Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Frontalangriff auf den Premier
Früherer Chefberater belastet Boris Johnson schwer

Einst politische Freunde, jetzt Erzfeinde: Premierminister Boris Johnson und sein einst wichtigster Berater Dominic Cummings. 
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Es sind schwere Vorwürfe, und man kann davon ausgehen, dass sie im Laufe der Woche noch heftiger werden. Bereits vor seinem Auftritt vor mehreren Parlamentsausschüssen am kommenden Mittwoch hat Dominic Cummings, der frühere Chefberater von Boris Johnson, einen Frontalangriff auf den Premierminister gestartet. In einer Reihe von Tweets bezichtigte er am Wochenende die britische Regierung, bei ihrer Strategie im Kampf gegen die Corona-Pandemie gelogen zu haben. Anders als öffentlich dargestellt, hätten die Verantwortlichen Anfang 2020 voll und ganz auf Herdenimmunität gesetzt, schrieb Cummings. Ziel sei gewesen, dass sich das Virus im Frühjahr und Sommer so weit wie möglich in der Bevölkerung ausbreite, sodass das Gesundheitssystem im Herbst und Winter nicht überlastet werde.

Streit um Herdenimmunität

Cummings, der Downing Street im vergangenen November nach einem erbitterten Streit mit Johnson verlassen hatte, beschuldigte die Regierung, für Tausende Tote verantwortlich zu sein. Denn erst als dem Premier und seinen Ministern von mehreren Seiten klargemacht worden sei, dass das Prinzip der Herdenimmunität zur Katastrophe führen würde, habe die Regierung die Strategie geändert und im März 2020 einen ersten Lockdown verhängt. Cummings bezieht sich auf interne Dokumente, Grafiken und Expertentreffen, in denen Herdenimmunität als «unvermeidbar» angesehen worden sei. Insbesondere Gesundheitsminister Matt Hancock habe zunächst nicht verstanden, dass dies Tausende unnötige Todesfälle nach sich ziehen würde.

«So kritisch ich dem Premierminister in vielerlei Hinsicht gegenüberstehe, es ist wichtig, zu verstehen, dass das Desaster nicht nur seine Schuld war.»

Dominic Cummings, ehemaliger Berater von Premier Johnson

Cummings galt während seiner Zeit in 10 Downing Street als rechte Hand von Johnson. Er dürfte nach seinem Rücktritt weiter im Besitz von geheimen Unterlagen sein, die seine Vorwürfe untermauern. In der Regierungszentrale ist die Sorge jedenfalls gross, dass Cummings bei seinem Auftritt am Mittwoch eine ziemliche Bombe zünden könnte. Johnsons früherer Chefberater hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er für eine rigorose Lockdown-Politik eintritt, und britische Medien gezielt daraufhin gebrieft – oft zum Missfallen des Premiers.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Bei den Vorwürfen, die er nun via Twitter geäussert hat, geht es Cummings aber nicht nur um Johnsons Rolle in der Pandemie. «So kritisch ich dem Premierminister in vielerlei Hinsicht gegenüberstehe, es ist wichtig, zu verstehen, dass das Desaster nicht nur seine Schuld war», schrieb er. Für die «katastrophalen Fehler» seien auch mehrere wissenschaftliche Berater der Regierung verantwortlich. Namentlich nennt Cummings Jenny Harries, die heutige Leiterin der Behörde für Gesundheitsschutz und damalige stellvertretende medizinische Chefberaterin in England. Sie habe das Tragen von Schutzmasken als «schlechte Idee» bezeichnet und davon zunächst abgeraten. Harries wies Cummings’ Vorwürfe zurück: «Ich kann kategorisch sagen, dass ich in keiner Regierungssitzung gewesen bin, in der Herdenimmunität zu diesem Zeitpunkt der Pandemie als Kontrollmechanismus vorgeschlagen wurde.»

Cummings macht noch mehr Anschuldigungen

Cummings dürfte sich davon nicht beeindrucken lassen. Laut britischen Medienberichten wird er wohl nicht davon abrücken, Johnsons Regierung als Chaotentruppe darzustellen. Er sei ein Mann, der nichts mehr zu verlieren habe, heisst es in so gut wie jedem Zeitungsartikel über Cummings. Und genau das könne für Johnson äusserst gefährlich werden.

Britische Medien gehen davon aus, dass Cummings auch hinter weiteren Anschuldigungen steckt. Da wäre etwa die Frage, ob für die Renovierung von Johnsons Dienstwohnung Spendengelder geflossen sind. Oder die Vermutung, dass der Premier sich die Kosten für die Nanny seines Sohnes Wilfred von Tory-Unterstützern hat bezahlen lassen; womöglich auch seinen Personal Trainer und Essenslieferungen im Wert von 27’000 Pfund.