Subventionen für E-MobilitätMietende sollen Ladestation für E-Autos selber bezahlen
Der Bundesrat will den Ausbau von Ladeanlagen mit 180 Millionen Franken fördern. Der Ständerat bremst. Nun wollen Nationalräte den Plan retten – auch bürgerliche.
Der Auftrag ist klar: Bis 2040 muss der Verkehr seine CO₂-Emissionen um 57 Prozent senken, bis 2050 um 100. So verlangt es das Klimaschutzgesetz, welches das Stimmvolk im Juni angenommen hat.
Geschafft sind bis jetzt erst 7 Prozent – nicht zuletzt, weil nach wie vor Fahrzeuge mit fossilem Antrieb dominieren. Zwar sind in der Schweiz, mit mehr als 30’000 Neuzulassungen allein im laufenden Jahr, mittlerweile 142’000 Elektroautos registriert. Doch das sind nur rund 3 Prozent aller Personenwagen im Land.
Der Bundesrat will deshalb den Umstieg auf die Elektromobilität beschleunigen. Von 2025 bis 2030 will er Ladestationen für Elektroautos mit bis zu 180 Millionen Franken fördern; neben Betrieben und öffentlichen Parkplätzen sollen insbesondere Mehrfamilienhäuser profitieren.
Doch dieser Plan hat zuletzt einen Dämpfer erhalten. Der Ständerat ist der Ansicht, es sei Sache von Privaten, Ladeinfrastruktur einzurichten. Deshalb strich seine bürgerliche Mehrheit in der Herbstsession die geplanten Subventionen aus dem neuen CO₂-Gesetz.
«Der Entscheid des Ständerats ist falsch.»
Nun ist der Nationalrat am Zug. Seine vorberatende Umweltkommission tagt diese Woche. Und bereits jetzt ist klar: Es gibt Widerstand, auch auf bürgerlicher Seite. «Der Entscheid des Ständerats ist falsch», sagt FDP-Nationalrat Matthias Jauslin. Er hat einen Antrag eingereicht, der wieder die Version des Bundesrats ins CO₂-Gesetz schreiben will. Damit die Elektromobilität selbstverständlich werde, so Jauslin, sei der einfache Zugang zu Ladeinfrastruktur an Wohnort und Arbeitsort matchentscheidend.
Zwar gibt es mittlerweile mehr als 16’000 öffentlich zugängliche Ladepunkte in der Schweiz, doppelt so viel wie noch 2020. Doch in den Mehrfamilienhäusern mit ihren rund 3 Millionen Wohnungen sind Ladestationen laut Experten Mangelware. Genaue Zahlen gibt es allerdings nicht.
Umfragen des Touring-Clubs Schweiz (TCS) aus den letzten Jahren zeigen jedenfalls, dass neben dem Kaufpreis die Lademöglichkeit bei der Anschaffung eines Elektroautos ein entscheidendes Kriterium ist. Doch die Mehrheit der Bevölkerung – Mieter und Stockwerkeigentümer – besitzt kein eigenes Haus und kann damit nicht selber bestimmen, ob sie daheim eine Ladestation installiert.
Mitte-Politiker liebäugeln deshalb mit einem Kompromiss: Subventionen ja, aber weniger als vom Bundesrat geplant. Stefan Müller-Altermatt sagt, man müsse sich tatsächlich fragen, ob man das Geld nicht effizienter einsetzen könne. Allerdings seien Mehrfamilienhäuser, Betriebe und öffentliche Parkplätze tatsächlich «schwarze Flecken», bei denen man allenfalls nachbessern müsse, so der Mitte-Nationalrat.
Mitnahmeeffekt mindern
Die Subventionen sind nicht zuletzt wegen sogenannter Mitnahmeeffekte umstritten. Um beim Beispiel zu bleiben: Gemeint ist damit, dass ein Hausbesitzer Bundesgelder erhalten würde, obschon er die Ladestation ohnehin installieren würde. Das Phänomen ist bekannt. Bei der Förderung von Fotovoltaikanlagen hat die Eidgenössische Finanzkontrolle unlängst auf hohe Mitnahmeeffekte hingewiesen: In schätzungsweise der Hälfte der Fälle wäre die Anlage auch ohne Subventionen gebaut worden.
