Lücke im GesetzWas passiert, wenn der Papst stirbt? Oder wenn er sein Bewusstsein verliert?
Der derzeitige Spitalaufenthalt von Papst Franziskus sorgt für Unruhe im Vatikan. Es droht ein nicht geregelter Zustand. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Im Vatikan gibt es detaillierte Gesetze und Rituale für den Machttransfer nach dem Tod oder Rücktritt eines Papsts. Doch fehlt so etwas für Fälle, in denen ein Papst aufgrund schwerer Krankheit oder Bewusstlosigkeit nicht mehr dazu in der Lage ist, sein Amt auszuführen.
Deshalb ist Papst Franziskus ganz normal für die Amtsgeschäfte zuständig, während er seit über einer Woche wegen einer schweren Lungenentzündung im Krankenhaus ist. Sein Zustand gilt als kritisch. Am Samstag hatte er laut Vatikan asthmatische Atemnot erlitten und war auf grosse Sauerstoffmengen angewiesen, um ihm beim Atmen zu helfen. Am Sonntag teilte der Vatikan mit, der 88-Jährige sei bei Bewusstsein und erhalte weiterhin zusätzlichen Sauerstoff. Er habe gut geschlafen.
Die Frage bleibt, ob Franziskus wie einst sein Vorgänger Papst Benedikt XVI. zurücktreten würde, wenn er nicht mehr seinem Amt nachgehen könnte. Am (morgigen) Montag wird der Krankenhausaufenthalt von Franziskus schon zehn Tage dauern – genauso lang wie sein Krankenhausaufenthalt 2021 weggen einer Darm-OP.
Das hohe Alter und die längere Erkrankung des Papsts sorgen für Interesse an dem Umgang des Vatikans mit einem möglichen Machttransfer.
Die Rolle des Papsts
Der Papst ist der Nachfolger des Apostels Petrus, das Oberhaupt des Bischofskollegiums, der Stellvertreter Christi und der Hirte der katholischen Kirche auf Erden, wie es im katholischen Kirchengesetz heisst. An diesem Status hat sich seit der Wahl von Franziskus zum 266. Papst im März 2013 nichts geändert.
Die Kurie des Vatikans
Zwar hat Franziskus im Vatikan das Sagen, er delegiert aber bereits das Tagesgeschäft im Vatikan und in der Kirche an ein Team, das auch während seiner Abwesenheit aus dem Apostolischen Palast arbeitet. Eine bedeutende Position hat dabei der Staatssekretär, Kardinal Pietro Parolin.

Die Abläufe im Vatikan sind während des Krankenhausaufenthalts normal geblieben. Das gilt auch für die Feierlichkeiten zum Heiligen Jahr in der katholischen Kirche. Am Sonntag leitete Erzbischof Rino Fisichella einen Gottesdienst im Petersdom – etwas, das eigentlich Franziskus hätte machen sollen. Dabei leitete Fisichella ein spezielles Gebet für den Papst ein, bevor er eine Predigt vortrug, die Franziskus vorbereitet hatte.
Was passiert bei einer Erkrankung des Papsts?
Das Kirchengesetz verfügt über Regelungen für den Fall, dass ein Bischof erkrankt und seine Diözese nicht leiten kann. Doch so etwas gibt es nicht für einen Papst, auch wenn dieser Bischof von Rom ist.
2021 nahmen sich Anwälte für Kirchenrecht vor, Regelungen vorzuschlagen, um diese Lücke im Gesetz zu schliessen. Sie leiteten eine Crowdsourcing-Initiative ein, um ein neues Kirchengesetz zu entwerfen, das den Posten eines Papsts im Ruhestand sowie den Fall regelt, wenn ein Papst nicht mehr dazu in der Lage ist zu regieren. Gemäss den Vorschlägen würde die Regierung der katholischen Kirche an das Kardinalskollegium übertragen. Im Falle einer vorübergehenden Handlungsunfähigkeit des Papsts würde das Kollegium eine Kommission mit der Regierung beauftragen. Zudem würde es alle sechs Monate eine medizinische Untersuchung geben, um festzulegen, wie es um den Papst bestellt ist.
Was ist mit dem Rücktrittsschreiben?
Papst Franziskus hatte 2022 bestätigt, dass er kurz nach seiner Wahl ein Rücktrittsschreiben verfasst habe, das angewandt werden solle, sollte er aus gesundheitlichen Gründen handlungsunfähig werden. Er habe den Brief an den damaligen Staatssekretär, Kardinal Tarcisio Bertone, übergeben. Er gehe davon aus, dass Bertone bei dessen Eintritt in den Ruhestand das Schreiben an das Büro von Parolin weitergegeben habe, sagte der Papst.

Der Inhalt des Schreibens ist nicht öffentlich bekanntgegeben worden. Es ist unklar, welche Bedingungen Franziskus für einen Rücktritt festgelegt hat. Zudem ist nicht klar, ob so ein Schreiben gemäss Kirchengesetz Gültigkeit hätte. Laut dem Gesetz muss ein Rücktritt eines Papsts aus freien Stücken geschehen und «ordnungsgemäss erklärt» werden – so wie es bei Benedikt 2013 der Fall war.
Was passiert, wenn ein Papst stirbt oder zurücktritt?
Einen Machttransfer von einem zum anderen Papst gibt es nur, wenn einer stirbt oder zurücktritt. Dann wird eine ganze Reihe von Massnahmen für die Zeit zwischen dem Ende einer päpstlichen Amtszeit und der Wahl eines Nachfolgers aktiviert. Während dieser Zeit ist der sogenannte Camerlengo für die Verwaltung und die Finanzen des Heiligen Stuhls zuständig. Der Camerlengo bescheinigt, dass der Papst tot ist, riegelt die päpstlichen Wohnräume ab und bereitet die Beerdigung vor, ehe es ein Konklave zur Wahl eines neuen Papsts gibt. Der aktuelle Camerlengo ist Kardinal Kevin Farrell. Solange ein Papst lediglich krank oder anderweitig in seiner Handlung eingeschränkt ist, sind mit der Rolle des Camerlengos keine Aufgaben verbunden.
Auch der Dekan des Kardinalskollegiums, der die Beerdigung eines Papsts leiten und das Konklave organisieren würde, hat keine zusätzlichen Aufgaben, solange der Papst krank ist. Diesen Posten hat derzeit der 91-jährige Kardinal Giovanni Battista Re. Franziskus hat in diesem Monat entschieden, dass Re den Posten behält. Er verlängerte zudem die Amtszeit des 81-jährigen Vize-Dekans, Kardinal Leonardo Sandri.
DPA/aeg
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