Aktuelle EnergiepreiseDie Gaspreise sinken, aber Strom wird weiter teuer – woran das liegt
In Deutschland sinken die Energiepreise, hierzulande gilt das aber nur für Gas. Was heisst das für die Konsumentinnen und Konsumenten? Die wichtigsten Antworten.

Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten blicken derzeit neidisch auf den grossen Nachbarn im Norden. Wie die «Süddeutsche Zeitung» unter Berufung auf Zahlen des Vergleichsportals Verivox berichtet, senken im Mai, im Juni und im Juli insgesamt 91 Strom- und 80 Gasfirmen ihre Tarife. Strom wird danach im Schnitt um rund 14 Prozent günstiger, Gas um 23 Prozent.
In der Schweiz hingegen ist zumindest bei den Stromtarifen keine Entspannung in Sicht. Wir beantworten nachfolgend die wichtigen Fragen zu den aktuellen Energiepreisen.
In Deutschland sinken die Tarife für Gas und Strom. Wieso?
Die rückläufigen Tarife lassen sich auf den milden Winter 2022/23 zurückführen. Dadurch hat sich die Lage in ganz Europa entspannt: Es wurde deutlich weniger geheizt als in anderen Jahren. Ausserdem war es gerade zum Ende der Weihnachtszeit ziemlich stürmisch. Dank der zusätzlichen Windenergie wurde weniger Gas zur Stromproduktion benötigt als erwartet.
Die Entspannung zeigt sich auch an der Börse: Dort ist Gas deutlich günstiger als nach dem Höhenflug im Sommer. Aktuell beträgt der europäische Referenzpreis TTF für Erdgas 28,38 Euro je Megawattstunde. Gegenüber dem Höhepunkt Ende August 2022 bedeutet das einen Abschlag von 91 Prozent. Nach dem ungewöhnlich warmen Winter sind die Gasspeicher in Europa vergleichsweise gut gefüllt. Auslöser für den Preisanstieg war der Krieg in der Ukraine.
Was heisst es für die Schweiz, wenn in Deutschland Energie billiger wird?
Eine Umfrage bei Energieversorgern zeigt: Die Gaspreise für die Endkundinnen und -kunden sinken auch hierzulande. So hat in Zürich der Anbieter Energie 360° die Gaspreise per 1. Mai 2023 gesenkt. Die Preissenkung beträgt je nach Gasmix zwischen 1,3 und 1,7 Rappen pro Kilowattstunde. Erstmals seit drei Jahren sinken in der Stadt Luzern die Gaspreise. Energie Wasser Luzern verringert per 1. Juli 2023 den Preis pro Kilowattstunde um 2,5 Rappen.
Energie Wasser Bern senkte die Tarife per Anfang März im Vergleich zum Jahresanfang um 19 Prozent. Zu möglichen weiteren Preisrunden wollte sich der Energieversorger nicht äussern; eine Einschätzung dazu sei «momentan sehr schwierig». Der Basler Anbieter IWB prüft Tarifanpassungen und muss diese beim Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt beantragen. Anders sieht es bei den Strompreisen aus. Der Regulator Elcom geht davon aus, dass im kommenden Jahr die Tarife vielerorts noch ansteigen werden.
Die Gaspreise sinken, aber die Strompreise nicht. Ist das kein Widerspruch?
Nein. Denn die Strompreise für Haushalte werden nur zum Jahreswechsel angepasst. Die Netzbetreiber müssen die Stromtarife für das nächste Jahr jeweils Ende August bekannt geben. Das machen sie anhand der von ihnen erwarteten Kosten für den Einkauf und die Produktion von Strom. Die Tarife sind dann während eines Jahres fest und können nicht mehr verändert werden.
Zu Beginn des laufenden Jahres waren die Strompreise stark angestiegen – ein Durchschnittshaushalt muss seither 27 Prozent mehr bezahlen als davor. Doch wie hoch der Zuschlag tatsächlich ausfällt, ist regional sehr unterschiedlich und hängt auch davon ab, wie geschickt die regionalen Stromversorger Energie an den Börsen eingekauft haben.
Aber warum steigen die Strompreise?
Viele Versorger hatten den Strom für 2023 bereits lange im Voraus eingekauft – zu einem Zeitpunkt, als Energie noch deutlich günstiger war. Daher haben sich die Preissteigerungen noch nicht mit voller Wucht niedergeschlagen. Das dürfte nun im nächsten Jahr der Fall sein: Die Elcom geht davon aus, dass die Preise über sämtliche Schweizer Energieversorger betrachtet kommendes Jahr im Durchschnitt nochmals steigen werden. An der Börse kostet Strom zwar etwas weniger als noch zu Jahresbeginn, doch ist der Preis weiterhin auf vergleichsweise hohem Niveau.
Und es gibt noch zwei weitere Gründe, warum Strom teurer wird: Zum einen steigen die Gebühren für die Stromübertragung. Zum anderen werden die Kosten der sogenannten Winterreserve, mit der der Bund ein Blackout im Winter verhindern will, an die Endverbraucher weitergereicht.
Was können Konsumentinnen und Konsumenten gegen steigende Tarife unternehmen?
Nicht sehr viel: Nur Unternehmen mit einem Verbrauch von mehr als 100’000 Kilowattstunden pro Jahr können ihren Stromversorger frei wählen. Haushalte und kleinere Unternehmen sind jedoch gezwungen, den Strom von ihrem lokalen Anbieter zu beziehen.
Beim Gas ist ein Wechsel für die Endkundschaft schwierig. Zwar hat die Wettbewerbskommission im Jahr 2020 entschieden, dass auch die kleineren Endverbraucherinnen und Endverbraucher ihren Lieferanten frei wählen dürfen. Der entsprechende Entscheid gilt für zwei Gasnetzbetreiber in der Zentralschweiz, hat aber Signalwirkung für die ganze Schweiz. Dennoch gibt es bis heute keinen funktionierenden Wettbewerb.
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