Eine Brücke bauen will auch Gabriela Suter. Die SP-Nationalrätin wird beantragen, die Subvention wieder ins Gesetz aufzunehmen – allerdings mit einer Präzisierung. Das Geld soll ausschliesslich in Massnahmen an der Elektroinstallation fliessen, die für Ladestationen notwendig sind; das kann zum Beispiel eine Verstärkung der Stromanschlüsse sein. Dies könnten die Mieterinnen und Mieter nicht selber machen, so Suter. «Die Ladestation hingegen müssten die E-Auto-Besitzer weiterhin selber bezahlen.» Diese Förderung bringe auch Vorteile für die Energiepolitik, denn mit Investitionen zugunsten des intelligenten und bidirektionalen Ladens könnten Kosten beim Netzausbau eingespart werden.
Investition auf die Mieten überwälzen
Unklar ist, woher der Bund das Geld nehmen soll. Zur Debatte steht der Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF). Dafür stark macht sich unter anderem der TCS. Zentralpräsident Peter Goetschi verweist in einem Schreiben an die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie, das dieser Redaktion vorliegt, auf die NAF-Reserven im Umfang von rund 3,8 Milliarden Franken. Daraus liessen sich die 180 Millionen Franken finanzieren – oder auch mehr, findet der TCS. Er schätzt den benötigten Bedarf für die Mehrfamilienhäuser auf 540 Millionen Franken.
Folgen hätten die Subventionen auch für die Mieterschaft. Die Hausbesitzer können die Installation der Grundinfrastruktur und von Ladegeräten als wertvermehrende Investition auf die Mieten überwälzen. Der Mieterinnen- und Mieterverband (MV) Schweiz rechnet mit einer Mietzinserhöhung von durchschnittlich 20 bis 50 Franken pro Monat.
Fliessen jedoch Fördergelder, müssen diese bei der Berechnung der wertvermehrenden Investition abgezogen werden. «Die Mietzinserhöhung fällt dann weniger hoch aus», sagt MV-Vizepräsident und Grünen-Nationalrat Michael Töngi. Wichtiger als Fördergelder fände Töngi indes, dass die Mietenden in Zukunft das Recht erhielten, eine Ladestation installieren zu dürfen – unabhängig davon, ob der Vermieter das auch will. Doch diese Forderung hat im Parlament bislang keine Mehrheit gefunden.
«Es braucht keine Förderprogramme.»
Dezidiert gegen die Subventionen ist die SVP. «Es braucht keine Förderprogramme des Bundes», sagt Nationalrat Michael Graber. Die Entwicklung laufe ganz ohne Subventionen in Richtung Elektrifizierung.
Die SVP argumentiert mit der Versorgungssicherheit: Die Schweiz wird künftig deutlich mehr Strom brauchen als heute, auch wegen der Elektrifizierung des Verkehrs. Hinzu kommt, dass sie den Wegfall der Kernkraftwerke kompensieren muss. Insgesamt geht es um ein Delta von etwa 40 Terawattstunden pro Jahr – zwei Drittel der aktuellen Stromproduktion. Für die SVP kommt es vor diesem Hintergrund nicht infrage, dass der Bund die Elektrifizierung auch noch fördert.
Nur: SVP-Vertreter im Ständerat haben im Mai mitgeholfen, einen Vorstoss durch den Rat zu bringen, der die Installationen von Ladeinfrastrukturen steuerlich abziehbar machen will.
Letzte Woche nun hat die vorberatende Wirtschaftskommission des Nationalrats die Motion ebenfalls gutgeheissen, dem Vernehmen nach mithilfe von SVP-Mitgliedern. Einen Widerspruch sieht Graber darin nicht: Es sei etwas grundlegend anderes, ob der Staat Gelder verteile oder den Leuten weniger Geld wegnehme.
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