Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Wirkstoff gegen alle Coronaviren
Forscher arbeiten an der Superimpfung

Kommt dereinst die Superimpfung? Noch ist das Moderna-Mittel die grosse Hoffnung für die Schweiz, für die Zukunft tüfteln Forscher aber an einer Impfung, die gegen mehrere Coronaviren wirken soll. 
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Wirken sie oder wirken sie nicht, das ist derzeit die grosse Impf-Frage, während sich mehrere Varianten von Sars-CoV-2 verbreiten. Keine Angst vor der Mutation, sagt eine deutsche Expertengruppe, doch womöglich brauchen wir nun jährlich eine Impfung, um Corona in Schach zu halten. Nach gut einem Jahr Pandemie mit über 2,3 Millionen Toten gibt es nicht nur eine grosse Sehnsucht, die Krise mit allen Mutationssorgen endlich hinter sich zu lassen, sondern auch Pläne, eine solche gar nicht mehr aufkeimen zu lassen. Denn die Aussicht, dass nach Sars (2003), Mers (2012) und Sars-CoV-2 (2020) in einigen Jahren wieder ein Virus vom Tier auf den Mensch überspringt, ist derzeit durchaus realistisch.

Deshalb arbeiten US-Forscher bereits an einer Superimpfung, die gegen verschiedene Coronaviren und aktuelle Varianten wirken soll. Diese sogenannte Pancorona-Impfung ist im Fokus von Wissenschaftlern im ganzen Land. An der Spitzenuniversität Caltech in Los Angeles hat ein Team um Pamela Bjorkman bereits erste Erfolge mit Nanopartikeln erzielt und die Studie im Fachmagazin Science veröffentlicht. In Mäusen riefen diese eine Antikörperreaktion hervor, die sich gegen mehrere Coronaviren richtete. Die Forschenden sehen darin Potential, um einen Schutz auch gegen künftige Pandemien zu erreichen. Denn eine durchgemachte Covid-19-Erkrankung nützt offenbar nur wenig gegen andere Coronaviren, wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schreiben.

Forschende erhielten kein Geld

Mit Hochdruck an einer besseren Lösung für die Zukunft arbeitet auch Kayvon Modjarrad, der Leiter der Abteilung für neue Infektionskrankheiten des US-Verteidigungsministeriums. Er forscht seit Jahren an einer Impfung, die gegen mehrere Coronaviren nützt, ebenfalls auf Basis von Nanopartikeln. Bislang fristete er im Walter Reed Forschungsinstitut ein Schattendasein, seine Forderungen wurden von allen Seiten ignoriert.

Gleich erging es Virologin Maria Elena Bottazzi, die 2016 ein Pancorona-Mittel erforschen wollte und mit einer Impfung gegen Sars vor dem Durchbruch stand. Diese Krankheit wurde 2003 alleine durch Quarantäne- und Lockdown-Massnahmen besiegt und war deshalb für Investoren nicht mehr interessant. Und die US-Regierung beschied ihr, dass Pancorona-Mittel nicht von Interesse seien. Bottazzi erhielt kein Geld und musste ihr Vakzin im Tiefkühlschrank verstauen. Erst letztes Jahr gab es dann doch grünes Licht und die Wissenschaftlerin adaptierte ihr Mittel auf Sars-CoV-2 – derzeit wird es getestet.

Mit Covid-19-Impfstoffen wird Sars-CoV-2 bekämpft, doch für die nächsten Pandemien sollen Universal-Vakzine vorbereitet werden.

Auch andere US-Forschende berichten in der New York Times, dass ihrem Gebiet jahrelang weder Beachtung noch Finanzierung geschenkt wurde. Sobald eine Krankheit besiegt war, rückte eine andere in den Fokus, von Mers ging es zu Ebola, von dort zu Zika. Das Interesse galt jeweils nur dem aktuellen Virus und seiner Bekämpfung. Kaum rückte das Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit davon ab, verebbte auch der Geldfluss an die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schnell. Ein Virologe des von Anthony Fauci geleiteten National Institute of Allergy and Infectious Diseases nennt die verlorenen Forschungsjahre ein Versagen des Wissenschaftssystems. «Geldgeber neigen dazu, nur den glänzenden Objekten hinterherzujagen», erklärt Matthew Memoli vielsagend.

