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Israelischer Angriff im Süden Gazas
Raketen auf Hamas-Anführer treffen vor allem Zivilisten

TOPSHOT - A Palestinian woman carries an injured child to the Nasser hospital in Khan Yunis on July 13, 2024, one of the health establishments to which casualties were rushed after an Israeli strike killed at least 71 people and injured many others at the Al-Mawasi camp for the war displaced in the south of the Palestinian territory, according to the Hamas-run health ministry. The Israeli military said the strike on the tent city with tens of thousands of people had aimed at two Hamas officials. (Photo by Eyad BABA / AFP)
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Seit einem Vierteljahrhundert versucht Israel, Mohammed Deif zu töten, den Anführer der Qassam-Brigaden, eines militärischen Arms der Terrorgruppe Hamas. Deif hat sie gegründet, aus einer Truppe von Militanten eine Art Armee gemacht. Er soll hinter vielen Bombenanschlägen auf Busse in Tel Aviv in den 1990er-Jahren stecken und gilt als einer der Hauptplaner für den Terror des 7. Oktober, die Angriffe der Hamas auf Israel, bei denen 1200 Menschen starben.

Der Chefankläger des Internationalen Gerichtshofs beantragte vor einigen Wochen einen Haftbefehl gegen Deif. Die israelische Armee hat Flugblätter über Gaza abgeworfen, auf denen sie 100’000 Dollar für Hinweise anbietet, die zu seiner Entdeckung führen.

Hamas vermeldet 90 Tote und 300 Verletzte

Am Samstag griff Israel ein Gebiet in Gaza an, das es selbst zur humanitären Zone erklärt hatte, etwa 90 Menschen sollen nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde in Gaza getötet worden sein, mehr als 300 verletzt. Israel rechtfertigte den Angriff damit, dass es gesicherte Erkenntnisse gehabt habe, dass sich Deif an diesem Ort befunden habe. Ob er tatsächlich auch getroffen wurde, konnte Israels Armee nicht bestätigen. Die Hamas dementierte und sagte, es seien nur Zivilisten ums Leben gekommen.

Dutzende Male hat Israel bereits versucht, Deif zu töten, der eigentlich Mohammed Diab Ibrahim al-Masri heisst, Deif ist im Arabischen der «Gast», so nannte man den Hamas-Führer, der sich nie lange an einem Ort aufhält. Er soll auch dafür verantwortlich sein, dass sich die Terrorgruppe im Gazastreifen eingrub, ein Netzwerk von Hunderten Kilometern Tunnel schuf, von dem grosse Teile noch intakt sein dürften, und Deif selbst als Unterschlupf dienten.

Deif macht sich angeblich lustig über die Israelis

Auch im Gazakrieg 2014 soll Israel versucht haben, Mohammed Deif zu töten, traf aber damals offenbar nicht ihn, sondern seine Frau und zwei seiner kleinen Kinder. Ein anderes Mal soll Deif verwundet worden sein, womöglich ein Auge und eine Gliedmasse verloren haben. Es gibt Bilder der israelischen Armee, die einen Rollstuhl zeigen, den Deif benutzt haben soll.

Aber auch ein Foto, das israelische Medien Ende 2023 veröffentlichten – es zeigt einen Mann, der zumindest oberhalb der Schultern unversehrt scheint. Sollte er den Angriff überlebt haben, wird sein Ruf bei vielen Palästinensern weiter wachsen, als einer der meistgesuchten Männer der arabischen Welt, den Israel nicht zu fassen bekommt. Für die Kritiker der Hamas unter den Palästinensern hat Deif nichts erreicht, ausser noch mehr Blutvergiessen.

Khalil al-Hayya, einer der Führer der Hamas, sagte im Interview mit dem arabischen Fernsehsender al-Jazeera, Deif sei nicht getötet worden. Und er mache sich über die Israelis lustig, die es versucht hätten.

epa11475530 Palestinians inspect the scene after an Israeli raid on the tents of displaced people in the Al-Mawasi area of Khan Yunis in the southern Gaza Strip, 13 July 2024. Gaza?s health ministry said at least 71 Palestinians were killed in the Israeli attack in Khan Younis, 289 others were injured. Israeli military confirmed it targeted Hamas military chief, Mohammed Deif, in Saturday?s attack in Gaza.  EPA/HAITHAM IMAD

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sagte, es sei unklar, ob Deif getötet worden sei. «Aber so oder so werden wir jedes hochrangige Mitglied der Hamas erreichen.» Deifs langjähriger Stellvertreter Marwan Issa wurde im März bei einem israelischen Luftangriff im Zentrum des Gazastreifens getötet. Am Samstag soll zudem Rafah Salameh ums Leben gekommen sein, ein hochrangiger Hamas-Funktionär, der sich möglicherweise mit Deif versteckt hatte. Das meldete das israelische Militär.

Den Preis für den Angriff zahlen vor allem Zivilisten in der zur humanitären Zone erklärten Umgebung der Bombardierung. Die Verletzten wurden ins Nasser-Krankenhaus nach Khan Younis gebracht, das schon vor dem Angriff kaum noch funktionsfähig war. «Die Luft war mit Blutgeruch erfüllt», sagte Scott Anderson von den Vereinten Nationen nach einem Besuch.

«Ich war Zeuge einiger der schrecklichsten Szenen, die ich in meinen neun Monaten in Gaza gesehen habe», heisst es in einer Mitteilung von Anderson. «Da es nicht genügend Betten, Hygieneausrüstung, Tücher oder Kittel gab, wurden viele Patienten ohne Desinfektionsmittel auf dem Boden behandelt.»

Ringen um einen Waffenstillstand

Der Angriff kam einen Tag, nachdem US-Präsident Joe Biden gesagt hatte, dass die Verhandlungen über einen Waffenstillstand in Gaza Fortschritte machen würden. Ob die Gespräche unter der Vermittlung der USA, Ägypten und Katar weitergehen, ist bislang unklar. Die Hamas wies Berichte zurück, sie werde sich nach dem Angriff auf einen ihrer Führer zurückziehen. Hamas-Führer Ismail Haniya warf dem israelischen Premier Netanyahu vor, mit «abscheulichen Massakern» einen Waffenstillstand im Gazakrieg verhindern zu wollen.

Weiter sagte Haniya, die Hamas habe eine «positive und verantwortungsvolle Reaktion» auf neue Vorschläge für einen Waffenstillstand und einen Gefangenenaustausch gezeigt, aber «die israelische Position, die Netanyahu eingenommen hat, war, Hindernisse zu errichten, die eine Einigung verhindern». Israels Regierung hingegen geht davon aus, dass die Angriffe den Druck auf die Hamas erhöhen würden, einem Waffenstillstand zuzustimmen.