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Flutkatastrophe in Spanien
Mit jedem Tag wächst die Wut – «Wir brauchen viel mehr Hilfe»

People walk through a street with piled furniture and rubbish on the sides in an area, affected by floods, in Paiporta, Valencia, Spain, Tuesday, Nov. 5, 2024. (AP Photo/Emilio Morenatti)
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In Kürze:
  • Mindestens 218 Menschen starben bei der Flutkatastrophe in Spanien.
  • In Valencia werden laut nach Behördenangaben 89 Menschen vermisst.
  • Die Regierung steht wegen des Katastrophenmanagements unter Druck.
  • Eine Welle der Solidarität erfasst das Land mit Spenden und Hilfsgütern.

Eine Woche nach der verheerenden Flut in Spanien mit mehr als 200 Todesopfern im Osten Spaniens liegt erstmals eine offizielle Vermisstenzahl vor. 89 Menschen würden in der am schwersten betroffenen Region Valencia vermisst, teilte die Regionalregierung am Abend mit. Einige spanische Medien hatten noch bis vor Kurzem von bis zu 2.500 Vermissten berichtet – allerdings ohne Quelle. Vermutlich basierten die Zahlen auf den Notrufen, die teils schon zu Beginn des Unwetters vor gut einer Woche bei den Behörden eingingen.

Die offizielle Zahl der Todesopfer liegt insgesamt bei 215, allein in Valencia wurden 211 geborgen. 62 von ihnen wurden noch nicht identifiziert, sodass einige der von Angehörigen und Freunden als vermisst gemeldeten Menschen darunter sein könnten.

Auch die Rettungsarbeiten in den verschiedenen Regionen gehen nur schleppend voran. Im Einsatz stehen rund 17’000 Einsatzkräfte. Doch diese stossen angesichts des Ausmasses der Schäden an ihre Grenzen. Die stark betroffene Region Valencia zeigt auch nach einer Woche immer noch ein Bild der Zerstörung: Zahlreiche Strassen sind verschüttet, Gassen und Häuser sind mit einer dicken Schicht Schlamm überzogen. «Wir brauchen viel mehr Hilfe», sagte eine Reporterin in Valencia am Dienstag dem Fernsehsender Telemadrid. Die Situation vor Ort verbessere sich langsam: «Aber es gibt immer noch unglaublich viel zu tun.»

Die Wut der spanischen Bevölkerung wächst

Mit jedem Tag, der verstreicht, wächst auch die Wut der Spanier und Spanierinnen. In den sozialen Netzwerken äussern zahlreiche Personen ihren Frust über das Katastrophenmanagement der Regierung. Wieso gibt es keine genauen Informationen zu den Toten und Vermissten? Warum dauerte es mehrere Tage, bis in gewissen Dörfern spanische Rettungseinsätze eintrafen? Wieso wurde der nationale Notstand nicht ausgerufen? Als der spanische Regierungschef Sánchez und König Felipe am Sonntag das Katastrophengebiet besuchten, wurden sie von den Einwohnern mit Schlamm beworfen.

TOPSHOT - King Felipe VI of Spain (CR) is heckled by angry residents who throw mud and objects during his visit to Paiporta, in the region of Valencia, eastern Spain, on November 3, 2024, in the aftermath of devastating deadly floods. A delegation led by Spain's king and prime minister was heckled today as it visited the Valencia region hit by deadly floods, with some screaming "assassins" and others throwing mud, according to AFP journalists on the scene. King Felipe VI and Queen Letizia visited the town of Paiporta, one of the most affected by the floods that have killed more than 200 people, alongside Prime Minister Pedro Sanchez and other officials. (Photo by Manaure Quintero / AFP)

Die Regierung gerät zunehmend unter Druck. Insbesondere der Chef der rechten Regionalregierung in Valencia, Carlos Mazón, wird immer stärker kritisiert. Bereits einen Tag nach dem grossen Unwetter wurde ihm vorgeworfen, zu spät auf die Wetterwarnungen reagiert zu haben. Der Handyalarm des Zivilschutzes ging erst um 20.15 Uhr auf die Handys in der Region Valencia ein – zu einem Zeitpunkt, als bereits Hunderte Menschen in ihren Autos in den Wassermassen feststeckten.