Die Suche nach den Super-Antikörpern

Nun fordern die Forschenden für die Vorbereitung auf die nächste Pandemie einen globalen Zusammenschluss, wie es ihn für die aktuellen Impfstoffe gab. Dabei will man neue Wege gehen und nach seltenen Super-Antikörpern suchen. Der Körper produziert während einer Infektion Millionen Abwehrzellen. Forschende, welche die Reaktion auf HIV und andere Viren untersuchten, fanden dabei einzelne Antikörper, die gegen viele andere Virenstränge wirken. Die Idee ist nun, eine Impfung zu entwickeln, die es unserem Körper ermöglichen soll, solche Super-Antikörper in grosser Anzahl herzustellen.

Das sei gar nicht so schwer, sagt Eric Topol, Professor für Molekularbiologie am Scripps Forschungsinistitut in San Diego, denn Coronaviren seien sich alle sehr ähnlich. Aber natürlich ist es trotzdem nicht ganz einfach, diese breit wirkenden Antikörper zu finden und in eine einzige Superimpfung zu verwandeln, wie Topol im Fachmagazin Nature auch schreibt.

Ein realistischer Ansatz sähe demnach vor, mehrere solcher Impfungen mit verschiedenen Super-Antikörpern vorzubereiten und einzulagern, um für den nächsten Ernstfall bereit zu sein. Deshalb fordert er jetzt Investitionen für Pancorona-Mittel und zeichnet dabei für die Zukunft sogar das Bild einer Super-Impfung, die nicht nur gegen Corona wirkt, sondern auch gegen Grippe oder Ebola. In einer Welt, in der jährlich Billionen in die Rüstung investiert werde, sei es bestimmt möglich, dass die Regierungen ein paar hundert Millionen in diese Forschung umleiten, formuliert Topol spitz. Mit Scripps-Immunologe Dennis Burton fordert er eine sofortige Beschleunigung, um die Pancorona-Impfung noch dieses Jahr anzustreben.

2019-nCoV als Weckruf: Fliessen nun die Gelder, damit die Forschenden geeignete Mittel finden, um eine weitere Corona-Pandemie zu verhindern?

Pancorona-Impfung schützt vor Erkältung

Dass dies nicht nur reine Fantasie ist, zeigt eine Forschung von VBI Vaccines, einer Firma der renommierten Cambridge Universität. Aus Spike-Proteinen von Sars, Mers und Covid-19 stellten sie eine Pancorona-Impfung her, die sie letzten Sommer an Mäusen testeten. Die Tiere bildeten daraufhin Antikörper gegen alle drei Krankheiten – und quasi als Bonus noch gegen ein Coronavirus, das für Erkältungen sorgt. Der Grund dafür ist noch nicht geklärt. Möglich wäre, erklärt der Chef-Wissenschaftler von VBI, dass die mit drei Spike-Proteinen konfrontierten Zellen Kompromiss-Antikörper entwickeln, die gegen alle drei Viren wirken. Als netter Nebeneffekt kommt mit dieser Erklärung dazu, dass auch gleich andere Stränge und Varianten damit abgedeckt sind – und ein Erkältungsvirus.

Noch ist die Forschung nicht weit genug, um schon klinische Versuche zu starten. Im Januar wurde bekannt, dass VBI seinen herkömmlichen Corona-Impfstoff VBI-2902 noch im ersten Quartal 2021 in Kanada testen wird, die Studie zum Pancorona-Mittel VBI-2901 ist hingegen mit «später in diesem Jahr» nur vage angekündigt.

Selbst, wenn es dieses Jahr mit der Pancorona-Impfung nicht mehr klappen sollte, wie das Eric Topol fordert, wäre eine solche Vorbereitung auf die nächste Pandemie wohl viel wert. Fraglich ist nun, ob die Regierungen dafür erneut Milliarden lockermachen, wie beispielsweise die 12 Milliarden Dollar für Corona-Vakzine in der «Operation Warp Speed» in den USA. Oder ob die Prävention von weiteren Coronavirus-Pandemien wieder in den Hintergrund rückt, sobald Covid-19 dereinst aus dem Fokus der Weltöffentlichkeit verschwindet.