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Unabhängiger Journalist im Interview
«Freie Medien sind der türkischen Regierung ein Dorn im Auge»

«Die Verkaufszahlen der Zeitungen lesen sich wie schlechte Witze»:  Aydin Engin, eskortiert von Polizisten in zivil, in Istanbul (31. Oktober 2016).
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Herr Engin, die türkische Regierung betrachtet die letzten unabhängigen Digitalmedien als «Fünfte Kolonne» und droht mit drakonischen Massnahmen. Geht es wirklich darum, angeblichen ausländischen Einfluss zu unterbinden oder will die Regierung die letzten unabhängigen Medien knebeln?

Die Behauptung, dass die USA und die EU türkischen Medien Geld spenden, um sie zu beeinflussen und so als Waffe gegen Erdogan zu nutzen, ist an den Haaren herbeigezogen. Daran glaubt sicherlich nicht einmal Kommunikationsdirektor Fahrettin Altun selbst.

Also geht es doch um die Knebelung von Medien, die nicht auf Regierungslinie sind?

Oppositionelle oder auch freie Medien sind der türkischen Regierung ein Dorn im Auge, das gilt vor allem auch für Erdogan selbst. Zuschauer und Leser nutzen nur diese Medien, um an Informationen zu gelangen. Die Verkaufszahlen der Zeitungen lesen sich wie schlechte Witze. Das regierungsnahe Medienzugpferd «Hürriyet» hat offiziell 200’000 Leser – in Wahrheit sind es nur 35’000.

Wie informieren sich die Türken?

Oppositionelle Medien sind zum Grossteil digital. Websites wie die der Deutschen Welle, der BBC oder der Voice of America werden oft besucht. Aber der Schwerpunkt liegt bei türkischen Nachrichtenportalen wie T24, Duvar oder Medyascope. Erdogan will diese Nachrichtenportale durch drakonische Strafen mundtot machen. Sobald das Parlament aus der Sommerpause zurückkehrt, wird vermutlich ein Gesetz verabschiedet werden, das hohe Haftstrafen vorsieht.

Kommunikationsdirektor Altun argumentiert, auch in den die USA werde das Verhältnis von Medienunternehmen zu ausländischen Finanziers überprüft. Lässt sich dieser Vergleich halten?

Da kann ich nur lachen. Die Besitzer von Digital-Medien wie Duvar, Medyascope oder Bianet sind Türken, es sind meist erfahrene Journalisten. Wir kennen sie alle ziemlich gut.

«Die digitalen Medien haben die Rolle der vierten Gewalt übernommen.»

Kann man in der heutigen Türkei überhaupt noch von einer von einer vierten Gewalt sprechen, also von einer Medienszene, die ihre Rolle erfüllen kann? 90 Prozent der Medien sind absolut regierungsnah sind und die Sozialen Medien werden zunehmend reguliert.

Wie überall auf der Welt verliert die gedruckte Presse auch in der Türkei rasant Anteile. Zeitungen und Fernsehsender, die zu Propagandaorganen der Regierung mutiert sind, geben ihren Zuschauern und Lesern ohnehin keinen Mehrwert. Daher geht der Trend zu digitalen Medien, zum Internet. Diese Medien haben die Rolle der vierten Gewalt übernommen. T24, wo ich schreibe, hat täglich 1,8 Millionen Leser. Mit hohen Geldstrafen, Werbeembargos und Haftstrafen von 5 bis 7 Jahren versucht die Regierung, die Reichweite dieser Medien zu beschränken.

Bekommt auch T24, die Website, für die Sie arbeiten, Geld aus dem Ausland?

Nein. Seit der Gründung vor 10 Jahren hat T24 die Nutzung von nationalen und internationalen Fonds strikt abgelehnt.