Seither weist Mazón sämtliche Vorwürfe entschieden zurück. Vor einer Woche versuchte er, die linke Zentralregierung in die Verantwortung zu nehmen. Er erklärte, dass die «herausgegebenen Warnungen standardisierten und protokollierten Handlungen» folgten. Er betonte, dass das Protokoll von der Generaldirektion für Katastrophenschutz von der spanischen Regierung koordiniert wird.

Am Montag wälzte Mazón die Schuld für den verspäteten Handyalarm zusätzlich auf die staatliche Stelle der Confederación Hidrográfica del Júcar (CHJ) ab. Diese ist zuständig für die Überwachung von Wasserständen in Schluchten. Laut Mazón hat die Stelle nicht rechtzeitig vor den Hochwassern gewarnt. Die staatliche Stelle reagierte wiederum und sagte, die Verantwortung für solche Warnungen liege nicht bei ihr.

Nationaler Notstand wurde in Spanien nicht ausgerufen

Auch die Entscheidung, den nationalen Notstand nicht auszurufen, sorgt für hitzige Diskussionen. Weder die Zentralregierung unter Premierminister Sánchez noch die Regionalregierung unter Mazón aktivierten Alarmstufe 3, was die Zuständigkeit für das Krisenmanagement auf die Zentralregierung übertragen hätte. Alarmstufe 3 hätte es ermöglicht, staatliche, regionale und lokale Ressourcen zentral zu koordinieren und im Krisengebiet zu bündeln. Viele Zeitungen argumentieren, dass man in diesem Zustand schneller Hilfe hätte leisten können.

epa11702469 Military personnel clean the streets of the flood-hit municipality of Catarroja, Valencia province, Spain, 05 November 2024. The devastating floods in Valencia and neighboring provinces have caused at least 213 fatalities, as efforts to search for missing people, provide supplies and care for the victims continue a week after the DANA (high-altitude isolated depression) weather phenomenon hit the east of the country on 29 October.  EPA/CHEMA MOYA

Die Frage nach der Verantwortung scheint inzwischen auch innerparteilich zu Konflikten zu führen. Der Präsident des rechtskonservativen PP, Alberto Núñez Feijóo, forderte am Montag die Ausrufung der Alarmstufe 3. Damit würden seinem Parteikollegen Carlos Mazón die Befugnisse des Notfallmanagements entzogen werden und an die linke Regierung von Pedro Sánchez übergehen. Noch vor einer Woche stellte sich Feijóo geeint hinter Mazón.

Am Sonntag forderte die linksgerichtete Zeitung «El País» den Rücktritt Mazóns. Pedro Sánchez verteidigte am Dienstag jedoch das aktuell geltende System. Die Regionalregierung zu ersetzen, würde bedeuten, ihre Effizienz zu verringern, so Sanchez. «Was die Bürger wollen, ist, dass ihre Institutionen sich nicht bekämpfen, sondern Seite an Seite arbeiten», fügte der Präsident hinzu. Dass bei der Ausrufung des nationalen Notstands seine Regierung für die begangenen Fehler verantwortlich gemacht werden könnte, dürfte sicherlich dazu beitragen, dass Sanchez plötzlich so klar hinter Mazón steht.

«Nur das Volk rettet das Volk»

Die politischen Diskussionen rund um die Schuldfrage offenbaren die grossen Fehler, die in der Bekämpfung der Katastrophe auf allen Seiten passiert sind und immer noch geschehen. Unklare Verantwortungsbereiche und zwischenparteiliche Streitigkeiten verhindern das, was die Menschen vor Ort aktuell am dringendsten benötigen: ein schnelles, unkompliziertes effizientes Handeln in den betroffenen Gebieten.

Was die Regierung nicht fertigbringt, nimmt die Bevölkerung selbst in die Hand. Das Land wird derzeit von einer riesigen Welle der Solidarität ergriffen: In ganz Spanien wurden Sammelpunkte für Waren eröffnet, die sozialen Netzwerke sind voll mit Spendenaufrufen. Auch auf den Strassen der Hauptstadt Madrid sieht man aktuell zahlreiche Personen, die bepackt mit Hilfsgütern zu Spendensammelpunkten laufen. In vielen Einkaufsläden sind gewisse der gefragten Güter beinahe ausverkauft.

Tausende von Freiwilligen sind seit vergangenem Mittwoch nach Valencia geströmt, um bei den Aufräumarbeiten zu helfen. In Spanien gibt es ein bekanntes Sprichwort: «Nur das Volk rettet das Volk.» Es hat sich in den vergangenen Tagen einmal mehr bewahrheitet.