Gastkommentar zum Frontex-ReferendumFür eine humane europäische Flüchtlingspolitik
Die Vorlage kann noch einmal im Parlament beraten und in diesem Sinn verbessert werden.
In seiner letzten Kolumne äussert sich Rudolf Strahm ablehnend zum Frontex-Referendum. Er beschreibt Menschen, die aktuell aufgrund der Verhältnisse in ihrer Heimat flüchten müssen, anhand von mit Vorurteilen gespickten, diskriminierenden Stereotypen und versteigt sich in der Behauptung, dass Flüchtlingsorganisationen ein «Business» seien. Mit diesen befremdenden Behauptungen disqualifiziert sich der Autor selbst.
In einem Punkt aber hat Strahm recht, nämlich wenn er ausführt, dass niemand das Referendum gewünscht habe. In der Tat wäre es den Gegnerinnen und Gegnern der Vorlage lieber gewesen, das Parlament hätte die geforderten humanitären flankierenden Massnahmen gutgeheissen, womit auf das Referendum verzichtet worden wäre. Denn genau darum geht es, was Strahm ganz offensichtlich verkennt.
Die Frage ist nicht, ob es Frontex braucht oder nicht. Selbstverständlich braucht es eine Institution, die die europäische Aussengrenze schützt und gleichzeitig das Recht auf Asyl respektiert. Aber Frontex setzt die europäische Flüchtlingspolitik um, und diese wird mit dem Referendum zum Thema gemacht. Wer heute unfreiwillig sein Land verlassen muss, hat keine Möglichkeit, vom Herkunftsland aus in einem europäischen Land um Asyl zu bitten, weil das sogenannte Botschaftsasyl abgeschafft worden ist. Vielmehr sind die Flüchtenden dazu gezwungen, sich auf gefährlichen Fluchtrouten an die Landesgrenze durchzukämpfen, zum Beispiel mit der Hilfe von kriminellen Schleppern über das Mittelmeer, wo durchschnittlich zehn Menschen pro Tag sterben.
Über die Teilnahme am Schengen-/Dublinsystem und damit an Frontex nimmt die Schweiz an dieser verfehlten Migrationspolitik teil.
In Südeuropa angekommen, werden sie von den lokalen Behörden, unterstützt von Frontex, abgehalten, Land zu betreten, um einen Asylantrag stellen zu können. Man spricht dabei von sogenannten illegalen Pushbacks. Diese durch die europäischen Staaten getragene Politik hat einzig und allein zum Ziel, möglichst viele Flüchtlinge vom Zugang zum europäischen Festland abzuhalten; Ziel ist der Schutz der Festung Europa. Dabei geht es notabene nicht nur um illegale Flüchtlinge, sondern eben auch um diejenigen, die nach den Gesetzen des Ziellandes einen berechtigten Anspruch auf Asyl haben, aber an der Durchsetzung ihres Rechts gehindert werden.
Eine solche Politik ist unmenschlich und eines Rechtsstaats nicht würdig. Über die Teilnahme am Schengen/Dublin-System und damit an Frontex nimmt die Schweiz an dieser verfehlten Migrationspolitik teil. Das Referendum bietet die Chance, diese unmenschliche Politik durch flankierende humanitäre Massnahmen innerstaatlich abzufedern. Im Parlament wurde daher gefordert, dass mit der Frontex-Vorlage ein Ausbau der sogenannten Resettlement-Quote vorgenommen wird. Mit diesem Instrument können flüchtende Menschen direkt aus dem Krisengebiet Asyl in der Schweiz erhalten. Da die Mehrheit des Parlaments dies abgelehnt hat, konnte die SP-Fraktion der Frontex-Vorlage nicht mehr zustimmen, denn damit entbehrte die Vorlage jeder humanitären Abfederung.
Mit dem Referendum wird erreicht, dass die Vorlage noch einmal im Parlament beraten und in diesem Sinn verbessert werden kann. Anschliessend steht einer Zustimmung zu Frontex nichts mehr im Weg.
Daniel Jositsch ist Ständerat (SP/ZH).
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