wirbelsäulenschmerzen zu behandeln. Das Präparat war ihm von einem Arzt verschrieben worden. Nach einem Schauprozess im Frühjahr 2022 erhielt Fogel 14 Jahre Gefängnis.
«Heute wurde Marc wieder zurückgelassen», teilte seine Familie am Donnerstag in einer Erklärung mit. Sie forderte die US-Regierung auf, sich für die Freilassung Fogels einzusetzen. «Marc ist schon viel zu lange zu Unrecht inhaftiert und muss bei allen Austauschverhandlungen mit Russland Vorrang haben, unabhängig von seinem Bekanntheitsgrad oder seiner Berühmtheit», schrieben seine Frau und seine Söhne laut «Washington Post». Der aus Pittsburgh im Bundesstaat Pennsylvania stammende Mann unterrichtete an der Anglo-American School of Moscow. (Lesen Sie zum Gefangenenaustausch auch den Artikel «Russland lässt Journalisten frei, der Westen Mörder und Spione».)
Ksenia Karelina, Ballerina
Die in Los Angeles lebende Künstlerin Ksenia Karelina wurde Ende Januar in der Stadt Jekaterinburg festgenommen. Sie war aus den USA nach Russland gereist, um ihre Familie zu besuchen. Die gleichgeschaltete russische Justiz wirft der 33-jährigen Frau vor, in den USA «proaktiv» Gelder für die Ukraine gesammelt zu haben. Nach Angaben einer russischen Rechtsschutzorganisation soll Karelina am 24. Februar 2022, dem Tag des russischen Überfalls auf die Ukraine, umgerechnet 45 Franken von ihrem amerikanischen Konto an die Wohltätigkeitsstiftung «Razom for Ukraine» überwiesen haben.
Die russischen Behörden steckten sie zunächst wegen «Hooliganismus» ins Gefängnis. Kurz danach wurde ein Strafverfahren wegen «Staatsverrats» gegen die amerikanisch-russische Doppelbürgerin eröffnet. Ihr drohen 20 Jahre Haft. Der Prozess gegen Karelina begann Ende Juni in Jekaterinburg.
Gordon Black, US-Soldat
Mitte Juni verurteilte ein Gericht in Wladiwostok im Fernen Osten Russlands den US-Soldaten Gordon Black zu knapp vier Jahren Gefängnis. Er soll seine russische Partnerin angegriffen und bestohlen haben. Der 34-Jährige wurde im Mai festgenommen. Laut US-Medien war der Soldat in Südkorea stationiert und reiste auf eigene Faust nach Russland. Dass er seiner Freundin mit dem Tod gedroht haben soll, stritt Black ab. Er habe sie nur am Nacken gefasst, um sie zu beruhigen, da sie stark alkoholisiert gewesen sei.
Die US-Behörden haben inzwischen die Lohnüberweisung an Black eingestellt, weil er ohne Genehmigung nach Russland gereist war. Seine Freundin lernte er in Südkorea kennen. Der Soldat war zuvor im Irak und in Afghanistan stationiert. Black zahlt für sein Draufgängertum einen hohen Preis.
Michael Travis Leake, Musiker
In einem russischen Gefängnis bleibt auch der amerikanische Musiker und Ex-Soldat Michael Travis Leake. Er wurde vor zwei Wochen zu 13 Jahren Haft verurteilt: Der Mann solle Drogen an Jugendliche verkauft haben, teilten die russischen Behörden mit. Nach Angaben der BBC lebte Leake seit vielen Jahren in Russland. Verhaftet wurde er im Juni 2023. Den Grund wisse er nicht, sagte Leake damals in einem im Internet verbreiteten Video.
Er war Mitglied einer US-Rockband in Moskau. 2014 trat Leake in der Dokuserie «Parts Unknown» des amerikanischen Starkochs Anthony Bourdain auf. Die Sendung wurde in Moskau und Sankt Petersburg gedreht. Die Produzentin beschrieb Leake als wortgewandten Showman, der «Russland liebte».
Fast 800 politische Gefangene in Russland
Nach Angaben der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial gibt es in Russland derzeit fast 800 politische Gefangene. Die Bürgerrechtsplattform OVD.info meldet, dass gegen mindestens 3000 Personen politisch motivierte Strafverfahren liefen. Bei den meisten handelt es sich um russische Staatsbürger. Im Juni bekamen die russischen Theaterkünstlerinnen Yevgenia Berkovich und Svetlana Petriychuk je sechs Jahre Gefängnis, weil sie Terrorismus verherrlicht haben sollen. (Lesen Sie dazu den Artikel «Dissidentin verteidigt sich in Versform».)
Im selben Monat inhaftierten die Behörden den Antikorruptionsjournalisten Artyom Krieger. Er arbeitete für die Stiftung des Kremlkritikers Alexei Nawalny, der Mitte Februar in einem russischen Straflager starb. Der russische Ingenieur Igor Baryschnikow erhielt im vergangenen Jahr siebeneinhalb Jahre Haft. Er habe den russischen Einmarsch in der Ukraine kritisiert und falsche Informationen über russische Truppen verbreitet, hiess es.
Nicht nur Russen und Amerikaner werden Opfer der russischen Willkürjustiz. Anfang Juni nahmen die Sicherheitskräfte den französischen Wissenschaftler Laurent Vinatier in einem Café in Moskau fest. Er arbeitet für das in Genf ansässige Zentrum für humanitären Dialog. Die Schweizer NGO versucht, zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln.
Vinatier wird von der russischen Justiz beschuldigt, Informationen über militärische Aktivitäten in Russland gesammelt zu haben. Zudem wäre er verpflichtet gewesen, sich als «ausländischer Agent» zu registrieren. Die Verhaftung von Vinatier erfolgte, kurz nachdem Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron den Einsatz französischer Truppen in der Ukraine ins Spiel gebracht hatte. Macron sprach von einer «Provokation» des Kreml.
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